
9. März 2025, 8:17 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Es gibt zahlreiche Methoden, um die Ausdauer zu verbessern – und Intervalltraining ist eine der effektivsten. Doch auch hier gibt es unterschiedliche Ansätze. FITBOOK-Chefredakteur Nuno Alves integriert zurzeit das sogenannte Norwegian Protocol in seinen wöchentlichen Trainingsplan. Hier erklärt er, was genau sich dahinter verbirgt und welche Vorteile es bringt.
Gleich in der ersten Ausgabe meines wöchentlichen Newsletters „Highway to Health“ habe ich über das Norwegian Protocol geschrieben, weil ich überzeugt bin, dass es sich um eine der effektivsten Methoden handelt, die sogenannte kardiorespiratorische Fitness zu steigern. Diese beschreibt, wie gut Herz, Lunge und Muskeln zusammenarbeiten, um Sauerstoff aufzunehmen, zu transportieren und in Energie umzuwandeln. Ein wichtiger Messwert dafür ist die VO2max – die maximale Menge an Sauerstoff, die der Körper bei Belastung nutzen kann. Ein anschaulicher Vergleich: Die VO2max entspricht der maximalen Motorleistung eines Autos, während die kardiorespiratorische Fitness die Effizienz beschreibt, mit der alle Systeme im Alltag zusammenspielen. Eine hohe kardiorespiratorische Fitness korreliert mit einem geringeren Sterberisiko.1
Übersicht
- Wie genau funktioniert das Norwegian Protocol?
- Die Wahl der Trainingsform für das Intervalltraining nach dem Norwegian Protocol
- Wie fühlen sich 4×4 hochintensive Intervalle an?
- Was hat mir das Training nach dem Norwegian Protocol bislang gebracht?
- Jetzt wird es wissenschaftlich: So effektiv ist das Norwegian Protocol
- Fazit zum Norwegian Protocoll
- Quellen
Wie genau funktioniert das Norwegian Protocol?
Der Name Norwegian Protocol ist darauf zurückzuführen, dass zwei norwegische Sportwissenschaftler, Jan Hoff und Jan Helgerud, die Methode im norwegischen Leistungssport eingeführt haben. Ein weiterer Norweger, Ulrik Wisløff, hat ebenfalls zu diesem Intervalltrainingskonzept geforscht und die Vorteile für Herzpatienten aufgezeigt. Wie eingangs bereits erwähnt, handelt es sich beim Norwegian Protocol um eine Form des Intervalltrainings. Es besteht aus:
- Zehn Minuten Warm-up
- Vier Intervalle à vier Minuten bei 85 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax)
- Drei Minuten aktive Erholung zwischen den Intervallen bei etwa 60 bis 70 Prozent der HFmax. Die letzte Erholungsphase ist gleichzeitig das Cool-down.
Das klingt recht einfach, bringt mich aber an meine Grenzen – und das ist letztlich auch das Ziel.
Maximale Herzfrequenz (HFmax) berechnen
Doch wo genau sind meine Grenzen? Dafür muss ich zunächst meine ungefähre maximale Herzfrequenz kennen. Hier stehen einige Formeln zur Verfügung, der Einfachheit halber nutze ich hier die bekannteste: 220 minus Alter.
In meinem Fall sind das: 220 – 49 = 171.
85 bis 95 Prozent davon sind rund 145 bis 162. In genau diesem Bereich muss ich mich also während der vier Belastungsintervalle aufhalten. Mein unteres HFmax-Ziel sind 90 Prozent, also 154. Die Erholungsphasen betragen dann 60 bis 70 Prozent der HFmax, bei mir also etwa 102 bis 120.
Um diese Bereiche genau zu ermitteln, trage ich während des Trainings einen Herzfrequenzsensor. Wer keinen Sensor hat, kann sich an folgenden Merkmalen orientieren. Im Bereich von 85 bis 95 Prozent der HFmax…
- … ist das Sprechen kaum möglich (nur vereinzelte Worte, aber keine ganzen Sätze).
- … ist es kaum möglich, nur noch durch die Nase zu atmen.
- … hat man das Gefühl, am Limit zu sein.
Die Wahl der Trainingsform für das Intervalltraining nach dem Norwegian Protocol
Nachdem ich meine maximale Herzfrequenz ermittelt habe, stellt sich die Frage: Wie erreiche ich diese Intensität am effektivsten? Schließlich ist es nicht immer einfach, den Puls in den gewünschten Bereich zu bringen. Gerade bei bestimmten Trainingsformen kann die Muskulatur vorher ermüden, bevor das Herz-Kreislauf-System richtig gefordert wird.
Auf dem Spinning-Bike ermüden meine Beine, lange bevor meine Herzfrequenz überhaupt in den gewünschten Bereich kommt. Nach einigen Experimenten habe ich für mich neben dem Laufband (bei 15 Prozent Steigung) den Crosstrainer als optimale Lösung gefunden. Hier arbeitet sowohl der Ober- als auch Unterkörper, was es mir ermöglicht, meine Herzfrequenz zuverlässig in die richtige Zone zu bringen.
Alternativ sind auch andere Trainingsformen denkbar: Bergläufe oder Radtouren mit vielen Anstiegen sind besonders effektiv, das Air Bike, ebenso das oben bereits erwähnte Laufbandtraining mit entsprechender Steigung. Letztlich ist es eine Frage der individuellen Vorlieben und Möglichkeiten – wichtig ist nur, dass die Intensität erreicht wird.
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Wie fühlen sich 4×4 hochintensive Intervalle an?
Wer schon mal Tabata-Training ausprobiert hat – also acht Runden mit je 20 Sekunden Belastung und zehn Sekunden Erholung –, weiß, dass Intervalle die reinste Qual sein können. 20 Sekunden fühlen sich wie eine Ewigkeit an. Man stelle sich das multipliziert mit dem Faktor zwölf vor, also vier Minuten lang.
Interessanterweise passt sich der Körper schnell an die hohe Belastung an und findet seinen Rhythmus – auch wenn das bedeutet, dass man hechelnd, mit verkrampftem Gesichtsausdruck und schweißüberströmt weitermacht. Nach dem letzten Intervall und der darauffolgenden dreiminütigen Erholungsphase sind ziemlich genau 28 Minuten vergangen. Für mich fühlt es sich jedes Mal wie ein Triumph an.

Was hat mir das Training nach dem Norwegian Protocol bislang gebracht?
Konsequent integriere ich diese Form des Intervalltrainings erst seit Mitte Januar in meine Routine, konkret zweimal die Woche. Neben einem indirekten objektiven Wert – meine mit der Apple Watch gemessene Cardiofitness ist um vier Prozent gestiegen –, kann ich derzeit nur mein subjektives Empfinden heranziehen. Und hier erkenne ich zweifelsfrei eine weitere Verbesserung meiner schon davon recht guten Ausdauer.
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Jetzt wird es wissenschaftlich: So effektiv ist das Norwegian Protocol
In einer randomisierten Kontrollstudie fanden Helgerud et al. (2007) heraus, dass ein achtwöchiges Programm mit drei wöchentlichen Einheiten von 4×4-Minuten-Läufen bei 90 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz zu größeren Steigerungen der VO2max führte als gleichmäßiges, moderates Ausdauertraining.2 Die VO2max erhöhte sich um mehr als sieben Prozent. Zudem verbesserte sich das Schlagvolumen des Herzens, was darauf hindeutet, dass es effizienter arbeitet.
Die Vorteile längerer Intervalle wurden auch in einer Metaanalyse von Wen et al. (2018) bestätigt. Diese zeigte, dass Intervalle von mehr als zwei Minuten Dauer und mit einem Gesamtvolumen von über 15 Minuten die VO2max effektiver steigerten als kürzere Intervalle. Das Norwegian Protocol mit vier hochintensiven Vier-Minuten-Intervallen liegt damit genau im optimalen Bereich.
Auch für Herzpatienten kann diese Methode Vorteile bieten. Eine Studie von Wisløff et al. untersuchte die Wirkung eines zwölfwöchigen, hochintensiven Intervalltrainings (4×4 Minuten bei 95 Prozent HFmax, 3x pro Woche) im Vergleich zu moderatem Training bei 70 Prozent HFmax.3 Die Ergebnisse waren beeindruckend: Während die Sauerstoffaufnahme in der moderaten Trainingsgruppe um 14 Prozent stieg, lag die Verbesserung in der Intervallgruppe bei 46 Prozent. Zusätzlich verbesserte sich die Herzfunktion um 35 Prozent, und auch die Gefäßgesundheit nahm zu. Beide Gruppen berichteten von einer gesteigerten Lebensqualität, während die Kontrollgruppe ohne gezieltes Training keine Veränderung zeigte.
Wichtiger Hinweis: Wer unter Herzproblemen leidet, sollte keinesfalls die 4×4-Methode ohne ärztliche Rücksprache und Überwachung ausprobieren.

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Fazit zum Norwegian Protocoll
Das Norwegian Protocol ist nicht nur eine effektive Methode zur Steigerung der kardiorespiratorischen Fitness, sondern auch eine anspruchsvolle und sinnvolle Ergänzung meiner Trainingsroutine. Anstelle einer weiteren langen Einheit mit moderater Herzfrequenz integriere ich nun diese vergleichsweise kurze, aber intensive Ausdauereinheit, die mein Herz in den oberen Belastungsbereich bringt.