18. Dezember 2020, 14:02 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Was auf den ersten Blick wie ein ganz normaler Standspiegel aussieht, verwandelt sich auf Knopfdruck in einen interaktiven Bildschirm mit integriertem Personal Trainer: Der digitale Fitness-Spiegel „Vaha“ verspricht ein völlig neues Trainingserlebnis. Wie das Gerät funktioniert, für wen es sich eignet und was es kostet.
Ob Trainingsapps, Fitnesstracker, Cardio-Geräte mit eingebautem Entertainment-System oder eine smarte Fitnessmatte – auch die Fitnessbranche setzt seit Jahren zunehmend auf Digitalisierung. Hier möchte sich nun auch ein Produkt einreihen, hinter dem man auf den ersten Blick gar kein Sportgerät vermuten würde. „Vaha“ sieht im Ruhezustand aus wie ein normaler Standspiegel, wenn man ihn anschaltet, wird er jedoch zum virtuellen Personal Trainer für zu Hause. FITBOOK erklärt den Fitness-Spiegel und das Konzept dahinter.
Vaha-Gründerin ist keine Unbekannte in der Fitness-Branche
Hinter dem Start-up Vaha steckt die 38-jährige Valerie Bures-Bönström. Auf dem Fitnessmarkt ist sie keine Unbekannte. Bereits 2005 gründete die studierte Informatikerin und Mutter von drei Kindern unter anderem gemeinsam mit Tennis-Legende Steffi Graf die Frauen-Fitnessstudio-Kette „Mrs. Sporty“. Im Jahr 2011 brachte die Unternehmerin dann „Pixformance“ an den Start, einen digitalen Personal Trainer/Physiotherapeuten, der bislang vor allem im medizinischen Bereich wie beispielsweise Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen eingesetzt wird. Im Jahr 2019 schließlich entstand mit dem Vaha-Fitness-Spiegel ihr erstes Produkt, was sich an den Endkunden richten soll.
Was ist der Ansatz des Fitness-Spiegels?
„Vaha“ kommt aus dem in Indien und Pakistan gesprochenen Punjabi und bedeutet übersetzt „Flow“ (engl. „Fließen, Rinnen, Strömen“). Den Begriff kennt man insbesondere aus der Psychologie. Er beschreibt das Glücksgefühl, das entstehen soll, wenn man was sich in einem Zustand höchster Konzentration und völliger Versunkenheit in eine Tätigkeit befindet. Und genau das soll auch der Ansatz für den Fitness-Spiegel von Valerie Bures-Bönström sein.
„Meine Intention hinter Vaha war es, ein Tool zu schaffen, um Menschen diesen ‚Flow‘ in ihr tägliches Leben zu bringen. Denn ich glaube, ganz viele Leute machen sich gar keine Gedanken darüber, was ihnen nur 15 Minuten, in denen sie sich einer kleinen Herausforderung oder Aufgabe widmen, an Energie und positivem Mehrwert für den Tag bieten können“, so die Gründerin zu FITBOOK.
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Was kann das Produkt?
Wie Valerie Bures-Bönström FITBOOK erklärt, liegt das Augenmerk insbesondere auf folgenden drei grundlegenden Features:
- individuelle Trainingspläne
- Live und On-Demand-Workouts
- 1:1 Live-Personal-Trainings
Individueller Trainingsplan
Zu Beginn des Trainings mit Vaha wird ein individuelles Fitness-Assesment durchgeführt. Dazu schaltet sich ein Trainer per Video-Call auf den Spiegel und ermittelt anhand einiger Übungen gemeinsam mit dem Nutzer dessen aktuelles Fitness-Level. Außerdem werden Trainingsziele festgelegt. Auf Basis dieser Informationen wird dann ein individueller Trainingsplan für je vier Wochen erstellt.
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Live und On-Demand-Workouts
Dieser Plan basiert auf den über 200 verschiedenen Workouts, die auf dem Spiegel digital abgerufen werden können. Hier kann man aus verschiedenen Bereichen wie beispielsweise Yoga, HIIT, speziellem Rückentraining oder auch Flexibility und sogar Achtsamkeit und Meditation wählen. Für die Übungen erscheint dann ein virtueller Personal Trainer auf dem Spiegel, der die Trainingsanleitungen gibt. Zusätzlich bietet Vaha auch jede Woche Live Workouts mit echten Trainern an. Mithilfe künstlicher Intelligenz soll man sein Training sogar in Echtzeit vor dem Spiegel verbessern können.
Wie das funktionieren kann? Der Spiegel ist in der Lage, eine Bewegungsanalyse der Trainierenden zu erstellen und kann so Feedback geben. Die absolvierten Trainings werden dann auch getrackt, um die Übungen anhand des individuellen Fortschritts anpassen zu können.
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Vaha-Spiegel erfasst das Bewegungsmuster
Heißt das aber nun also, der Spiegel filmt den User beim Workout? „Nein, das nicht“, versichert Valerie Bures-Bönström. Man arbeite hier lediglich mit erfassten Bewegungsmustern der Nutzer, nicht aber mit Bild- oder Tonaufnahmen.
Live-Personal-Training
Was Vaha wohl am meisten von diversen anderen digitalen Fitness-Programmen unterscheidet, ist die Funktion, mit der man individuelle Personal-Training-Stunden live auf dem Spiegel absolvieren kann. Dazu wählt man aus einem Pool von Trainern, die mit Vaha zusammenarbeiten und vereinbart einfach einen Termin. Der Trainer schaltet sich dann direkt live auf den Fitness-Spiegel und führt die Session mit dem User durch. Den Personal Trainer kann man sich ganz nach eigenem Trainingsfokus aussuchen. So gibt es zum Beispiel Trainer, die ein ganzheitliches Konzept verfolgen oder aber auch solche, die auf Functional Fitness, Athletiktraining oder sogar auf den individuellen Stoffwechsel zugeschnittenes Training spezialisiert sind.
Ersetzt Vaha das Fitnessstudio?
Aber erhebt Vaha denn nun den Anspruch, ein echter Ersatz für den Gang ins Fitnessstudio zu sein? In diesem Sinne könnte sich Valerie Bures-Bönström, die ja auch weiterhin Gesellschafterin ihrer eigenen Fitnessstudio-Kette „Mrs. Sporty“ ist, schließlich quasi selbst Konkurrenz machen. „Ich glaube ehrlich gesagt, dass wir insgesamt in Deutschland eher noch am Anfang stehen, was die Fitnessbranche angeht“, erklärt die Gründerin. Statistisch gesehen mache eine große Anzahl an Menschen immer noch nicht regelmäßig Sport. „Deshalb denke ich, ist derzeit noch genug Raum auf dem Markt, damit verschiedenen Konzepte gut nebeneinander existieren können.“
Das Fitnessstudio ersetzen wolle Bures-Bönström mit Vaha am Endes des Tages nicht. „Ich sehe durchaus, dass für viele Menschen das Training im Studio auch eine große soziale Komponente hat, auf die sie nicht verzichten möchten“, so Valerie Bures-Bönström zu FITBOOK. Beispielsweise weil man sich dort mit Freunden zum gemeinsamen Trainieren verabredet, danach vielleicht an der Studio-Bar noch einen Shake trinkt oder auch neue Kontakte knüpfen möchte. Die Zielgruppe für Vaha seien daher eher Menschen, denen der Gang ins Studio zu viel Zeit raubt oder die keine Lust darauf haben, dennoch aber Sport in ihren Alltag integrieren möchten.
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Für wen eignet sich das Produkt – und für wen eher nicht?
Generell eignet sich der Spiegel laut Valerie Bures-Bönström aber natürlich für alle, die Lust auf Bewegung haben, egal ob Anfänger oder Fortgeschrittene. „Ich würde sagen, es ist für jedes Level etwas dabei. Sogar meine kleine Tochter macht fleißig mit unserem Spiegel Yoga-Übungen“, erzählt sie. Ihr Mann hingegen mache mit Vaha und seinem Personal Trainer eher Krafttraining, auch das sei also möglich.
Für wen sich das Gerät allerdings weniger eigne, seien laut Valerie Bures-Bönström Menschen, die schon lange auf einem sehr hohen Level Sport machen und feste Trainingsabläufe hätten, beispielsweise zur Vorbereitung auf einen Marathon, Triathlon oder Ähnliches – außer sie bräuchten mehr Mobilität beim Training oder einfach einen Ausgleich. „Uns geht es in erster Linie darum, mehr Menschen überhaupt zum regelmäßigen Sport bewegen zu können“, erklärt sie.
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Was kostet der interaktive Fitness-Spiegel von Vaha?
Nun aber die wohl wichtigste Frage: Wie teuer ist das Gerät überhaupt?
Die Preise für den Vaha-Spiegel und das monatliche Abo
Wer einmalig 2268 Euro bezahlen kann, darf den Fitness-Spiegel sofort sein Eigen nennen. Es gibt jedoch auch die Möglichkeit einer monatlichen Ratenzahlung im Zeitraum von 12, 24, 36 oder 48 Monaten. Auch hier zahlt man in Summe am Ende 2268 Euro.
Um mit den Programmen auf dem Spiegel trainieren zu können, muss man (jedoch nur für 12 Monate) zusätzlich noch eine Abo-Mitgliedschaft für 39 Euro/Monat abschließen. Darin enthalten sind:
- 1x 1:1 Personal Training pro Monat gratis (für den Hauptnutzer)
- Individueller Trainingsplan von einem Personal Trainer
- Unlimitierter Zugang zu allen On-demand und Live Kursen
- Zugang zu vorselektierten Apps (z.B. Spotify, Instagram, Zoom und Firefox Browser)
Mit einem abgeschlossenen Abo können bis zu 5 Personen mit eigenen Profilen trainieren, lediglich der individuelle Trainingsplan, Fitness-Check und das im Preis enthaltene Personal Training beschränkt sich auf einen User. Man hat aber die Option ein Personal Training Abo von 4, 8 oder 12 Personal Trainings im Monat extra dazu zu buchen, das auch andere als der Hauptuser mitnutzen können. Dies kann man monatlich ändern.
Insgesamt ist das ein durchaus happiger Preis, sowohl in der Anschaffung als auch in dem damit verknüpften Abo-Modelle. Für diejenigen, die dennoch mit dem Gedanken spielen, das Gerät zu kaufen, bietet Vaha die Option an, den Spiegel 30 Tage lang kostenlos zu testen.
Lieferung, Aufbau und Anleitung
Im Preis inbegriffen sind die Lieferung (ca. 14 Tage), der Aufbau sowie eine persönliche Einweisung für den Trainings-Spiegel. Dies sei übrigens laut Valerie Bures-Bönström auch in der aktuellen Corona-Situation möglich. Man könne sich Vaha entweder bis zur Bordsteinkante liefern oder aber auch aufbauen lassen – unter Einhaltung von Sicherheits- und Hygienemaßnahmen natürlich. Die Einweisungen könnten derzeit auch online per Video-Call stattfinden.
Die Corona-Krise weckt das Interesse für smarte Fitnesslösungen
Aufgrund der Corona-Beschränkungen erfreuen sich Home-Workout-Videos zurzeit großer Beliebtheit. Und auch das Interesse an anderen digitalen Lösungen für das Training zu Hause scheint laut Aussage Vaha-Gründerin Bures-Bönström zu wachsen. „Wir bekommen in der aktuellen Situation auf jeden Fall ein sehr hohes Interesse für unseren Fitness-Spiegel signalisiert, was uns sehr freut“, erzählt sie FITBOOK.
Auf der anderen Seite sei aufgrund der wirtschaftlichen Einbußen durch die Krise die Kaufbereitschaft der Menschen eher zurückgegangen. „Viele Menschen sind natürlich derzeit besorgt um ihre finanzielle Situation, weshalb man logischerweise zögerlicher mit Kaufentscheidungen ist“, so die Gründerin. Angesichts einer so kostspieligen Anschaffung ist das durchaus verständlich.
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Fazit
Schon allein aufgrund des Preises handelt es sich bei dem Vaha-Spiegel um ein Fitness-Gerät, das man sich als Otto-Normal-Verbraucher nicht unbedingt mal eben so ins Wohnzimmer stellt. Das Gerät liegt mit 2268 Euro plus Zusatzkosten für das Abo im High-End-Bereich – und passt leider nicht in jeden Geldbeutel. Auch ist es eher für eine Zielgruppe gedacht, die aus verschiedenen Gründen lieber zu Hause trainiert und den Gang ins Fitnessstudio scheut.
Ambitionierte Hobby-Sportler mit einem hohen Niveau werden mit Gerät auch nicht zwingend neuen Leistungsziele erreichen. Ob sich der Spiegel letztlich auf dem breit gefächerten Fitnessmarkt etablieren wird, bleibt also spannend.