29. Oktober 2020, 18:49 Uhr | Lesezeit: 13 Minuten
Seit ich intensiv laufe, esse ich anders. Wonach ich inzwischen regelrecht süchtig bin, warum ich ausschließlich am Wochenende frühstücke – und nach welchen Mahlzeiten ich die besten Zeiten gelaufen bin, lesen Sie in Teil 7 der Kolumne zur Challenge „10 Kilometer unter 45 Minuten“. Lieblings-Rezepte gibt’s auch.
Ich gehöre zu den Genussmenschen. Ganz besonders deutlich zeigt sich das beim Thema Ernährung: Essen und Trinken sind für mich nie reine Nahrungsaufnahme, die bloß sicherstellen soll, dass ich eine bestimmte Zahl an Kalorien zu mir nehme. Wenn ich Essen genieße, geschieht es ohne Reue und bewusst. Ich liebe es, wenn ein Glas Wein den Gedanken eines Gerichts zu Ende führt. Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert, als ich Anfang des Jahres beschlossen habe, irre viel zu trainieren, um Ende des Jahres 10 Kilometer in unter 45 Minuten zu laufen – und doch hat sich mein Appetit verändert.
Mehr Eiweiß, Ballaststoffe, Fett und Vitamine
Wer viel läuft, hat großen Appetit. Überraschenderweise esse ich aber nicht nur mehr, sondern auch abwechslungsreicher. Was inzwischen auf meinem Teller landet, ist deutlich protein-, ballaststoff-, fett- und nährstoffreicher. Nüsse, Eier und Quark spielen nun eine Hauptrolle; Rote Bete ist nach jahrzehntelanger Abneigung plötzlich ein Thema. Kartoffeln und Reis haben meine Vorliebe für Brot und Pasta kaltgestellt. Und von Sesampaste, von der ich lange nicht wusste, wie man sie freiwillig essen kann, weil sie bitter-salzig schmeckt und wie Teer an Zähnen und Gaumen klebt, bekomme ich nicht mehr genug. Weißes Mandelmus? Ich bin süchtig danach.
Wenn man bei Google „Läufer“ und „Essen“ eingibt, bekommt man 6,1 Millionen Anreize geliefert, sich stundenlang durch Ernährungspläne zu wühlen. Ohne Frage, man kann aus dem Thema Ernährung eine Raketenwissenschaft machen, wenn es um Leistungsoptimierung im Sport geht. Umso erstaunter war ich, wie entspannt mein Coach Egidijus Pranckus, der diese Challenge seit Beginn als Athletiktrainer begleitet, das Thema sieht. Er hat mir dazu bei unserem ersten Treffen nur drei Fragen gestellt:
- „Kochst du selbst und sind Kartoffeln dabei?“
- „Isst du Fast-Food?“
- „Isst du abends auf der Couch Chips und Gummibärchen?“
Die erste Frage habe ich mit „Ja“ beantwortet, die beiden anderen mit „Nein“. Das war, was er hören wollte. Was das Essen angeht, war ich also schonmal nicht auf dem Holzweg. Es kam mir entgegen. Also haben wir es beim gelegentlichen Austausch von Kartoffelrezepten belassen und die Optimierungslogik ganz ins Training gesteckt.
Was mir schmeckt, seit ich intensiv trainiere
Mein Ansatz war von vornherein, mir nichts zu verbieten und auch keine Ernährungspläne zu wälzen, sondern selbst herauszufinden, welche Ernährungsgewohnheiten mir und meinem Körper besonders guttun. Versuch und Irrtum. Und was ich in den letzte sechs Monaten, also seit Beginn der Challenge, für mich ganz persönlich herausgefunden habe, möchte ich gerne mit euch teilen. Ich zeige euch, was mir schmeckt, seit ich intensiv trainiere.
Kein Tag ohne Quark mit vielen Extras
Kein Tag ohne Quark, Sportler brauchen schließlich Proteine. Hängengeblieben bin ich bei Magerquark – was erstaunlich ist, denn diese etwas pappig-saure, ganz sicher langweilige Pampe hat geschmacklich nicht sehr viel zu bieten. Wie ich herausgefunden habe, muss man dem Mucki-Futter einfach das Richtige überkippen, damit ganz große Liebe draus wird. Erstmal rühre ich aber unter: saisonales Obst, Nüsse, Samen. Fürs Auge und den sensationellen Vitamin-C-Boost: Aroniamus. Und nun zu meinen persönlichen Topping-Highlights:
- Edelhefe: Eigentlich nichts anderes als ein köstliches, veganes Würzmittel, aber nicht so böse wie Glutamat, sondern irre nährstoffreich: Die Flocken enthalten Aminosäuren, Mineralstoffe, Spurenelemente und liefern außerordentlich viele Vitamine der B-Gruppe, wichtig für den Energiestoffwechsel und das Nervensystem.
- Weizenkeime: Mit der köstlichste Geschmack, den ich je in meinem Leben erfahren habe… Suchtpotential! Und die Inhaltsstoffe klingen auch nicht verkehrt: B-Vitamine, Vitamin E, Zink, Magnesium und Phosphor.
- Weißes Mandelmus: Als Teenager hat mich der Geschmack von Mandelpampe an eingeschlafene Füße erinnert. Heute sehe ich’s so: Orgasmus für Genießer. Und das Beste, wenn ich nach einem Long Run einen brutalen Hungerast habe.
Pro-Tipp: Quark verschleimt (wie andere Milchprodukte auch) die Atemwege. Damit ich beim Laufen – was ich in der Regel abends tue – nicht das Gefühl habe, ständig spucken zu müssen, esse ich ihn entweder als Nachtisch nach dem Mittagessen – oder als vollwertige Mahlzeit nach dem Laufen, wenn ich keine Zeit und Lust zum Kochen habe.
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8/10 Mittagessen – viel Gemüse mit Tahin
Die Kombination aus gedünstetem Gemüse und orientalischer Sesampaste hat sich fest in meinem Homeoffice-Alltag verankert. Wenn man beim Gemüse nicht eingeschränkt ist, kommt auch keine Langeweile auf. „Ta-Da“-Moment: Wenn aufgespießte, bissfeste Rote Bete oder Süßkartoffel im Tahin-Klecks baden und dann in meinem Mund landen. Absolut köstlich! Groß muss die Gemüseportion sein, sonst werde ich nicht satt. Aber dann kann ich nach Feierabend unbelastet und kraftvoll ins Training starten. Wem gelingt das schon, wenn er Schnitzel oder Pasta zu Mittag hatte?
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Wenn ich dringend etwas Süßes brauche
Ich versuche so gut es geht, auf Snacks zu verzichten, denn die triggern den Blutzuckerspiegel unnötigerweise. Aber an manchen Nachmittagen brauche ich das wohltuende Gefühl von Süßigkeit im Mund. Ich stelle es am liebsten her mit Schokolade mit 70 Prozent Kakaogehalt, selbstgemachter Marmelade (mit einem Frucht-Gelierzucker-Verhältnis von 3:1) oder einem Löffel (Aronia)-Honig.
Einmal pro Woche Fisch oder Fleisch
Wenn ich durchgefroren bin, mich unwohl fühle oder eine Erkältung im Anmarsch ist, hilft immer Omas Brühe (Rezept unten). Die von mir ebenfalls sehr geliebte Rinderleber hat einen hohen Gehalt an B-Vitaminen und enthält sehr viel Eisen. Das Spurenelement ist verantwortlich für den Transport von Sauerstoff im Blut, und ich habe erfahren, dass Frauen, die viel Sport treiben, einen größeren Bedarf an Eisen haben. Wunderbar übrigens in Kombination mit gedämpftem Hokkaidokürbis. Das daneben ist Weißkrautsalat. Was ich ebenfalls sehr liebe, ist Fisch, simpel angebraten mit Knoblauch. Seefische wie die Dorade liefern wertvolle Omega-3-Fettsäuren; die Seezunge etwas weniger, dafür ist sie geschmacklich ein Hit.
Carbload
Einen leer gelaufenen Kohlenhydratspeicher – davon würde ich nach Trainingseinheiten ab 16 Kilometer sowie intensiven Intervalleinheiten sprechen – fülle ich am darauffolgenden Regenerationstag mit Schlemmerei auf. Wenn ich Zeit habe, zum Beispiel am Wochenende, koche ich mit Vorliebe Risotto (schön schlonzig, aber nicht pampig muss es sein, das Rezept steht unten). Ein gelegentlich aufkommendes Hungerloch am Nachmittag sättige ich mit einer kleinen Portion Salzkartoffeln. Die finde ich inzwischen bekömmlicher als Pasta.
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Frühstücken – aber nur am Wochenende
Inspiriert durch das Buch „Iss dich jung“ des italienischen Altersforschers Walter Longo habe ich vor etwas mehr als einem Jahr beschlossen, meinem Stoffwechsel mehr Ruhephasen zu gönnen und den Insulinspiegel nicht unnötig zu triggern, indem ich das Zeitfenster, in dem ich esse, verkleinert habe. Es gibt kein Frühstück, dafür einen großen Teller beim Mittagessen und Abendessen nach Möglichkeit vor 20 Uhr. Ich kann euch nur dazu ermutigen, das auszuprobieren. Mir tut diese Variante des Intervallfastens auch und gerade seit der Challenge und dem damit erhöhten Kalorienverbrauch erstaunlich gut. Ich nehme weder ab noch zu und habe genug Kraft fürs Training. Bei solchen Regeln halte ich falschen Ehrgeiz jedoch für unangebracht: Es muss sich gut anfühlen. Und deshalb lasse ich auch Ausnahmen zu.
Was ich wirklich liebe, ist, am Wochenende auszuschlafen und dann ausgedehnt zu frühstücken. Da ich Frühaufsteher bin (mein Energielevel sinkt im Tagesverlauf kontinuierlich), ist das nicht nach 10 Uhr. Fun-Fact: Etwa drei Stunden nach Haferkleie-Porridge und Spiegelei habe ich meine bisher besten Trainingseinheiten absolviert.
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Stoff zum Überholen
Als Läuferin bin ich sportliche Einzelgängerin, Begegnungen auf der Strecke – sei es im Park, Wald oder auf der Tartanbahn – sind kurz und berührungslos. Wenn ich zum Überholen ansetze, kreisen meine Gedanken um Apfelkuchen. Zwetschgenkuchen. Zwiebelkuchen. Wenn es funktioniert hat, belohne ich mich entsprechend. Die Extra-Kalorien sind übrigens egal, seit ich intensiv trainiere…
Alle bisherigen Teile der Kolumne:
- Warum ich 10 Kilometer in unter 45 Minuten laufen will
- Der höllische Funktionstest
- Fahrtspiel-Liebe und Verletzungspech
- Angst vor dem ersten Lauf seit 6 Wochen
- Mein Coach ist entsetzt
- Die magische Wirkung des Long Run
Warmes Wasser
Kennt ihr das Sprichwort, man soll morgens die Kröte schlucken? Nicht, dass Wassertrinken unangenehm ist, aber über den Tag finde ich oft nicht genug Zeit dafür. Deshalb habe ich mir ein Morgenritual angewöhnt und trinke direkt nach dem Aufstehen ein großes Glas lauwarmes Leitungswasser (mindestens 0,4 Liter) in einem Zug. Nach ayurvedischer Überzeugung soll warmes Wasser die Verdauung unterstützen. Dazu geraten hat mir Ayurveda-Ärztin und Neurologin Dr. Kulreet Chaudhary. Sie ist eine der weltweit führenden Darm-Hirn-ExpertInnen und sagt übrigens, dass alle Krankheiten ihren Ursprung im Darm haben. Ein spannendes Thema und vielleicht nehmt ihr euch ja mal 20 Minuten Zeit für diesen Text zur irren Darm-Hirn-Verbindung und ihren Folgen für die Gesundheit.
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Kaffee
Was ich morgens wirklich dringend brauche, ist Kaffee, und das, Asche auf mein Haupt, nicht zu knapp. Unbedingt auch mit einem Schuss (Kuh-)Milch. Ob man ihn besser schwarz trinken sollte, weil Milch aufgrund seines hohen Nährgehalts ein Nahrungsmittel ist und kein Getränk, und man damit sozusagen die Phase des Fastens durchbricht, darüber sind sich die Experten nicht einig. Die einen sagen so, die anderen so. Ich jedenfalls verzichte aus Genussgründen nicht darauf.
Dasselbe gilt übrigens für ein Glas Wein, der den Gedanken von einem guten Essen zu Ende führt.
P.S. Wer mehr an meinem Alltag teilhaben möchte, kann mir bei Instagram folgen: @annikri. Postalisch erreicht ihr mich unter info@fitbook.de.
Wohlfühlen: Omas Hühnersuppe – 4 Personen
„1 Lauch, 2 Karotten und 1/2 Sellerie kleinschneiden. Ein ganzes Suppenhuhn in kochendes Salzwasser geben. Dazu ein Stück Leiter vom Rind, ca. 300 Gramm, legen. Fleisch ca. 2 Stunden köcheln. Kurz vor Schluss gibt man das Gemüse dazu. 1-2 Loorbeerblätter, evtl. 1 Zwiebel, Liebstöckelkraut, Salz und Pfeffer hinzufügen; zuletzt Schnittlauch und Muskat.“–
Carbload: Lieblings-Risotto – 4 Personen
„1 Zwiebel und 1 Knoblauchzehe fein hacken. Kräuter (z.B. Petersilie, Thymian oder Salbei fein hacken. 1/2 Hokkaidokürbis klein schnibbeln. 0,5 Liter Gemüsebrühe separat aufkochen. 250 Gramm Risotto-Reis mit der Zwiebel und dem Knoblauf in etwas Butter eine Minute andünsten. Mit einem Glas Weißwein ablöschen. Wenn der Wein eingekocht ist, Brühe hinzufügen – und zwar kellenweise und bei mittlerer Hitze. Dabei hin und wieder umrühren. Kürbis hinzugeben. Wenn der Reis schön schlonzig und noch etwas bissfest ist, ein Stück Butter unterrühren und c. 50 Gramm Parmesan.“–
Regeneration: Lieblings-Quark
„150 Gramm Magerquark mit einem Schuss Milch oder warmem Wasser geschmeidig rühren. 1 Apfel und eine Mandarine kleinschnibbeln. Zusammen mit je 1 EL Rosinen, Leinsamen, Hanfsamen und Aroniamark einrühren. Mit 2 EL Weizenkeimen ODER Hefeflocken und 1 EL weißem Mandelmus garnieren.“–
Belohnung: Apfelkuchen
„200 Gramm Dinkelmehl, 1 Ei, 80 Gramm Dattelzucker und 80 Gramm Butter zu einem Teig verarbeiten und in der Form auslegen. Mindestens 1 Kilo säuerliche Äpfel schälen und in Schnitzen darauf verteilen. Vor dem Backen mit Rosinen und gemahlenen Haselnüssen bestreuen. Ca. 45 Minuten bei 180 Grad Umluft backen.“–
Mittagessen: Gemüsepfanne mit Tahin – 2 Portionen
„1 Süßkartoffel, 1 Rote Bete und 1 Aubergine in mittelgroße Stücke schnibbeln und zusammen mit 1 Zwiebel und 1 Knoblauchzehe in Brat-Olivenöl kurz anbraten. Mit etwas Gemüsebrühe ablöschen und bei geringer Hitze garen. Kräuter nach belieben, ebenso Salz und Pfeffer. Dazu 1 gehäuften EL Tahin auf den Teller klecksen.“–