26. Juli 2024, 17:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Regelmäßig zu trainieren, hat reichlich positive Auswirkungen auf die Gesundheit, die Figur und das generelle Wohlbefinden. Aber gilt deshalb auch „viel hilft viel“? FITBOOK fragte bei Experten nach, ab wann es womöglich zu viel des Guten ist.
Muskelkater, schmerzende Gelenke und ein richtig müder Körper – die Redewendung „Sport ist Mord“ drängt sich förmlich auf, wenn man mal wieder an seine Grenzen gegangen ist. Ist dem vielleicht wirklich so? FITBOOK sprach mit einem Orthopäden, einer Ernährungsberaterin und Fitnesstrainerin, sowie einem Ernährungswissenschaftler. Und so viel vorab: Die Experten-Antworten werden dem inneren Schweinehund gar nicht schmecken!
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Übersicht
Jeden Tag Sport? Die Einschätzung eines Orthopäden
Wie der Münchener Orthopäde Dr. med. Martin Marianowicz FITBOOK versichert, sei tägliches Training nicht bedenklich. Im Gegenteil: Er beschreibt es als das Beste, was man für sich und seinen Körper tun kann. „Wer jeden Tag für eine halbe Stunde trainiert, verlängert seine Lebenszeit um zehn Jahre“, so seine steile These. Dafür hat er aber auch viele Argumente. Sport habe positive Effekte auf den Kreislauf und das Immunsystem, die Hirnfunktion, Muskulatur und Knochen, kurz: den gesamten Organismus. „Die Gelenke werden nicht im Sitzen stabilisiert. Wir haben einen Bewegungsapparat, keinen ‚Stillstandapparat’“, erklärt der Fachmann.
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Ist es für die Gelenke okay, täglich zu joggen?
Laut Marianowicz ist es sogar in Ordnung, täglich in die Laufschuhe zu schlüpfen. „Dass Gelenkschmerzen oder Ähnliches auftreten, ist nicht gesagt“, weiß der Orthopäde. Mit dem richtigen Laufschuh sei selbst Joggen auf Asphalt nicht schädlich für die Gelenke – wie er es auch in seinen Büchern beschreibt. Jemand, dessen Knie oder Knöchel nach dem Run allerdings wehtun, sollte dann tatsächlich auf eine andere Disziplin ausweichen. So ist z. B. Schwimmen sehr gelenkschonend. „Sendet der Körper keine anderweitigen Signale aus, gibt es keinen Grund, einer Sportart, die Freude macht, nicht täglich nachzugehen“, so Marianowicz.
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Die Meinung einer Fitness-Beraterin zu täglichem Sport
Auch Online Health Coach Maren Naue betrachtet es als durchweg positiv, jeden Tag den Puls hochzujagen, um die Kondition zu verbessern, den Körper zu stärken und etwas für die Immunabwehr zu tun. „So lange man nicht immer einen Halbmarathon zurücklegt“, ergänzt sie. Anders als der Arzt betont sie die Wichtigkeit von Variation – ihrer Meinung nach das A und O für ein ausgeglichenes Training. „Ideal ist es, an einem Tag Cardio zu trainieren, am nächsten die Oberkörpermuskulatur und am darauffolgenden den unteren Körper.“ Zu einseitige Programme könnten laut der Expertin tatsächlich Verschleißerscheinungen begünstigen.
Maren Naue bringt es damit auf den Punkt: Denn bei der Betrachtung der Frage, ob täglicher Sport gesund oder ungesund ist, kommt es immer auch darauf an, auf Vielseitigkeit zu setzen und neben der Beanspruchung unterschiedlicher Muskelgruppen auch Mobilität und Dehnübungen sowie hoch-und niedrigintensive Belastungen zu integrieren. Wichtig ist außerdem, auf den eigenen Körper und sein Energielevel zu hören.
Der Nutzen von Regenerationsphasen
Die Experten bestätigen die Vorzüge täglichen Sports und sind sich auch in einem anderen Punkt einig: dass Regenerationsphasen zum Training dazugehören. Wenn Sie es also einmal nicht ins Fitnessstudio schaffen, ist das kein Grund zur Panik: Sie ziehen auch aus den Regenerationsphasen einen Nutzen. In der Ruhe werden Energiespeicher aufgefüllt und Belastungslevels adaptiert. Damit ist gemeint, dass sich der Körper an ein gesteigertes Trainingsniveau anpassen kann.
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Täglich Sport: Das muss man bei der Ernährung beachten
Beim Sport hat der Körper durch die Muskelaktivität einen verstärkten Energiebedarf, so Ernährungswissenschaftler, Medizinjournalist und Buchautor Sven-David Müller zu FITBOOK. Wer regelmäßig trainiert, sollte seine Nährstoffzufuhr entsprechend anpassen. Sonst nehme man auf Dauer nicht bloß an Fettgewebe ab, sondern verliere auch an Muskelmasse.
„Beim Schwitzen verliert der Körper viel Zink und andere wasserlösliche Spurenelemente, die zur Bildung von Antioxidantien benötigt werden“, erklärt Müller. Viel zu trinken, sei daher besonders wichtig, um den Flüssigkeitshaushalt aufzustocken. Schließlich enthält Mineralwasser in der Regel Zink, Natrium, Kalium, Magnesium und weitere wertvolle Inhaltsstoffen.
Laut Sven-David Müller ist Training – wenn auch langfristig supergesund – für den Körper kurzfristig eine oxidative Stresssituation. Und je größer die sportliche Belastung, desto mehr Stress bedeute das für unseren Stoffwechsel. Heißt: immer mehr antioxidative Enzyme gehen flöten. Und die wären eigentlich dafür zuständig, die Zellen vor aggressiven Sauerstoffverbindungen, die als Zwischenprodukte des Stoffwechsels entstehen (die sogenannten „freien Radikalen“), zu schützen. Werden freie Radikale nicht eingefangen, wächst das Risiko auf vielfältige Erkrankungen. „Ebenso können Hautveränderungen wie Unreinheiten oder Haarausfall eine Folge sein.“
Entsprechend sei eine ausgewogene und antioxidantienreiche Ernährung vor und nach dem Sport wichtig, um den Körper zu wappnen. Antioxidantien stecken in intensiv gefärbtem Gemüse und Obst wie Tomaten, Brokkoli, Paprika oder Blaubeeren, ebenso in verschiedenen Nüssen und Pflanzenölen. Und keine Angst vor Kohlenhydraten! Sven-David Müller zu FITBOOK: „Wenn dieser Ernährungsbaustein fehlt, wird das in Sportlerkreisen hochgelobte Eiweiß vom Körper ungenutzt ausgeschieden. Ich empfehle, etwa ein bis zwei Stunden vor dem Sport Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, um die Muskeln zu schützen.“
Das sagen Studien
Wenn es um Forschungsergebnisse geht, ist natürlich ausschlaggebend, was genau man untersucht, also ob beispielsweise das Risiko für Krankheiten, Muskelaufbau, Ausdauer etc. Derartig umfassende Untersuchungen gibt es nicht, da zu viele Faktoren betrachtet werden müssten. Zumindest bei der Muskelkraft scheint eine höhere Sport-Frequenz sinnvoller zu sein als eine niedrige. So verglichen Forscher drei Gruppen mit jeweils zwölf jungen Erwachsenen miteinander. Die Untersuchung ging über vier Wochen und beinhaltete Kontraktionen (=Zusammenziehen) des Bizeps. Die Frequenz unterschied sich je nach Gruppe:
- Die „6 x 5“-Gruppe machte an fünf Tagen die Woche jeweils sechs Kontraktionen (30 insgesamt pro Woche).
- Die „30 × 1“-Gruppe machte fünf Sätze mit je sechs Kontraktionen an einem Tag die Woche (30 insgesamt pro Woche).
- Die „6 × 1“-Gruppe machte an einem Tag pro Woche sechs Kontraktionen.
Ergebnis: Bei der „6 x1“-Gruppe änderte sich weder an Muskeldicke noch -kraft etwas; die „30 x 1“-Gruppe konnte immerhin die Muskeldicke etwas steigern. Am besten schnitten die Teilnehmer der „6 x 5“-Gruppe ab, die sowohl an Muskeldicke als auch -kraft zulegen konnten.1 Mehr Muskelkraft wird mit einem geringeren Sterberisiko assoziiert, wie eine Meta-Analyse ergab.2
Täglich kurz vs. einmal pro Woche Wie oft sollte man für mehr Muskelkraft trainieren? Studie findet Antwort
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Fazit: Ist täglicher Sport okay?
Sport soll fordern, aber nicht überfordern. Entsprechend ist in erster Linie der eigene Körper der beste Indikator dafür, wie viel (tägliches) Training individuell guttut. Wer sich schlapp und müde fühlt, sollte lieber einen Tag Sportpause einlegen. Unbestritten ist, dass Einsteiger es nicht übertreiben sollten. Zwar sind auch dann tägliche Einheiten in Ordnung, diese sollten jedoch nicht zu lange dauern. Wer sein Workout steigern möchte, sollte die folgende Faustregel beachten: erst die Frequenz steigern, dann das Volumen. Wer schon Kraft und Kondition aufgebaut hat, kann langsam die Intensität steigern.