29. Dezember 2023, 11:16 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die RSG Group ist eines der weltgrößten Fitness-Unternehmen und Betreiber von bekannten Ketten wie McFit, John Reed und Gold’s Gym. FITBOOK sprach mit den CEOs Dr. Jobst Müller-Trimbusch und Hagen Wingertszahn über Trends in der Branche, geplante Partnerschaften und darüber, warum die Politik die Mehrwertsteuer auf Fitnessstudio-Beiträge senken sollte.
McFit-Gründer Rainer Schaller galt in der Fitnessbranche zurecht als Pionier, der mit immer neuen Ideen den Markt aufwirbelte. Nach seinem Tod fokussieren sich seine Nachfolger an der Unternehmensspitze, Dr. Jobst Müller-Trimbusch und Hagen Wingertszahn, um den wirtschaftlichen Erfolg der RSG Group. Dabei steht die Marke McFit im Mittelpunkt. Doch die beiden schauen sich den Fitnessmarkt intensiv an und halten Ausschau nach Trends und Partnerschaften. Im Interview mit FITBOOK erklären sie, was sie gerade für spannend halten und stellen an die Politik eine Forderung: Sie solle die Mehrwertsteuer auf Beiträge im Fitnessstudio senken.
Das Thema Fitness ist heutzutage mehr als nur Muskeln und Ausdauer – der Gesundheitsaspekt gewinnt an Bedeutung. Haben Sie schon mal erwogen, entsprechende Angebote in Ihre Konzepte zu integrieren?
Dr. Jobst Müller-Trimbusch: „Wir haben uns die Kombination aus Gesundheit und Fitness gemeinsam mit Kieser (Kieser Training, Anmerk. d. Red.) sehr intensiv angeguckt. Es gab auch verschiedene Ideen, zu kooperieren, aber wir haben uns beidseitig vorerst dagegen entschieden, weil es doch ein langer Weg für uns gewesen wäre, hier die entsprechende Glaubwürdigkeit und Kompetenz aufzubauen. Ich will das aber für die Zukunft nicht komplett ausschließen. Es ist aber nicht naheliegend.“
Hagen Wingertszahn: „Ich sehe das Thema Gesundheit auch in der individuellen Beratung durch entsprechend ausgebildete Personal Trainer – und hier steckt in der Zukunft ein ganz großes Potenzial. Unsere Neuausrichtung soll auch in diesem Segment stattfinden. Der deutsche Fitnessmarkt muss aber auch lernen, dass individuelle Ansprüche nicht mit einer 25-Euro-Mitgliedschaft einhergehen, sondern dazugebucht werden müssen. Hier tut man sich allein schon mit Preisanpassungen noch immer sehr schwer.“
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»Wir versprechen uns einiges von der Kooperation mit Aldi
Welche Partnerschaften stehen für das kommende Jahr an?
Wingertszahn: „Wir sind immer auf der Suche nach starken Partnern. Was ich sagen kann, ist: Wir werden mit Gympass etwas Größeres machen. Sie werden für uns das Firmen-Business deutlich in den Fokus rücken. Und Anfang des Jahres werden wir eine Kooperation mit Aldi starten. Wir werden der Fitnesspartner von der Marke Aldi Sport sein.“
Kann man Mitgliedschaften dann an der Kasse kaufen?
Wingertszahn: „An der Kasse und online. Wir versprechen uns einiges davon. Die Mitgliedschaft wird dann etwas günstiger, aber mit anderen Laufzeiten-Modellen kombiniert sein. Es handelt sich im Grunde um einen alternativen Vertriebskanal. Für uns ist das natürlich ein spannender Schritt. Aldi hat das sehr erfolgreich mit dem Telekommunikationsmarkt gemacht. Und analog dazu folgt das jetzt eben im Fitnessmarkt.“
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Wingertszahn: „Functional Training war für mich der letzte große Trend“
Welche Rolle spielt derzeit KI bei Ihnen?
Müller-Trimbusch: „Bei dem Thema KI wird derzeit etwas übertrieben. Was in den kommenden Jahren sicherlich passieren wird, ist eine verstärkte elektronische Unterstützung und damit Optimierung des Trainings. Die Technik kommt uns und allen anderen da natürlich zugute, da fast jeder inzwischen eine Art Fitnesstracker hat. Und wir wollen bei diesem Thema mitgehen, aber wir sehen uns hier aktuell nicht in der Position eines Pioniers.“
Wingertszahn: „Man muss immer auch ein bisschen aufpassen und sich fragen: Was sind nur kurzfristige Entwicklungen – und was sind die Trends, die sich im Fitnessmarkt tatsächlich durchsetzen und die man dann auch ins Portfolio integrieren sollte? Manchmal liegt man richtig, manchmal nicht.“
Und vieles ist letztlich gar nicht wirklich neu …
Wingertszahn: „Wenn man sich die Top-Trends anschaut, dann sind viele dabei, die es bereits vor 30 Jahren gab: Einzeltraining, klassisches Krafttraining, Krafttraining für Frauen, Training für ältere Menschen, Personal Training. Functional Training war für mich der letzte große Trend, als er vor zehn, 15 Jahren aufkam.“
Welchen Trend schauen Sie sich derzeit genauer an?
Wingertszahn: „Personallose Studios sind sehr spannend.“
Also Gyms, die ganz ohne Mitarbeiter auskommen und in der Fläche auch kleiner sind …
Wingertszahn: „Das setzt beim Problem an, dass die zur Verfügung stehenden Flächen im Immobilienmarkt gerade in den Großstädten mit der Verdichtung immer geringer werden. Es gibt nicht mehr den Platz, um mehrere 2000 Quadratmeter große Fitnessstudios zu eröffnen.“
In manchen Ländern gibt es meist schon voll ausgestattete Trainingsbereiche in den Wohnanlagen …
Wingertszahn: „Genau, und da wollen wir schauen, ob wir mit kleineren Studio-Formaten, also eine Art Neighbourhood Gym, mehr Fitnessfläche zur Verfügung stellen können. Das ist ein Trend, der das ganze Thema Fitnessstudio neu betrachtet.“
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Müller-Trimbusch: »Mehrwertsteuer auf Mitgliedsbeiträge im Fitnessstudio auf 7 Prozent senken
Mit der RSG Group kommt einer der weltgrößten Fitnessanbieter aus Deutschland. Man könnte meinen, dass wir hierzulande besonders gesund leben. Stattdessen sinkt die Lebenserwartung. Was muss geschehen, um diesen Trend umzukehren?
Wingertszahn: „Das ist kein Fitness-Problem, sondern ist ein politisches Problem. Die Politik muss die Mehrwertsteuer auf Mitgliedsbeiträge im Fitnessstudio senken. Und sie muss, ähnlich wie in anderen Ländern, Fitnessprogramme für Krankenkassen subventionieren. Dann können es sich auch langfristig mehr Menschen leisten, gerade auch im Alter zu trainieren.“
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Müller-Trimbusch: „Bei der betrieblichen Gesundheitsförderung wäre der naheliegendste Ansatz, die Subventionierung von Mitgliedschaften im Fitnessstudio durch den Arbeitgeber von den Steuern und Sozialabgaben zu befreien. Das wäre schon mal ein Riesenschritt.“
Man könnte natürlich auch für Menschen, die ins Fitnessstudio gehen, die Krankenversicherungsbeiträge senken …
Müller-Trimbusch: „Man muss vermeiden, dass es zu einem Verteilungskampf zwischen Fitnessindustrie und den Krankenkassen kommt. Den verlieren wir, weil die Versicherungen die bessere Lobby haben. Besser wäre es, insgesamt den Kuchen größer zu machen. Und der einfachste Schritt ist, die Mehrwertsteuer auf Mitgliedsbeiträge im Fitnessstudio auf 7 Prozent zu senken.“
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Seitens der Politik müsste also noch mehr in die Förderung von Bewegung als wichtiger Beitrag zur Gesundheit getan werden …
Wingertszahn: „Auch wenn ich mal keine Lust zum Training habe, überwinde ich mich und mache ein Workout von 30 Minuten, weil ich am Ende weiß: Es hat mir irgendwie gutgetan. Diesen positiven Effekt auf die Psyche – Stressabbau, Entspannung, Abschalten – darf man neben dem Körperlichen auch nicht außer Acht lassen.“