5. Januar 2024, 18:44 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Rooftop-Gyms haben Klasse – aber wer kann von sich behaupten, schon mal in alten Bierkeller-Gewölben trainiert zu haben? John Reed hat einen besonderen Fitness-Club in Berlin eröffnet. FITBOOK hat ihn getestet.
Ist das Kunst, oder kann ich ans Reck? Im neuen John Reed Bötzow in Berlin eine nicht ganz unberechtigte Frage. Denn in diesem Gym gibt es mindestens so viele Kunst- und Design-Objekte wie Fitness-Geräte. Das sorgt für eine wirklich einzigartige Atmosphäre, aber auch für Warteschlangen an Schrägbank und Co. FITBOOK ist in den Berliner Untergrund gestiegen und hat den Hipster-Fitnessclub in einem ehemaligen Bierkeller getestet.
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Übersicht
Die Location
Die Location in der denkmalgeschützten Bötzow Brauerei ist – zugegeben – beeindruckend. Von der Saarbrücker Straße steigt man tief hinunter in die alten Bierkeller. Rotes Backstein-Mauerwerk, sieben Meter hohe Kuppeldecken, von denen schwere Samtvorhänge fallen, XXXL-Couch auf dem langen Flur, Lounge-Sessel und Tischchen am Kaminfeuer, DJ-Pult, Club-Sounds. Habe ich das richtige Outfit eingepackt? Statt Sport-BH und Shorts scheint auf den ersten Blick Abendgarderobe passender. Die Verschmelzung von Musik, Design und Fitness ist von John Reed bewusst inszeniert, sie soll das Training auf ein neues Level bringen.
Das Bötzow-Areal ist ein ehemaliges Brauerei-Gelände (erbaut 1864 bis 1884) inmitten des Prenzlauer Bergs. Die renommierten Chipperfield Architekten sind mit der Transformation des gesamten Areals betraut. Somit trägt auch die Gestaltung des 3.136 m² großen Fitness-Clubs ihre Handschrift. Der John Reed Bötzow Club will mehr bieten als Fitness allein. Hier finden regelmäßig wechselnde Kunstausstellungen mit Vernissagen statt. Highlight ist eine 35 Meter lange, vom Künstler-Duo Ron Miller gestaltete, Leinwand – die längste in Berlin.
Die richtige Klimatisierung der Kellergewölbe scheint allerdings nicht so einfach, jedenfalls pfeift durch den Umkleidebereich in schickem Marmor des Öfteren eine frische Brise, die einen schnell in die Sauna oder in den Loungebereich treibt.
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Equipment und Kurse
Das Fitness-Angebot im John Reed Bötzow umfasst:
- Cardiotraining (Laufbänder, Climber, Crosstrainer, Rudergeräte …)
- Freihantelbereich
- Gerätepark
- Kurse, inklusive Reformer Pilates, Treadmill Classes sowie Functional- und Group-Workouts
- Spa-Bereich
- Auftritte von Live-DJs und Music-Workouts
Zusätzlich können Body-Check-Ups, Ernährungs-Coaching, Personaltraining und die Erstellung eines Trainingsplans hinzugebucht werden.
HIIT-Running – oder: Die längsten 25 Minuten
„„Ich laufe gerne, allerdings nicht auf dem Laufband. Trotzdem wollte ich unbedingt die 25-minütige, intensive Running Class ausprobieren. Das Setting in dem Kellergewölbe sah vielversprechend aus: Laufbänder, Club-Beleuchtung, laute Beats, ein motivierender Coach und ein Bildschirm, auf dem die Pulsfrequenzen der einzelnen Teilnehmer zu sehen sind. Diese galt es in der nächsten knappen halben Stunde durch das Verändern der Laufband-Geschwindigkeit in bestimmte Bereiche zu treiben. Also einfach auf den Bildschirm schauen und den Anweisungen des Trainers lauschen. Klingt einfach, aber es war brutal. Um in den zwischendurch geforderten roten Bereich zu kommen, musste ich mir erst die Finger wund drücken, um die notwendigen 16 km/h zu erreichen, die mich mit zunehmender Ermüdung auch motorisch an die Grenzen brachten. Meine Füße jagten wie unkontrolliert über das Band, ich sah mich schon stolpern und hinten an der Wand kleben. Kaum hatte ich den geforderten Pulsbereich erreicht – laut hechelnd – ging es schon wieder zurück in die kurze Erholungsphase vor dem nächsten Intervall. Der Coach motivierte die Gruppe immer weiter – „Super, wir haben’s fast alle in den roten Bereich geschafft. Wir warten noch auf Alex – und los! Noch fünf Pulsschläge mehr!“ Und ich kämpfte wieder mit dem Geschwindigkeitsregler… Es war mental die längsten 25 Minuten, die man sich vorstellen kann, aber Coach, Beats und die Gruppe haben mich vom aufgeben abgehalten. Noch lange, nachdem sich mein Puls beruhigt hat, schoss der Schweiß aus meinen Poren und das Laktat durch die Muskulatur. Mega!“– Alexandra Grauvogl, Redaktionsleiterin FITBOOK
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Das Publikum
Ein Mitgliedsbeitrag von 90 Euro pro Monat? Vor meinem ersten Besuch hatte ich gemischte Gefühle: auf welche (schnöseligen) Trainierenden werde ich im John Reed Bötzow treffen? Die Praxis lieferte ein überraschend gemischtes Bild. Hier tummeln sich Fitness-Fans aller Altersstufen und mit unterschiedlichsten Ambitionen:
- U25-Jährige in Bum-Scrunch-Leggings, die Videos für ihre Social-Media-Kanäle machen
- Business-Typen, die im Loungebereich noch ein paar Telefonate führen oder am Laptop arbeiten
- fokussierte Kraftsportler, die an Optik und Performance arbeiten
- die Reformer-Pilates-Gang – hauptsächlich Frauen und hauptsächlich etwas älter (warum eigentlich?)
- Prenzlauer-Berg-Hipster, die „seit 15 Jahren warten, dass ein Fitness-Studio mit Pool aufmacht“
- Menschen, die sagen, sie gehen ins Gym, aber sich faktisch betrachtet nur eine Stunde in Sauna und Whirlpool aufkochen lassen
- Laktat-Abhängige, die sich bei einer 25-Minuten-HIIT-Running-Session völlig abschießen (#schuldig)
- ganz normale Menschen, die einfach was für Fitness und Gesundheit machen wollen
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Der Spa
Einfach nur: Wow! Wenn man abends im 20-Meter-Pool auf einen durch Beleuchtung simulierten Sonnenuntergang zuschwimmt, im Whirlpool seinen Gedanken freien Lauf lässt, während die Muskeln durchmassiert werden, oder in der Sauna meditiert – dann ist körperliche und geistige Entspannung angesagt! Neben dem Training bietet der Club Entspannung pur. Die Relax-Lounges zum Verweilen befinden sich in den alten Kühlbecken der Brauerei.
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Fazit: Bierkeller-Location Fluch und Segen zugleich
Die Location im ehemaligen Bierkeller und der Fokus auf Kunst und Design sind Fluch und Segen zugleich. Einerseits herrscht eine einzigartige Atmosphäre, die den John Reed Bötzow zu einem Ort macht, an dem man gerne verweilt. Mit dem Herabsteigen der Treppen taucht man in eine Welt ab, in der intensive Workouts, Wellness, Club-Sounds und Kreativität miteinander verschmelzen. Ich hätte nicht gedacht, dass es mir so gut gefällt. Schließlich bin ich eigentlich Anhänger von „ehrlichen Muckibuden“, wo der Rost an den Händen klebt, wenn man Gewichtsscheiben von der Hantelstange zieht, und Schweißgeruch von Bodybuildern aus den 80ern noch durch die Luft wabert.
Andererseits ist in den langen Kellergängen meist nur für eines Platz: Kunst oder Trainingsgeräte. Deshalb gibt es für ein Gym dieser Größe verhältnismäßig wenig Trainingsfläche, wenn man die drei Kursräume (Yoga, Pilates, Running) abzieht. Ein absolutes Highlight ist der Spa-Bereich. Wer regelmäßig Schwimmen und in die Sauna gehen will, für den lohnt sich auch die hochpreisige Mitgliedschaft.
Highlights
- einzigartige Atmosphäre durch Kunst- und Design-Elemente
- hochwertiges Equipment und Kurse
- Getränke-Flat für Wasser mit/ohne fruchtige Geschmacksrichtungen
- 20-Meter-Pool und Whirlpools, Sauna
- Sauberkeit
- freundliches und motivierendes Personal
- entspanntes, gemischtes Publikum
Lowlights
- Vor allem zu Stoßzeiten zwischen 17 und 21 Uhr ist sehr wenig Platz.
- Generell fehlen für ambitionierte Kraftsportler einige Geräte und Equipment
- kaum Wände, die man ins Workout einbeziehen kann (z. B. für Wallballs, Handstand, weil sie entweder durch Kunst, Vorhänge oder Spiegel besetzt oder aus bröckeligem Backstein sind)