11. September 2018, 15:39 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Es ist vollbracht. Ich bin den Halbmarathon gelaufen. Dabei dachte ich noch wenige Stunden vor dem Lauf, ich müsste absagen. Dazu gesellte sich am Morgen dann noch ein ominöses Ziehen in der Wade. Am Ende sprang für mich eine tolle Zeit heraus – aber auch toll genug?
Wow! Und auf einmal fühlte ich mich wieder wie ein Schüler, in der Nacht vor seiner ersten Abiprüfung! Ich hatte mit vielem gerechnet, was meine Lauf-Challenge mit meinem Leben so anstellen könnte, aber sicherlich nicht damit. Trotzdem lag ich jetzt in meinem Bett, hellwach und aufgeregt, und musste mir eingestehen, dass mich Lichtjahre – oder einfach nur zu viel Adrenalin – vom Einschlafen trennten.
Das Dumme: Nicht nur mein Kopf war auf 180, auch mein Magen-Darm-Trakt. Speiübel war mir, um genau zu sein. So wälzte ich mich über Stunden von einer Ecke meines schlecht bezogenen Bettes zur anderen. Bisher hatte ich den anstehenden Lauf ziemlich locker genommen. Wahrscheinlich, weil ich mit meiner Vorbereitung zufrieden war, auch dank geglückter Generalprobe. Bei meinem vierten 10-Kilometer-Lauf in den letzten drei Wochen habe ich mich nämlich so stark und fit gefühlt wie schon seit über einem Jahr nicht mehr. Damals, hach!, als ich noch 20 Pfund weniger wog und die 10km in jugendlichen 46 Minuten wegstiefelte.
Vergangenen Dienstag, also fünf Tage vor dem Halbmarathon, lief ich dieselbe Strecke endlich wieder mal in unter 50 Minuten (48:03). Mit reichlich Selbstbewusstsein legte ich mich also Samstagabend ins Bett. Und konnte trotzdem nicht einschlafen. Vielleicht lagen mir auch noch die Worte meines Chefs in den Ohren, der da meinte: „Schaff mal unter zwei Stunden, Markus, FITBOOK kann nicht ständig mit seinen Challenges scheitern.“ Gemeint waren damit unser Transformationsexperiment und unser Ohne-Zucker-Selbstversuch. OK, Druck war also schon da.
Passend dazu: Hier können Sie Teil 1, Teil 2 und Teil 3 von Markus‘ Lauf-Challenge nachlesen!
Kurz nach drei muss ich dann übrigens eingeschlafen sein. Weil mein Wecker schon um sieben klingelte, wollten meine Augen nicht so wirklich das Tageslicht begrüßen. Widerwillig stapfte ich Richtung Bad, popelte mir die Kontaktlinsen rein und schluckte erstmal eine Magnesium-Tablette. Start your day right und so. Eine Kurzdusche, zwei Bananen und einen Fitnessriegel später saß ich in der U-Bahn. Startschuss war um neun, um kurz vor halb stand ich schon im Zielbereich. Die Müdigkeit war längst verflogen, abgelöst von einem guten alten Bekannten: meiner fast schon kindlichen Aufgeregtheit. Ich begann mich einzulaufen, dann der Schock. Meine Wade zwickte. Ich hatte noch nie muskuläre Probleme und war deswegen überfordert. Wie peinlich würde es bitte kommen, wenn ich den Halbmarathon nicht mal zu Ende laufen würde? Also dehnte ich mich und meine Waden hektisch um die Wette und trottete rüber zum Startbereich. Coolness-Level: Zinédine Zidane Millisekunden vor seiner WM-Kopfnuss im Finale 2006.
Startschuss beim Halbmarathon!
Die Meute setzte sich in Bewegung, ich schön am Ende, um das Feld von hinten aufzurollen. Und meine Wade spielte mit. Nach einem Kilometer verrieten mir meine Kopfhörer eine Zeit von 5:15 Minuten. Semigeil. Klar, mit diesem Mittelwert würde ich die zwei Stunden knacken. Aber Ziel war eigentlich, erstmal Richtung 5 Minuten zu laufen und dann zu schauen, wie lange ich diese Zeit halten könnte. Also legte ich einen Zahn zu und nach drei Kilometern stand ich bei einem Durchschnitt von 5:10. Ungefähr zu dieser Zeit erspähte ich ein knallrotes Laufshirt. Das gehörte zu einem hageren Mittvierziger, der die Frechheit besaß, mich zu überholen. Mein Pacemaker war gefunden. Über mehr als fünf Kilometer klebte ich an seinen Fersen, mit dem Ergebnis, dass sich meine Durchschnittszeit auf 5:05 verbesserte. Ich war bei Kilometer acht angekommen und wurde nicht langsamer, sondern schneller. Diese Entwicklung schmeckte mir gewaltig.
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Auf einmal verlor ich mein Zugpferd. Denn der lief schnurstracks zu einem wild winkenden Mann am Streckenrand und knutschte ihn ab. Dit is Berlin, dachte ich mir grinsend, und erkannte, dass es an der Zeit für einen Fluchtversuch war. Für rund einen Kilometer zog ich das Tempo an, hängte das Peloton mühelos ab und verbesserte meine Durchschnittszeit auf 5:03. Da erblickte ich vor mir ’ne richtige Flitzpiepe – denn Mitglied der Läufertruppe „Flitz-Piepen“. Bis zum Ende wich ich dem Träger des viel zu gelben Trikots nicht mehr von der Seite. Oder er von meiner, als ich ihn zwei Kilometer vor dem Ziel überholte. Zu diesem Zeitpunkt, aber eigentlich schon ab Kilometer 15, war mir klar, dass ich auf eine Wahnsinnszeit zurennen würde. Zumindest für einen, der Anfang des Jahres keine fünf Kilometer am Stück schaffte – bei einem Grusel-Kilometerdurchschnitt von 6:33.
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Übrigens schlug die Flitzpiepe doch noch zurück und überholte mich kurz vor dem Ziel. War mir wurscht. Überglücklich klatschte ich im Finish mit meiner Freundin und meinem Chef ab, der mein hechelndes Ich an gleich mehreren Streckenpunkten fotografisch festhielt. 1:46:55 stand am Ende auf der Uhr. Damit war ich nicht nur zehn Minuten schneller als im letzten Jahr, sondern blieb mehr als 13 Minuten unter der Zwei-Stunden-Schwelle. Wahnsinn!+
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Welches Fazit ziehe ich aus meinem Laufexperiment?
Ganz klar: Dass ich die letzten Jahre viel zu wenig Sport gemacht habe. Und dass in meinem Körper (noch) vieles schlummert, was endlich durch regelmäßiges Training wachgeküsst werden möchte. Ich will in Zukunft regelmäßig joggen gehen, vielleicht noch einen längeren Lauf in diesem Jahr mitnehmen. Und insgeheim schiele ich sogar auf den Berlin-Marathon 2019. Aber bevor ich gleich wieder mit krassen Zielen um mich werfe, sollte die wichtigste Lektion – und Zielsetzung – einfach nur lauten: Markus, hoch mit deinem Arsch, lohnt sich!