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Studie

Sportarten, bei denen Linkshänder im Vorteil sind

Linkshänder haben einen Vorteil bei bestimmten Sportarten, hier zu sehen: Tischtennis-Star Timo Boll 2024 in Singapur
Timo Boll (40) ist einer der besten Tischtennis-Spieler – und Linkshänder Foto: VCG via Getty Images
Anna Echtermeyer
Redakteurin

7. Mai 2024, 4:02 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Wenn im sportlichen Wettkampf Sekundenbruchteile und blitzschnelle Reaktionen zählen, schlägt oft die Stunde der Linkshänder. Für sie scheint das Motto zu gelten: je höher der Zeitdruck, desto besser. FITBOOK-Redakteurin Anna Echtermeyer erklärt, bei welchen Sportarten Linkshänder im Vorteil sind.

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Wie viele Linkshänder kennen Sie? Einen, fünf – mehr? Sicher ist: nicht so viele wie Rechtshänder. 10,6 Prozent soll ihr Anteil an der Gesellschaft betragen. Das hat ein Forscherteam um die Neuropsychologin Dr. Marietta Papadatou-Pastou von der Universität Athen 2020 herausgefunden, nachdem man die Daten von fast zweieinhalb Millionen Menschen aus rund 200 Untersuchungen analysiert hatte.1 Entspricht also etwa jedem Zehnten. Was man definitiv sagen kann: Linkshänder sind – gegenüber den Rechtshändern – deutlich in der Unterzahl. Doch eine Schwäche kann man daraus nicht ableiten. Eine Studie zeigt: In sportlicher Hinsicht kann daraus sogar ein großer Vorteil erwachsen. Dieser besteht darin, dass Linkshänder ihre Gegner im Kampf besser überraschen können. Das zeigt u. a. eine Studie, die das untersucht hat. Timo Boll, der erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler, ist dafür das beste Beispiel.

Untersuchung zum Linkshänder-Vorteil im Sport

Deutschlands Tischtennis-Star Timo Boll gehört auch mit 43 Jahren noch zur absoluten Weltspitze. Momentan bereitet sich der ehemalige Weltranglistenerste und Rekord-Europameister (sechs Titel) auf seine siebte Olympia-Teilnahme vor, hat gerade sein erstes Spiel bei der Grand-Smash-Premiere in Saudi-Arabien gewonnen. Bolls Erfolge sind vor allem auf seine enorme Geschwindigkeit, Präzision und Beweglichkeit zurückzuführen. Offenbar hat er aber auch noch einen anderen Vorteil: Er ist Linkshänder.

Auch die Wissenschaft kann diesen Vorteil belegen: 2017 hat die Fachzeitschrift „Biology Letters“ eine Publikation von Florian Loffing von der Oldenburger Carl von Ossietzky Universität veröffentlicht.2 Der Sportwissenschaftler, der sich zu diesem Zeitpunkt bereits viele Jahre mit dem Thema befasst hatte, fand heraus: Diesen Linkshänder-Vorteil scheint es besonders in Ballsportarten mit hohem Zeitdruck zu geben!

In diesen Sportarten sind Linkshänder überproportional in der Weltspitze vertreten

Loffing hat im Rahmen seiner Untersuchung die Händigkeit in den Top-100-Ranglisten von insgesamt sechs Ballsportarten analysiert: Badminton, Squash, Tischtennis, Tennis, Cricket und Baseball. Bei den von Loffing als „schnell“ identifizierten Sportarten Tischtennis, Cricket und Baseball zeigte sich, dass diese Sportarten einen deutlich erhöhten Anteil von Linkshändern in der Weltspitze aufwiesen – verglichen mit ihrem Anteil in der Gesellschaft.

„Generell geht man von einem Linkshänder-Anteil von rund zehn Prozent in der westlichen Gesellschaft aus. In der Weltspitze beim Baseball sind es dagegen bei den Werfern 30,39 Prozent, beim Tischtennis 25,82 und beim Cricket bei den Werfern 21,78 Prozent“, teilte Loffing mit.

Bei den Rückschlagsportarten Tennis, Badminton und Squash wurde im Vergleich ein geringerer Zeitdruck ermittelt und in diesem Zusammenhang auch ein geringerer Linkshänder-Anteil in der Weltspitze festgestellt. „Wobei ich jetzt nicht sagen würde, dass Squash oder Badminton langsame Sportarten sind“, warnt Loffing vor Fehlschlüssen. In Videoanalysen werteten der Wissenschaftler und sein Team Ballwechsel aus, um den Zeitdruck zu definieren.

Was „hoher Zeitdruck“ bei einer Sportart bedeutet

„Wir haben dabei den Zeitpunkt notiert, wann ein Spieler den Ball mit dem Schläger berührt. Zeitdruck haben wir dann als Abstand zwischen dem Schläger-Ballkontakt des einen Spielers und dem Schläger-Ballkontakt des anderen Spielers definiert“, erläuterte Loffing. „Je geringer der Zeitwert, desto höher der Zeitdruck.“ Bei Cricket und Baseball seien die Ballflugzeiten als Parameter genommen worden.

Entgegen der Annahme, dass Linkshänder generell in interaktiven Sportarten – also Tennis, Tischtennis oder Badminton – einen Vorteil haben, legen die Auswertungen die Vermutung nahe, dass der Vorteil in der Weltspitze gemessen am Anteil an Linkshändern selbst innerhalb der interaktiven Sportarten variiert. „Zeitdruck kann ein möglicher Faktor sein, der den Vorteil verstärkt oder abschwächt“, resümiert Loffing.

Rechtshänder auf Aktionen von Rechtshändern „gepolt“

Dass Linkshänder einen Vorteil im interaktiven Sport haben, ist schon seit den 1980er und 1990er Jahren wissenschaftlich belegt. Dabei geht es um den Nachteil des Gegners. Denn der ist aufgrund der Mehrheit an Rechtshändern in seinem Sport auf deren Aktionen „gepolt“. Trifft er nun im sportlichen Duell auf Linkshänder, fällt es ihm daher schwerer, auf dessen Aktionen zu reagieren.

Die funktionelle Hirnorganisation ist bekanntermaßen so aufgebaut, dass bei Rechtshändern die linke Gehirnhälfte aktiv ist, bei Linkshändern die rechte. Warum gibt es nun mehr Rechts- als Linkshänder? Mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Etwa Nachahmung. „Wollte in der Steinzeit ein Mensch dem anderen zeigen, wie man ein Werkzeug herstellt, war dieser Lernvorgang wahrscheinlich erfolgreicher, wenn dabei die gleiche Hand benutzt wurde. Das heißt, es könnte einen evolutionären Druck darauf gegeben haben, dass die Menschen alle Rechtshänder werden“, zitiert der mdr Sebastian Ocklenburg, Biopsychologe an der Ruhr-Universität Bochum.3 Und wie viele von uns noch wissen: Bis in die 90er-Jahre hinein war es noch üblich, linkshändige Kinder zur Rechtshändigkeit umzuerziehen. Links galt als böse. Mit teils schweren Folgen: Solche Kinder hatten häufig Sprachprobleme und Lernschwierigkeiten, wie Stottern, schlechte Feinmotorik oder Lese-Rechtschreibschwächen.

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Wie erkennt man Rechts- oder Linkshändigkeit bei Kindern?

Die reine Beobachtung, mit welcher Hand ein Kind von sich aus zum Stift greift, ist kein Beweis für eine Rechts- oder Linkshändigkeit – auch, wenn bereits beim Säugling Asymmetrien der Gehirnhälften feststellbar sind.4 Einen wissenschaftlichen Test zur Händigkeit bietet etwa die Ruhr-Universität Bochum (ans Ende der Seite scrollen). Alternativ gibt es verschiedene Beratungsstellen für Linkshänder, etwa den Münchner Verein „Erste deutsche Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder“. Hier kann man auch Berater in der Nähe finden.

Quellen

  1. Papadatou-Pastou M., Ntolka E., Schmitz J. et al. (2020). Human handedness: A meta-analysis. American Psychological Association. ↩︎
  2. Florian Loffing (2017). Left-handedness and time pressure in elite interactive ball games. Biology Letters. ↩︎
  3. mdr 2023. Linkshänder: Warum gibt es so wenige? (aufgerufen am 06.05.2024) ↩︎
  4. Bayerisches Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz. Befunde zur Lateralität und Händigkeit im Kindesalter (aufgerufen am 06.05.2024) ↩︎
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