3. November 2023, 5:08 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Blood Flow Restriction, auch Kaatsu genannt, ist eine Trainingsmethode, bei der der Blutfluss in Armen oder Beinen abgebunden wird, um die Reaktion im Muskel zu intensivieren. Wie es funktioniert, ob es gefährlich ist und wer es besser nicht machen sollte – FITBOOK erklärt’s.
Wer Fitnessstudio genau hinschaut, entdeckt sie hier und da: Bänder um Arme oder Beine einiger Kraftsportler. Sie werden angelegt, um den Blutfluss zu unterbrechen – mit dem Ziel, den Muskelaufbau zu unterstützen. Aber kann das Abdrücken der Venen gesund sein? FITBOOK sprach mit Experten über die Trainingsmethode Blood Flow Restriction Training (BFR) bzw. Kaatsu.
Übersicht
Was ist Blood Flow Restriction Training?
Übersetzt bedeutet es „Training bei eingeschränktem Blutfluss“, auch Okklusionstraining genannt. Der Erfinder Yoshiaki Sato, Arzt an der Uni Tokio, war schon im jungen Erwachsenenalter davon überzeugt, dass sich die Wachstumsfähigkeit der Muskeln durch Sauerstoffentzug deutlich steigern lässt. Es dauerte ein paar Jahre, bis er die Technik ausgefeilt und sie sich 1973 mit dem Markennamen Kaatsu patentieren ließ. Sato hat auch spezielle Kaatsu-Bänder entwickelt, um den Muskel abzubinden und so den Blutrücktransport über die Venen zu verlangsamen.
Die traditionelle Methode des muskulären Trainings, wie Sato sie im Sinn hatte, wird inzwischen auch von Laien auf eigene Faust angewandt. Sie investieren aber nicht immer in das vorgesehene, hochpreisige Equipment. Man sieht immer häufiger Gym-Besucher, die sich mit improvisierten Manschetten, Klebeband oder Schnüren die Oberarme oder Oberschenkel abbinden. Das sieht nicht ganz ungefährlich aus.
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Blutabklemmen zum Muskelaufbau – gefährlich oder zielführend?
Dass es tatsächlich etwas bringen soll, bestätigen inzwischen zahlreiche Studien – das berichtet uns Priv.-Doz. Dr. Axel Preßler, Facharzt für Kardiologie, Innere Medizin und Sportmedizin im Münchener Facharztzentrum Marianowicz Medizin. Im Gespräch mit FITBOOK verrät er, dass eine reichhaltige Datenlage nahelegt, dass eine befristete Sauerstoffunterversorgung für ein vermehrtes Vorkommen von Wachstumshormonen und insulinähnlicher Wachstumsfaktoren sorgt. „Mit dieser Methode des muskulären Trainings wurden auch in der rehabilitierenden Medizin bereits gute Erfolge erzielt.“
Nach Einschätzung des Experten handelt es sich dabei um eine positive Reaktion auf eine Notsituation. Werde dem Muskel etwas vorenthalten, führe das zu einem gesteigerten Reiz, Strukturen aufzubauen, um wieder vollends versorgt zu werden. Vergleichbares kenne man auch aus anderen sportlichen Bereichen, etwa dem Höhentraining. „Auf einem Level mit wenig Sauerstoff passt sich der Körper an, indem er mehr rote Blutkörperchen produziert“, erklärt Dr. Preßler. „Diese sorgen für den Transport des verfügbaren Sauerstoffs an die wichtigsten Stellen: die Muskeln.“
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Aber den Blutfluss abklemmen – sollte man das doch vielleicht besser unter ärztlicher Überwachung machen? Dr. Preßler ist da nicht so streng. „Es spricht eigentlich nichts dagegen, das mit dem Blood Flow Restriction Training auszuprobieren, auch ohne die Hilfe eines Profis.“ Die Methode gelte „in der Summe als relativ verträglich“, versichert er, und man könne sich damit nicht wirklich schaden. Durch zu festes Abklemmen drohen gegebenenfalls kleinere Blutergüsse.
Wer auf Blood Flow Restriction verzichten sollte
Es gibt aber auch ernst zu nehmende Kontraindikationen, bei denen dringend auf Blood Flow Restriction Training verzichtet werden sollte. Das geht aus dem „Positionspapier zum
Blood-Flow-Restriction Training“ des Bundesinstituts für Sportwissenschaft hervor. Abzuraten ist Menschen mit genetischen Vorbelastungen – einer Venenschwäche etwa, der Veranlagung zu Thrombose, Herzproblemen oder Muskelerkrankungen. Auch für Bluthochdruck-Patienten ist BFR nichts.
So funktioniert Blood Flow Restriction Training
Die Bandage wird dicht zum Muskelursprung und ohne Muskelspannung angelegt. Es soll nicht der komplette Blutfluss gestoppt werden, erklärt Dr. Preßler, sondern nur der Rückfluss über die Venen. Bedeutet: Das Blut soll schon hineinlaufen, aber eben nicht mehr zurück. „Der Muskel braucht schon Blut, um arbeiten zu können, sonst könnten anhaltende Muskelschäden entstehen.“ Ob der Sitz stimmt, merke man schnell selbst. Beginnt es nach bereits einer Minute oder weniger, im entsprechenden Arm oder Bein zu kribbeln, sitzt das Band zu fest; zeichnen sich die Venen gar nicht ab, ist es zu locker. Eine zuverlässigere Kontrolle wäre mit einer Blutdruckmanschette möglich, die aber nur die wenigsten Menschen zur Verfügung haben. Als ideal gelte ein Druck von etwa 140 mmHg. „Ein guter Richtwert ist, ob man am Armgelenk noch einen Puls spüren kann“, rät Dr. Preßler. „Das zeigt, dass das Blut noch hineinschießt.“
Das Training selbst sollte bei 20 bis 30 Prozent der Maximalkraft absolviert werden und keinesfalls länger als eine Stunde gehen, das wäre laut Dr. Preßler definitiv zu lang. Der Arzt empfiehlt etwa drei bis vier Sätze à 15 Wiederholungen. Wenn der abgebundene Muskel nach etwa fünf Minuten anfange zu kribbeln, sei das normal. In dem Fall müsse man nicht abrupt aufhören. „Man sollte das Gefühl aber nicht wesentlich länger als ein, zwei Minuten aushalten und dann das Band lösen.“ Charakteristisch für Kaatsu sei das Verwenden relativ leichter Gewichte. Und es sei nicht empfohlen, von Überengagement getrieben schwerere zu verwenden. „In dem Fall würde es rasch zu einer Unterversorgung des Muskels kommen, was sich negativ auf den Stoffwechsel auswirkt. Man würde nicht mehr von der Situation profitieren.“
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Experten geben grünes Licht
Auch Professor Dr. Stephan Geisler, Professor für Fitness & Health Management an der IST-Hochschule in Düsseldorf, hat persönliche positive Erfahrungen mit Okklusionstraining gemacht. Er ist vor vielen Jahren zum ersten Mal damit in Kontakt gekommen, als er einen diesbezüglichen Studienbericht sichtete. Die aufgeführten Thesen haben ihn schnell überzeugt. Auch für ihn selbst hat es sich inzwischen bewährt. Auf seinem YouTube-Kanal Fitnessprofessor geht er auf das Thema genauer ein:
Was beim Okklusionstraining im Körper passiert
Wie der Fitnessprof erklärt, gibt es zwei Arten von Muskelfasern: die roten, die etwas langsamer kontrahieren, und die schnelleren weißen. Um bei Letzteren das Wachstum, „beziehungsweise die Maximalkraft“ zu stimulieren, seien normalerweise schnelle Bewegungen oder Intensiv-Training mit schweren Gewichten die beste Möglichkeit, entsprechend seien besagte Muskelfasern etwa bei Sprintern besonders gut ausgebildet. Sie sollen aber auch auf sauerstoffarme Milieus gut reagieren – das hatte er schon früher gelesen und werde in mehreren Untersuchungen zum BFR-Training bestätigt. Selbst forschte Prof. Dr. Geisler mit Kollegen zu Blood Flow Restriction beim Krafttraining für die Waden. Die Analyse ergab, dass niedrig intensives Wadenmuskeltraining mit Blood Flow Rerstriction zu führt ähnlichen funktionellen und strukturellen Anpassungen der Muskulatur führt wie konventionelles Krafttraining mit geringer Belastung.
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Als völlig risikofrei betrachtet aber auch der Fitnessprof Kaatsu nicht. Er würde daher nicht empfehlen, das Blood Flow Restriction Training ohne professionelle Überwachung durchzuführen. „Es ist schwierig für Laien, herauszufinden, wie fest sie die Binden legen können“, weiß der Profi. So gebe es immer welche, die es übertreiben und es könne – wenn man die Extremitäten über einen längeren Zeitraum zu fest abbindet oder die Fesseln nicht mehr löst – zu Schädigungen im Gewebe kommen. Professor Geisler berichtet vom Fall eines Mannes, der mit akutem Nierenversagen ins Krankenhaus kam. Er hatte sich die Beine über Stunden mit Kabelbinder abgeschnürt.
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Fazit
Zusammenfassend sei Okklusionstraining (oder BFR oder Kaatsu) eine gute Sache für erfahrene Sportler ohne gesundheitliche Kontraindikationen – vorausgesetzt, man macht es richtig.