25. Oktober 2024, 15:46 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Mit dem Alter baut der Mensch zunehmend an Muskelmasse ab. Eine regelmäßige Fitnessroutine, die sowohl Ausdauer- als auch Krafttraining integriert, kann diesen Prozess verlangsamen. Allerdings vernachlässigen selbst viele Sportbegeisterte in ihren Workouts einen wichtigen Aspekt: die Schnellkraft, also die Fähigkeit eines Muskels oder einer Muskelgruppe, in sehr kurzer Zeit maximale Kraft zu entfalten. Je älter man wird, desto mehr nimmt sie ab. Der Standweitsprung-Test zeigt, wie gut die Explosivkraft der Beine noch erhalten ist. FITBOOK-Redakteur Nuno Alves erklärt, wie genau er funktioniert und wie weit man je nach Alter springen können sollte.
39 Jahre alt war Jan Frodeno, als er 2021 mit 7:27:53 Stunden einen neuen Triathlon-Weltrekord aufstellte, Usain Bolt schaffte seinen Fabel-Weltrekord über 100 Meter 2009 mit gerade mal 22 Jahren. Diese Beispiele veranschaulichen sehr deutlich, dass der Mensch zwar noch lange zu außergewöhnlichen Ausdauerleistungen imstande ist, aber bei der Geschwindigkeit im Sinne einer maximalen Kraftentwicklung in kurzer Zeit in seinen 20ern den Höhepunkt erreicht. Studien bestätigen den überproportionalen Abbau der Schnellkraft im Vergleich zur reinen Kraft oder der Ausdauer.12 Ein Erhalt der Schnell- bzw. Explosivkraft durch entsprechendes Training ist daher sinnvoll. Um den Erfolg und auch Zustand der Bein-Schnellkraft zu messen, gibt es verschiedene Methoden. Eine davon: der Standweitsprung oder auch horizontaler Sprung, im Englischen Standing Long Jump oder Standing Broad Jump genannt.
Schnellkraft vs. Explosivkraft
In der Sportwissenschaft wird die Schnellkraft nochmals unterteilt in Reaktivkraft und Explosivkraft. „Je kürzer die Zeit der Beschleunigung ist (unter 200 m/s.), desto bedeutender wird der Faktor Kraftanstieg, den wir auch als Explosivkraft bezeichnen“, heißt es im Studienheft „Trainings- und Bewegungslehre“ des IST-Studieninstituts. Insofern geht es beim Standweitsprung vor allem um die Explosivkraft.
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Übersicht
Geschichte des Standweitsprungs
Der Ursprung des Standweitsprungs geht bis in die Antike zurück, als er in einer etwas abgewandelten Form Teil der Olympischen Spiele war. In der Neuzeit war er ebenfalls olympische Disziplin, allerdings nur von 1900 bis 1912. In dieser Zeit dominierte ein Mann: Der US-Amerikaner Ray Ewry gewann viermal die Goldmedaille und stellte mit 3,47 Metern 1904 einen Weltrekord auf. Heute liegt dieser bei 3,73 Metern, gehalten vom US-Footballer Bryan Jones.
Obwohl der Standweitsprung heute nicht mehr Teil des olympischen Programms ist, wird er nach wie vor als Test zur Bewertung der horizontalen Sprungkraft genutzt, da außer einem Maßband keine spezielle Ausrüstung notwendig ist.
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Wissenschaftliche Grundlagen
Der Standweitsprung-Test misst vor allem die Explosivkraft der Beinmuskulatur, die maßgeblich ist, um beim Absprung eine hohe Geschwindigkeit und eine weite Flugkurve zu erreichen. Allerdings ist auch ein hohes Maß an intermuskulärer Koordination erforderlich, da neben den Beinen auch die Arme sowie die Rumpfmuskulatur involviert sind. Ein gutes Abschneiden beim Standweitsprung ist nicht nur ein Indikator für einen hohen Anteil an schnellzuckenden Typ-II-Muskelfasern, sondern auch für die Fähigkeit, diese zu aktivieren. Zudem ist eine hohe Explosivkraft auch gleichbedeutend mit der Fähigkeit, eine hohe Kraft zu entwickeln.
Die wichtigsten, beim Standweitsprung beanspruchten Muskeln bzw. Muskelgruppen sind
- vordere Oberschenkelmuskulatur
- hintere Oberschenkelmuskulatur
- Wadenmuskulatur
- Großer Gesäßmuskel
- Oberarme
- Rumpf
- Arme
Für wen ist der Standweitsprung-Test geeignet?
Beim Standweitsprung erfolgt eine hohe Krafteinwirkung auf die Gelenke, sowohl beim Absprung als auch bei der Landung. Insofern eignet sich der Test beispielsweise nicht bzw. nur eingeschränkt für Personen mit Problemen oder Schmerzen in Hüfte, Beinen (insb. Knie) und Füßen. Für Personen ohne Beschwerden und für sportlich sehr aktive Menschen sowie Athleten ist der Broad Jump dagegen eine sehr geeignete Methode, um ihre Explosivkraft zu ermitteln.
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Ablauf des Standweitsprungs
Wie der Name schon sagt, muss die Person aus dem Stand so weit wie möglich nach vorn springen. Dabei darf aus den Armen heraus Schwung genommen werden. Die Weite des Sprungs wird von der Absprunglinie bis zur Fersenlandung des hinteren Fußes gemessen.
Der Standweitsprung wird folgendermaßen durchgeführt:
- Vorbereitung: Der Teilnehmer stellt sich mit geschlossenen Füßen hinter die Startlinie.
- Absprung: Aus der Hocke heraus wird mit maximaler Kraft nach vorne gesprungen. Die Arme unterstützen den Schwung.
- Landung: Der Teilnehmer landet möglichst beidbeinig. Die Weite des Sprungs wird vom Startpunkt bis zur Landung gemessen.
- Messung: Die Weite wird in Zentimetern oder Metern notiert.
Tabellen zur Bewertung des Ergebnisses
Die Tabellen basieren auf den 1996 von Klaus Bös im Buch „Fitness testen und trainieren“ veröffentlichten Werten.
Frauen
Beurteilung Standweitsprungweite Frauen | 20 - 29 Jahre | 30 - 39 Jahre | 40 - 49 Jahre | 50 - 59 Jahre |
---|---|---|---|---|
sehr gut | > 165 cm | > 157 cm | > 142 cm | > 124 cm |
gut | 150 - 165 cm | 142 - 157 cm | 127 - 142 cm | 109 - 124 cm |
mittel | 138 - 149 cm | 130 - 141 cm | 115 - 126 cm | 97 - 108 cm |
schwach | 123 - 137 cm | 115 - 129 cm | 100 - 114 cm | 82 - 96 cm |
sehr schwach | < 123 cm | < 115 cm | < 100 cm | < 82 cm |
Männer
Beurteilung Standweitsprungweite Männer | 20 - 29 Jahre | 30 - 39 Jahre | 40 - 49 Jahre | 50 - 59 Jahre |
---|---|---|---|---|
sehr gut | > 238 cm | > 229 cm | > 196 cm | > 185 cm |
gut | 223 - 238 cm | 214 - 229 cm | 181 - 196 cm | 170 - 185 cm |
mittel | 211 - 222 cm | 202 - 213 cm | 169 - 180 cm | 158 - 169 cm |
schwach | 196 - 210 cm | 187 - 201 cm | 154 - 168 cm | 143 - 157 cm |
sehr schwach | < 196 cm | < 187 cm | < 154 cm | < 143 cm |
Aussagekraft des Standweitsprungtests
Wie bereits beschrieben, nimmt die Schnellkraft, die auch ein Indikator für die Kraft der beanspruchten Muskeln ist, mit zunehmendem Alter ab. Insofern ist es relevant, möglichst lange über eine gute oder gar überdurchschnittliche Fähigkeit zur Entwicklung einer maximalen Kraft in kurzer Zeit zu verfügen. Dies belegen auch zahlreiche Studien, die einen Zusammenhang zwischen der Beinschnell- bzw. -Explosivkraft und Kraft im Allgemeinen und verschiedenen Faktoren untersucht haben.
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Körperliche Leistungsfähigkeit und Gesundheit im Alter
In einer Studie mit 45 Teilnehmern zwischen 65 und 83 Jahren wurde z. B. der Einfluss der Beinschnellkraft und der Beinstärke auf die körperliche Leistungsfähigkeit bei älteren Menschen mit eingeschränkter Mobilität untersucht. Ergebnis: Eine hohe Beinschnellkraft war mit besseren Ergebnissen bei alltäglichen Bewegungen wie Treppensteigen, Aufstehen von einem Stuhl und Gehgeschwindigkeit verbunden und hatte einen höheren Einfluss als die Beinkraft allein.3 Eine italienische Studie kam zu ähnlichen Ergebnissen.4
Wenngleich die Ergebnisse aufgrund uneinheitlicher Methoden und heterogener Testgruppen begrenzt waren, zeigte eine Übersichtsarbeit einen möglichen Zusammenhang von Arthrose, Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit einer geringeren Beinschnellkraft bei älteren Erwachsenen.5
Kognitive Fähigkeiten
Eine Studie mit Zwillingen zwischen 43 und 73 Jahren untersuchte, ob die Schnellkraft der Beine kognitive Veränderungen bei einer gesunden älteren Bevölkerung über einen Zeitraum von zehn Jahren vorhersagen kann. Die Ergebnisse zeigten eine signifikant schützende Wirkung der Beinkraft sowohl auf die kognitive Alterung als auch auf die Hirnstruktur.6
Performance beim Sport
Neben den potenziell positiven Auswirkungen im Alter hängt eine hohe Schnellkraft der Beine auch mit der Leistung beim Sport zusammen. Eine Studie mit 58 Footballspielern der höchsten US-College-Liga zeigte etwa, dass die Weite des Standweitsprungs mehr als die Hälfte der Unterschiede in der Spitzenleistung zwischen den Spielern erklären konnte und gemeinsam mit dem Körpergewicht geeignet war, um die explosive Kraft zu schätzen.7
Eine Metaanalyse zeigte zudem moderate bis sehr starke Korrelationen zwischen der Weite beim Standweitsprung sowie der Sprintbeschleunigung und maximalen Geschwindigkeit.8
Wie kann ich mich beim Standweitsprung verbessern?
Zur Verbesserung der Leistung im Standweitsprung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann etwa durch regelmäßiges Springen aus dem Stand an Technik und Koordination arbeiten und so die Sprungweite verbessern. Es gibt aber auch andere Methoden, die für den Standweitsprung förderlich sind. Etwa:
1. Plyometrisches Training mit Fokus Beine
Hiermit wird sehr effektiv die Reaktiv-, aber auch Explosivkraft verbessert, die wiederum einen positiven Einfluss auf die Fähigkeit hat, aus dem Stand weit zu springen. Mögliche Übungen:
- Sprungkniebeugen (Jump Squats)
- Froschsprünge (Frog Jumps)
- Wechselsprünge (Jumping Lunges)
- Box Jumps
2. Maximalkrafttraining der Beine
Diese Methode eignet sich nicht für ungeübte Kraftsportler, da das Verletzungsgefahr hoch ist. Zudem sollten auch Fortgeschrittene ein Maximalkrafttraining der Beine auf leicht abzusichernde Geräte und risikoarme Übungen beschränken, also:
- Beinpressen
- Kniebeugen an der Multipresse
- Kreuzheben
Faustregel: hohes Gewicht (zwischen 85 und 90 Prozent des Gewichts, das man gerade ein einziges Mal mit sauberer Technik schaffen würde), wenige Wiederholungen (3 bis 5), drei bis fünf Sätze und mindestens zwei Minuten Pause dazwischen.
3. Schnellkrafttraining der Beine
Hierbei geht es vor allem darum, die Übungen in hoher Geschwindigkeit auszuführen. Unterschied zum Maximalkrafttraining: Man verwendet 40 bis 60 Prozent des maximalen Gewichts. Als Übungen eignen sich:
- Beinpresse
- Kniebeugen an der Multipresse
- Kreuzheben
- Ausfallschritte (Lunges) mit Kurzhanteln
- Goblet Squats
- Frontkniebeuge
- Landmine Squats
Hiervon etwa fünf Sätze à ca. fünf bis acht Wiederholungen mit etwa drei Minuten Pause dazwischen.
4. Sprinttraining
Tatsächlich aktiviert ein Sprint zahlreiche Muskeln, die auch für den Standweitsprung relevant sind – und das eben in bestenfalls sehr hoher Geschwindigkeit. Insofern ist Sprinten eines der besten Ganzkörper-Schnellkraft-Workouts schlechthin.
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Fazit zum Standweitsprung
Der Standweitsprung stellt eine einfache, jedoch valide Methode zur Messung der explosiven Kraft der Beine dar – eine Fähigkeit, die mit zunehmendem Alter abnimmt. Zahlreiche Studien belegen die Bedeutung der Schnellkraft für die sportliche Leistungsfähigkeit und einem gesunden Alterungsprozess. Durch gezieltes Training, wie plyometrische Übungen und Krafttraining mit hohen Intensitäten, lässt sich die Sprungkraft signifikant verbessern.