13. Januar 2021, 16:43 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Zahlreiche Studien haben in der Vergangenheit bewiesen, dass Training einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System hat. Sportarten wie Laufen, Schwimmen, Radfahren oder auch Tanzen begünstigen u. a. ein gesundes Herz. Aber hilft viel auch viel? Sprich: Ist es umso gesünder, je mehr man trainiert, oder gibt es ein Limit?
Britische Forscher sind der Frage nachgegangen, ob es eine Grenze gibt, an der man so viel trainiert, dass es keinen zusätzlichen Nutzen mehr für das Herz-Kreislauf-System bringt – kann man also zu viel trainieren? Eine Frage, die für viele relevant ist. Laut Statistischem Bundesamt waren 2019 35 Prozent der Todesfälle in Deutschland auf Herz-Kreislauferkrankungen zurückzuführen. Es ist seit Jahren konstant die häufigste Todesursache, sowohl in Deutschland als auch weltweit. Dementsprechend versuchen viele, ebendiesem Schicksal durch entsprechendes Training vorzubeugen.
Herz-Kreislauf-Training bei mehr als 90.000 Probanden
Die Forscher der University of Oxford nutzen für ihre Studie Daten aus der UK Biobank. Diese Datenbank enthält gesundheitliche und biomedizinische Informationen von rund einer halben Million Freiwilliger aus dem Vereinigten Königreich. Zwischen 2013 und 2015 wurden daraus 90.211 Teilnehmer im Alter zwischen 40 und 69 ausgewählt. Zu Studienbeginn hatte keiner von ihnen nachgewiesene kardiovaskuläre Erkrankungen. Außerdem erklärten sie sich bereit, über einen Zeitraum von sieben Tagen einen Beschleunigungssensor (eine Art Aktivitätstracker) zu tragen. Dieser maß die die körperlichen Aktivitäten.
Die Wissenschaftler überwachten die Gesundheit der Teilnehmer über durchschnittlich fünf Jahre. Am Ende der Studie war bei 3.617 Probanden eine Herz-Kreislauf-Erkrankung nachgewiesen worden. Dabei stellten die Forscher fest, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und kardiovaskulären Krankheiten gibt.
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Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt parallel zur steigenden Aktivität
Bei ihrer Analyse teilten die Forscher die Probanden entsprechend ihrer Aktivität in vier gleich große Gruppen ein. Die aktivsten 25 Prozent trainierten pro Woche durchschnittlichen 50 Minuten mit hoher Intensität. Die niedrigsten 25 Prozent kamen währenddessen auf weniger als 10 Minuten Training mit hoher Intensität. Im Vergleich zum niedrigsten Viertel lag die Chance beim zweiten nur noch bei 71 Prozent, eine kardiovaskuläre Krankheit zu bekommen. Beim dritten Viertel lag die Wahrscheinlichkeit bei 59, im aktivsten Viertel nur noch bei 46 Prozent.
Aidan Doherty, einer der führenden Wissenschaftler der Studie wird in SciTechDaily zitiert: „Es zeigt, dass körperliche Aktivität sogar noch wichtiger bei der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist, als wir bisher vermutet hatten.“ Die WHO empfehle Erwachsenen wöchentlich mindestens 150 bis 300 Minuten moderate bis fordernde aerobe Aktivität. „Unsere Ergebnisse verleihen dem Nachdruck.“
Die Forscher erkennen jedoch auch an, dass es sein könnte, dass die Ergebnisse von unbekannten Störfaktoren beeinflusst wurden. Bekannte Variablen seien berücksichtigt worden. So habe es unter den Probanden, die sich am wenigsten bewegt hatten, deutlich mehr Raucher gegeben. Sie hätten insgesamt auch einen höheren Body-Mass-Index (BMI) und häufiger Bluthochdruck gehabt als die Probanden in den anderen Gruppen. Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen sind unter anderem Übergewicht, Bluthochdruck und Rauchen. Aufgrund dieser Tatsache war also wahrscheinlich, dass es in der inaktivsten Gruppe deutlich mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen geben würde.
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Kann man zu viel für das Herz-Kreislauf-System trainieren?
Nein. In ihrem Fazit schreiben die Forscher, dass sie keinen Hinweis auf einen Grenzwert gefunden hätten – man könne also nicht zu viel für das Herz-Kreislauf-System zu trainieren. Im Gegenteil. Körperliche Aktivität senke sich nicht nur das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Studie zeige auch, dass diejenigen, die am meisten aktiv waren, auch den größten positiven Effekt gehabt hätten. „Die Ergebnisse dieser Studie steigern unsere Zuversicht, dass körperliche Aktivität höchstwahrscheinlich ein wichtiger Weg ist, um kardiovaskuläre Krankheiten zu verhindern“, fasst Prof. Terry Dwyer, Hauptautor der Studie, zusammen. „Die potenzielle Risiko-Minimierung bei denen, die sich intensiv bewegt haben, ist erheblich.“ Diese rechtfertige es, zukünftig die Förderung von körperlicher Aktivität der Bevölkerung zu intensivieren.
Dementsprechend warnt Dwyer bei CNN: „Während der Pandemie haben die Menschen durch Lockdowns und selbstauferlegte Isolation deutlich weniger ‚zufällige‘ Bewegung.“ Beispiele seien Reisen oder die Bewegung im Büro. Wer also aktiv etwas für seine Gesundheit tun will, sollte sich auch in Corona-Zeiten bewegen – mit Abstand und den geltenden Beschränkungen entsprechend. Denn in Sachen Herz-Kreislauf-Training gilt: viel hilft viel! Zumindest bei gesunden Erwachsenen. Wer bereits Probleme mit Herz oder Kreislauf hat, sollte vor intensivem Sport einen Arzt konsultieren.