22. August 2024, 9:44 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Einfach ordentlich Gewicht auf die Hantel packen, dann wachsen die Muckis? Nicht ganz: Viele Sportler machen Fehler, die den Trainingsfortschritt verhindern – ohne es zu wissen. Dabei können schon kleine Optimierungen eine große Wirkung entfalten. Worauf man beim Training achten sollte, hat FITBOOK-Autor Martin Lewicki bei einem Experten erfragt.
Krafttraining ist eine komplexe Angelegenheit. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen einen Personal Trainer engagieren, um sich professionelle Hilfe zu holen. Denn beim Krafttraining kommt es eben nicht nur auf möglichst viel Gewicht an, sondern auch auf die richtige Ausführung und einen effektiven Trainingsplan. So können sich schon kleine Fehler negativ auf den Trainingserfolg auswirken. FITBOOK stellt fünf gängige Fehler beim Krafttraining vor. Die Lösungen, um sie optimal vermeiden zu können, liefert Sportwissenschaftler und Personaltrainer Jörn Giersberg.
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Übersicht
Muskuläre Disbalance
Was viele Hobby-Sportler oft nicht sofort merken: Ihr Körper hat ein Kraftungleichgewicht. Das heißt zum Beispiel, dass der rechte Arm kräftiger ist als der linke. Davon sind auch Beine betroffen und sogar Gelenke. Das macht sich oftmals erst bei hoher Belastung bemerkbar. Beim Bankdrücken fällt es beispielsweise auf, dass es bei den letzten Wiederholungen schwerfällt, die Langhantel gerade zu halten. Denn die kräftigere Körperseite drückt das Gewicht stärker und sorgt so für eine Schieflage.
Noch deutlicher wird es, wenn man mit Freihanteln trainiert. Wer an sein Leistungsmaximum geht, der bemerkt schnell, dass eine Körperseite stärker ist als die andere. So schafft man beispielsweise mit dem einem Arm acht Bizeps-Curls, während der andere bei gleichem Gewicht schon nach sechs Wiederholungen schlapp macht. Wer eine muskuläre Disbalance ignoriert, riskiert optische Asymmetrien, eine falsche Körperhaltung und kann dabei sogar Gelenke schädigen. Deswegen gilt es, diesen Fehler beim Krafttraining zu vermeiden.
Lösung: Schwache Muskelgruppen fördern und fordern
„Wichtig ist, dass man den schwächeren Arm nicht zusätzlich trainiert“, sagt der Sportwissenschaftler und Personal Trainer Jörn Giersberg. Er empfiehlt eher, die starke Seite zu bremsen. Dabei sollte man sich auf Übungen konzentrieren, die beide Körperteile gleichzeitig beanspruchen. Also bei den Armen zum Beispiel Klimmzüge oder Bankdrücken machen. Denn durch die gleichzeitige Belastung zieht der schwächere Muskel auch mit. Hier empfiehlt der Experte Grundübungen, die man mit viel Power ausführen kann, denn das stärkt den schwachen Muskel besonders.
„Es gibt auch einseitige Übungen, die sehr wirksam sind, wie zum Beispiel Ausfallschritte“, sagt der Experte. Hier trainiert man normalerweise zunächst das eine Bein und hinterher das andere. Dabei sollte man immer mit der schwache Seite starten, weil man dann noch mehr Kraft und Konzentration besitzt als bei der darauffolgenden Seite.
„Wenn es muskuläre Disbalancen zwischen gegenüberliegenden Muskelgruppen gibt, kann man durchaus die schwache Muskelgruppe betonen und intensiver trainieren“, sagt Giersberg. Er empfiehlt, die schwache Muskelgruppe ebenfalls zu Beginn eines Workouts zu bearbeiten. Sinnvoll seien Supersatz-Übungen, also ein direkter Wechsel zwischen Übungen für unterschiedliche Muskelgruppen: ein Satz Bizeps und im Anschluss ein Satz Trizeps. Oder: ein Satz unterer Rücken und dann ein Satz für den Bauch.
Körperstabilität wird vernachlässigt
Viele Menschen trainieren entweder ihre Kraft oder die Ausdauer, aber die wenigsten denken dabei gezielt an die Körperstabilität. Diese kommt zum Großteil aus der Körpermitte (Core), also einem starken Rumpf. Das schützt vor Verletzungen beim Training sowie vor körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen. Aber auch starke Gelenke, Sehnen und Füße sorgen für eine bessere Stabilität des Körpers.
Zusammen hilft es insbesondere bei explosiven Bewegungen, wie sie oft beim Crossfit vorkommen. Wer also seinen Körper ganzheitlich trainieren möchte, sollte die Körperstabilität nicht vernachlässigen. Sonst rächt sich der Fehler beim Krafttraining durch Verletzungen beim Sport.
Lösung: Den Rumpf aus verschiedenen Winkeln trainieren
„Ganz ehrlich, ich halte nicht so viel von Planks, also den Unterarmstütz-Übungen“, sagt Experte Giersberg. Da sei die Intensität teilweise zu gering, wenn man bereits so trainiert sei, dass man z. B. drei Minuten in einer Position ausharren könne. Besser seien Grundübungen in verschiedenen Varianten, die den Rumpf sowohl direkt als auch indirekt belasteten. Dazu zählen Kniebeugen aller Arten sowie Ausfallschritte oder Kreuzheben. Die bringen besonders viel Kraft und man kann sich gut systematisch verbessern durch steigendes Gewicht.
Um die Stabilität zu fördern, sollte man zudem ausgewogen Bauch und den unteren Rücken trainieren, also die Gegenspieler. „Das ist wie bei einem Segelboot, wo die Taue den Schiffsmast stabilisieren. Und da ist es wichtig, dass alle Taue auf vernünftiger Spannung sind. Denn wenn einer zu lasch ist und der andere zu stark, dann gerät der Mast in Schwierigkeiten“, erklärt der Experte das Zusammenspiel der Muskeln im Körper. Deswegen sei es wichtig, dass man mit diversen Übungen aus verschiedenen Winkeln an den Rumpf rankomme. Und da könnten Planks allein nicht viel ausrichten.
Um die Fußstabilität zu verbessern, empfiehlt Giersberg Übungen wie Wadenheben, die man sitzend oder stehend ausführt. Dabei werden Waden und Fußgelenke trainiert. Aber auch Seilsprünge und Sprünge im Allgemeinen sind gut für die Stabilität. Nicht vergessen sollte man die Entspannung der Füße, damit sie leistungsfähiger sind. Hier ist zum Beispiel das sogenannte Flaschenrollen praktisch: Dabei nimmt man eine leere Glasflasche und rollt sie mit den Füßen und leichtem Druck über den Boden.
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Mangel an Kraftausdauer
Wer ein maximales Muskelvolumen erzielen möchte, der macht selten mehr als acht Wiederholungen einer Übung. Doch dabei bleibt die Kraftausdauer auf der Strecke. Diese wird erst trainiert, wenn man mit weniger Gewicht und mehr Wiederholungen trainiert, die Belastung also über einen längeren Zeitraum erfolgt. Ein beliebter Fehler beim Krafttraining.
Doch warum sollte man das machen? Zum einen werden Muskeln durch Kraftausdauer besser stabilisiert und zum anderen kann man mit niedrigerem Gewicht besser an der Technik feilen. Außerdem wird der Körper insgesamt leistungsfähiger und man ist nicht sofort aus der Puste.
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Lösung: Gewicht runter, Wiederholungszahl rauf
Für Kraftsportler ist die Empfehlung des Experten relativ simpel: Man verringert die Intensität, das Gewicht wird runtergeschraubt, die Wiederholungsanzahl erhöht. Wichtig ist, dass es kraftvolle Übungen sind, die man über eine längere Zeit ausführt. Treppensteigen oder Rudern sind ideal, um die Kraftausdauer zu steigern.
Bei Kraftübungen sollte man darauf achten, große Muskelgruppen in Gang zu bringen. Das ist beispielsweise bei Bankdrücken oder bei Kniebeugen der Fall. Und auch hier sollte man auf eine systematische Verbesserung achten sowie auf verschiedene Varianten der Ausführung. Ebenfalls wichtig: Die Regeneration beachten, also genügend Pausen einplanen zwischen den Trainingstagen, damit der Körper sich gut erholen und anpassen kann, rät unser Experte.
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Schwache Mobilität
Insbesondere viele Anfänger machen sich keine Gedanken darüber: die Mobilität des eigenen Körpers. Das Zusammenspiel von Muskeln, Sehnen und Gelenken ist entscheidend, um eine hohe Beweglichkeit des Körpers zu gewährleisten. Man spricht dann von hohen Bewegungsgraden. Je höher die Bewegungsgrade, desto besser ist man vor Verletzungen geschützt. Zudem kann man dadurch komplexe Kraftübungen besser ausführen. Somit ist die Mobilität des Körpers wichtig, um schwere Gewichte zu stemmen und sie in der korrekten Haltung auszuführen. Und im Alltag freut man sich über die Gelenkigkeit und Leichtfüßigkeit.
Lösung: Intensives Dehnen als Abschluss eines Workouts
„Prinzipiell kann man sagen: Wenn man vollständige Bewegungsabläufe bei Grundübungen wie Klimmzügen oder Kniebeugen nutzt, entwickelt man gleichzeitig eine gute Mobilität“, erklärt Sportwissenschaftler Giersberg. Wer also bspw. regelmäßig Kniebeugen richtig ausführt, verbessert damit automatisch seine Mobilität.
Hilfreich sind aber auch Dehnübungen. Dabei sollte man länger in der Dehnposition verbleiben, „mindestens 20 Sekunden“, empfiehlt Jörn Giersberg. Denn nur dann könne man die Beweglichkeit und die Bewegungsamplitude verbessern. Dies sollte man aber nicht zwischen einzelnen Übungen oder beim Warm-up machen, sondern am besten am Ende eines Workouts in der Cool-down-Phase. Da sei der Körper bereits gut aufgewärmt und die Verletzungsgefahr dadurch geringer. Stark beanspruchte Muskeln sollte man aber nicht noch am selben Tag zusätzlich intensiv dehnen, sondern lieber am Folgetag. Grundsätzlich gilt: Lieber öfter die Woche kurz dehnen als nur einmal die Woche, dafür aber zu stark.
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Gelangweilt vom einseitigen Training
Viele Menschen mögen Routinen. Auch beim Training. So macht es ihnen nichts aus, ein striktes Trainingsprogramm zu befolgen. Selbst nach Jahren machen ihnen dieselben Übungen Spaß. Doch das trifft längst nicht auf alle Hobby-Sportler zu. Außerdem kann eine zu starke Routine das Muskelwachstum hemmen. Bevor also die Trainingsmotivation durch ein langweiliges Training schwindet und der Erfolg durch zu viel Routine ausbleibt, sollte man für Abwechslung sorgen. Das beflügelt nicht nur beim Workout, sondern zwingt auch die Muskulatur zur Anpassung, was mit Wachstum belohnt wird. Deswegen sollte man zu viel Routine als Fehler beim Krafttraining vermeiden.
Lösung: Einfach mal was Neues probieren
Um für Abwechslung zu sorgen, hat man mehrere Stellschrauben. So kann man z. B.. die gewohnten Übungen für einzelne Muskelgruppen durch neue ersetzen. Anstatt also immer nur Flachbankdrücken auszuführen, sollte man auch mal Schrägbankdrücken oder Negativbankdrücken einbauen. Das sorgt nicht nur für eine bessere Form der Brustmuskulatur, sondern regt auch das Muskelwachstum an.
Man kann aber auch den Trainingsplan komplett umstellen. Also nicht an den gewohnten Tagen immer nur die gleichen Muskelgruppen trainieren, sondern zum Beispiel einen Leg Day einbauen, also nur die Beine trainieren. Oder das Training neu aufsplitten, unterschiedliche Muskelgruppen an einem Tag ansprechen. Wichtig ist, dass der Trainingsplan ausgewogen bleibt und alle wichtigen Muskelpartien innerhalb einer Woche ähnlich stark trainiert werden, damit es zu keinen muskulären Disbalancen kommt.
Und natürlich lässt sich der Trainingsplan durch die Integration neuer Sportarten aufpeppen. So kann man zum Beispiel neben dem Gewichtestemmen auch mal Crossfit, Schwimmen, Laufen, Kickboxen oder Yoga ausüben. Das sorgt mental für Abwechslung und beansprucht den Körper ganz anders. Dadurch unterstützt man nicht nur das Muskelwachstum, sondern kurbelt auch den Stoffwechsel an und verbessert so die Mobilität. Allein deswegen sollte man aus seinen Trainingsroutinen gelegentlich ausbrechen und diesen Fehler beim Krafttraining vermeiden.