Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für Fitness, Gesundheit und Ernährung
Fitnessprofessor erklärt's

Sollte man sich dehnen oder reicht Krafttraining aus, um beweglich zu bleiben?

Reicht Krafttraining aus, um beweglich zu bleiben – oder sollte man sich dehnen?
Woman doing barbell lunges during workout in gym gym Foto: Getty Images
Fitnessprofessor Stephan Geisler
Sportwissenschaftler

23. Januar 2024, 10:51 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten

Kann ich mithilfe des richtigen Krafttrainings aufs Dehnen verzichten? Diese und ähnliche Fragen stellen Studierende Fitnessprofessor Dr. Stephan Geisler nahezu in jeder Vorlesung. Sie erhoffen sich dann meist eine simple Antwort. Doch das Thema ist, wie so oft in der Wissenschaft, etwas komplexer. Bei FITBOOK versucht der Experte, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Artikel teilen

Dem Dehnen wurden in der Vergangenheit bereits zahlreiche positive Eigenschaften zugesprochen. So braucht man für einige Sportarten einfach eine gewisse Beweglichkeit. Und ein Gewichtheber muss zum Beispiel viel beweglicher sein als ein Kugelstoßer. Doch kann man mit Hilfe des richtigen Krafttrainings aufs Dehnen verzichten?

Das passiert bei einer Dehnung im Muskel

Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich zunächst kurz erklären, was bei einer Dehnung überhaupt im Muskel passiert: Stellt man sich den Muskel in seiner kleinsten Einheit (den Sarkomeren) vor, gibt es eine Überlappung von winzigen Eiweißmolekülen (Aktin und Myosin). Diese überlappen sich stärker, wenn der Muskel sich anspannt bzw. kontrahiert.

<br>Abbildung: Sarkomer in Ruhe bzw. gedehnt vs. unter Spannung bzw. kontrahiert. Quelle: De Marees, Sportphysiologie, Sportverlag Strauss, Köln.
Abbildung: Sarkomer in Ruhe bzw. gedehnt vs. unter Spannung bzw. kontrahiert. Quelle: De Marees, Sportphysiologie, Sportverlag Strauss, Köln.

Wird der Muskel gedehnt, wird diese sogenannte Querbrückenbildung wieder auseinander gezogen. Die Sarkomere verlängern sich. Natürlich nur bis zu einem gewissen Grad, ansonsten würde der Muskel sich verletzen. Wie weit sich die Strukturen hier auseinanderziehen lassen, ist vor allem durch unsere Nerven geregelt. Ein entspannter Körper kann sich wesentlich besser dehnen, als ein angespannter. Aus klinischen Versuchen weiß man, dass Menschen unter Narkose eine extreme „ad hoc“ Beweglichkeit in den Gelenken bekommen.

Dehnen – Vorteile für Beweglichkeit und Gesundheit

Dem Dehnen wurden in der Vergangenheit bereits zahlreiche positive Eigenschaften zugesprochen. Neuere Studien zeigen zum Beispiel, dass Dehnung sogar gut für unser Herz-Kreislauf-System sein kann. Man vermutet, dass durch die Ausschüttung ganz bestimmter Substanzen vor allem unsere Blutgefäße profitieren und geschmeidig bleiben. Laut einer Studie der Universität Saskatchewan in Kanada kann das Dehnen sogar einen positiven Effekt auf den Blutdruck haben. Weitere Infos dazu finden Sie in diesem Video.

Auch interessant: Dehnen und Krafttraining – worauf Sie achten sollten

Erzielt Krafttraining bei großem Bewegungsumfang ähnlichen Effekt wie Dehnen?

Doch zurück zur ursprünglichen Fragestellung: Muss man sich unbedingt dehnen oder reicht es vielleicht aus, in einem möglichst großen „Range of Motion“ (Bewegungsumfang) Krafttraining zu machen? Dieser Fragestellung hat sich 2021 eine Forschergruppe aus Portugal angenommen und eine Übersichtsarbeit mit elf inkludierten wissenschaftlichen Artikeln und insgesamt 452 Probandinnen und Probanden erstellt.1

Das Ergebnis lautet – Trommelwirbel: Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen einem Dehntraining und einem Krafttraining über die „Full Range of Motion“. Eine mögliche Erklärung könnte gerade in der exzentrischen Phase des Trainings liegen. Also der Phase, in der man das Gewicht langsam und kontrolliert herablässt und der Muskel sich quasi in die Verlängerung begibt. Hier scheinen ähnliche Beweglichkeit-steigernde Prozesse abzulaufen wie beim normalen Stretching.

Unter dieser Bedingung kann man sich das Streching nach dem Krafttraining sparen

Daher schließe ich hier dann doch mal mit einer einfachen Aussage: Ja, wenn man sein Krafttraining mit möglichst großem Bewegungsradius durchführt, kann man sich wahrscheinlich das Stretching danach sparen.

Aber was wäre ich für ein Wissenschaftler, wenn ich nicht zum Schluss noch so etwas schreiben würde wie: „Aber weitere Studien werden benötigt, um die Evidenzbasierung zu stärken.“ Und Apropos „Stärken“: Krafttraining ist und bleibt eben der beste Allrounder im Sport. Also nicht lang reden – Hanteln!

Mehr zum Thema

Quellen

Themen Dehnen Muskelaufbau und Krafttraining

Quellen

  1. Afonso, J., Ramirez-Campillo, R., Moscão, J., Rocha, T., Zacca, R., Martins, A., Milheiro, A., Feirreira, J., Sarmento, H., Clemente, F. M. (2021). Strength training is as effective as stretching for improving range of motion: A systematic review and meta-analysis. ↩︎
afgis-Qualitätslogo mit Ablauf Jahr/Monat: Mit einem Klick auf das Logo öffnet sich ein neues Bildschirmfenster mit Informationen über FITBOOK und sein/ihr Internet-Angebot: www.fitbook.de

FITBOOK erfüllt die afgis-Transparenzkriterien.
Das afgis-Logo steht für hochwertige Gesundheitsinformationen im Internet.

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale- Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für diesen .
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.