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FITBOOK-Autorin sprach mit Erfinder

Was hinter Fastenwandern steckt und wie es wirken soll

Beim Fastenwandern wird gelaufen und auf Nahrung verzichtet
Beim Fastenwandern wird gelaufen und auf Nahrung verzichtet Foto: AFP via Getty Images

26. Dezember 2024, 17:38 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Damit Körper und Geist möglichst lange gesund bleiben, ist die Bewegung (ganz besonders in der Natur) essenziell. Was der Mensch hingegen weniger muss: Pausenlos Nahrung zu sich nehmen. Stattdessen kann es von Vorteil sein, gelegentlich zu fasten. Verbindet man diese beiden Punkte miteinander, könnte man auf Fastenwandern stoßen. Aber was verbirgt sich eigentlich genau dahinter? Wie läuft das Fastenwandern ab? Das und noch mehr hat der Erfinder des Fastenwanderns FITBOOK-Autorin Desirée Oostland erklärt.

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Bären können bis zu sechs Monaten im Jahr auf Nahrung verzichten, der Mensch etwa 40 Tage, sagt Christoph Michl. Der Horneburger entwickelte aufgrund einer eigenen Leidensgeschichte 1979 das Fastenwandern in Deutschland. Er kombinierte Bewegung mit kurzzeitigem Nahrungsverzicht. Das Prinzip ist natürlich keines aus der Neuzeit: „Noch in der Steinzeit streiften unsere Vorfahren täglich durch die Landschaft, um für sich Nahrung zu suchen. Dabei dürften sie häufig nichts Essbares gefunden haben, besonders bei uns im Winter“, sagt Michl. Dies könnte man bereits als Fastenwandern bezeichnen. Mittlerweile ist das Fasten in der Gesellschaft etabliert – und auch das Fastenwandern erfreut sich zunehmender Beliebtheit.

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Was macht das Fastenwandern so gesund?

Der Mensch ist als Bewegungswesen konzipiert, für Körper, Organe und Seele ist die Bewegung vonnöten. Gerade heute, in einer Zeit, in der die meisten Menschen viel sitzen. „Bewegen wir uns nicht, verkümmert unser Leib und alles in ihm, wir werden leistungsunfähig, angeschlagen und krank“, erklärte Michl. Heute haben wir durchgehend Zugang zur Nahrung: Snacks, drei Mahlzeiten, Proteinshakes, der Körper ist ständig in Arbeit. Wie gut es dem Körper tut, zwischendurch auch eine Nahrungspause einzulegen – in dem man beispielsweise fastet – zeigen Studien schon seit Jahren (FITBOOK berichtete).

„Der Nahrungsverzicht hat bei uns übersättigten Menschen den Vorteil, dass die Ablagerungen und Schlacken in den Zellen und im Gewebe endlich einmal abgebaut, der Darm gereinigt und das Immunsystem gestärkt werden“, zeigte sich Michl im FITBOOK-Interview überzeugt. Gleichzeitig reinige viel Bewegung den Körper. Durch die Kombination werde laut Michl die sogenannte Reinigung wesentlich verstärkt.

Auch interessant: FITBOOK-Ernährungsexpertin: „Warum ich am 20:4-Intervallfasten fast gescheitert wäre“

Welches Fitnesslevel braucht man für Fastenwandern?

Wer fastet und sich dazu auch viel bewegt, fürchtet sich vielleicht vor einem Rückgang der Muskelmasse. „Dass durch das Fasten die Muskeln abgebaut werden, ist nur möglich, wenn man sich während des Fastens nicht hinreichend bewegt. Ich bin innerhalb von drei Wochen mit einer Fastengruppe über 1000 Kilometer von der Ostsee bis zum Bodensee problemlos gewandert“, so Michl. Das sei möglich. „Wenn wir uns das nicht zutrauen, liegt dies daran, dass wir entweder zu wenig Kondition oder Angst davor haben, dass wir das nicht schaffen würden“. Trotzdem sei körperliche Fitness kaum für das Fastenwandern notwendig, sagte er. Außerdem handele es sich hierbei um Wandern und um keinen hochexplosiven Sport: „Wir betreiben keinen Leistungssport, sondern eine sehr ruhige Bewegungsart.“ Teilnehmer, die mehr oder weniger den ganzen Tag auf dem Stuhl sitzen, hätten gewöhnlich keinerlei Schwierigkeiten, mitzugehen. „Man fühlt sich auf einmal stark, und die Gruppe zieht mit“.

Die größte Herausforderung beim Fastenwandern

Sport tut gut, um sich gesund zu erhalten. Viele Sportarten, selbst Fußball, fordern den Menschen aber weit mehr als das ruhige Wandern. „Ich legte Wert darauf, dass möglichst jeder bei meinem Angebot problemlos einsteigen und mitmachen kann“, sagte Michl. „Es kommt freilich vor, dass einige Teilnehmer kaum noch mitkönnen, weil sie sich Blasen gelaufen haben.“ Die Blasen an den Füßen seien bislang immer das größte Problem gewesen. Aber was, wenn man nicht mehr kann? „Für die, die Mühe haben, weiter mitzukommen, sind Ausstiegsmöglichkeiten vorgesehen.“

Hungergefühl bei Fastenwandern

Doch was fällt den Teilnehmern – neben den Blasen an den Füßen – schwerer? Der Verzicht auf Nahrung oder das Wandern? „Mit dem Fasten hat kaum jemand Schwierigkeiten“, sagte Michl und erklärte weiter: „Die einzelnen Teilnehmer stellen sich recht schnell innerlich darauf ein, dass es nichts mehr zu essen gibt.“ Laut Michl befinde man sich sozusagen in einer anderen Welt. „Die meisten kommen ja, um sich körperlich zu reinigen, Stress abzubauen und einen klaren Kopf zu bekommen.“ Und darauf freuten sie sich. Deshalb gelinge ihnen der Einstieg schnell. Es gebe aber auch Ausnahmen: „Wer nur kommt, um abzunehmen und dabei ständig ans Essen denkt, weil er annimmt, er müsste verhungern, der bekommt möglicherweise Hunger. Auch bringen manchmal Frauen ihre Männer mit, die dann ganz unvorbereitet sind und sehr unter Hunger leiden.“

So entstand die Idee des Fastenwanderns

Die Idee der „Fastenmärsche“ übernahm Michl von dem schwedischen Zahnarzt, Dr. Lennart Edren. „Er marschierte mit seinen Leuten immer 50 Kilometer am Tag. Das tat ich bei meinen persönlichen Wanderungen auch immer.“ Ihm wurde aber zügig klar, dass das die Teilnehmer gewöhnlich kaum schaffen. Deswegen verringerte er die Tagesstrecke auf 20–25 Kilometer. „Ich führte aber auch eine Gruppe von der Ostsee bis zum Bodensee, bei der wir täglich 40 bis 50 Kilometer wanderten. Eine ging auch von Horneburg, Kreis Stade, durch die Lüneburger Heide nach Celle unter dem Motto: 100 Kilometer in 24 Stunden.“ Für diese Veranstaltungen meldeten sich aber nur jene an, die sich diesen Herausforderungen und Anstrengungen zutrauten. „Bei mir wurde das Fastenwandern recht schnell zum Selbstläufer, wahrscheinlich, weil ich die Tagestouren sehr verringert hatte. Schon einige meiner ersten Teilnehmer boten eigene Fastenwanderungen an.“

Fastenwandern: Stressabbau, Stärkung des Selbstvertrauens, Neuorientierung

Fastenwandern kann für Stressabbau sorgen, das berichten auch viele Teilnehmer von Fastenwanderungen im Netz. Auch über innere Stärke wird gesprochen – und über Selbstvertrauen. Schließlich hat man sich etwas vorgenommen und es durchgezogen, sich bewegt und ist diszipliniert geblieben. „Wir finden beim Fastenwandern wieder zu uns selbst und werden ruhig, entspannt, lebensfroh und glücklich. Auch Ängste und Komplexe, die uns belasten, werden viel leichter überwunden“, erklärte Michl.

Auch der Einfluss der Natur sollte nicht unterschätzt werden. Die Wirkung von bereits kurzen Aufenthalten in der Natur konnte wissenschaftlich belegt werden (FITBOOK berichtete). Und wann sonst verbindet man sich so stark mit dem Außen als bei Wanderungen? „Beim Fastenwandern halten wir uns viel draußen in der lebendigen Natur unter Bäumen, neben Wiesen, an Bächen, Seen und Wasserfällen auf.“ Damit bekommen die Teilnehmer wieder ein intensives Verhältnis zur Natur, „anders als auf dem Sportplatz und beim Leistungssport.“ Auch deswegen haben einige Fastenkliniken laut Michl – beispielsweise in Überlingen, der Hochburg des Fastens – das Konzept des Fastenwanderns übernommen.

Kann man das Fasten nicht einfach auch mit anderem Sport kombinieren?

„Fasten mit Sport zu verbinden, hätte sicherlich auch Vorteile. Ich habe damit keine Erfahrungen, würde aber vom Leistungssport beim Fasten abraten, da man beim Fasten immer wieder in sich hinein horchen sollte, um zu spüren, zu welchen Leistungen man in der Lage ist.“

Über die gesundheitlichen Folgen des Fastens ist bereits viel bekannt. Laut Michl dürften die Erfolge des normalen Fastens durch das Fastenwandern wesentlich steigern. „Die langfristigen Effekte auf die Fitness setzen voraus, dass das Fastenwandern regelmäßig betrieben wird. Für viele ist es selbstverständlich, jedes Jahr einmal oder zweimal Fastenwanderungen mitzumachen.“

Wie läuft das Fastenwandern ab?

Den Schätzungen zufolge gebe es in Europa mindestens 1000 Anbieter von Fasten-Wanderungen mit weit über 5000 Veranstaltungen. Jeder Anbieter habe seine eigene Vorstellung und Ordnung. Fastenwandern ist also nicht genormt. „Wir selbst nehmen nur Anbieter auf, die wenigstens zehn Kilometer oder drei Stunden am Tage unterwegs sind. Manchmal wird auch mit dem Fahrrad gefahren.“ Dabei werden verschiedene Fastenarten angeboten:

  • Nach Dr. Buchinger: Wasser, Kräutertee, Gemüsebrühe, Saft, Honig.
  • Früchte- und Rohkostfasten: rohes Obst und Gemüse.
  • Smoothie-Fasten: püriertes Obst- und/oder Gemüse mit Wasser, auch mit Kräutern.
  • Basenfasten: viel Obst und Gemüse, teilweise erhitzt.
  • Intervallfasten: Dauer der tägl. Fastenzeit, gewöhnlich 16 Std., 8 Std. leichte Kost.
  • Weitere Angebote: z. B. Scheinfasten, Fasten nach Hildegard v. Bingen und auch nach F.X. Mayr.

Jede Wanderung wird von einem Leiter geführt. „Viele haben eine spezielle Ausbildung bezüglich des Fastens beziehungsweise des Fastenwanderns absolviert. Manche sind Heilpraktiker oder Ärzte“, erläuterte Michl. Andere schöpfen wiederum aus ihren eigenen Erfahrungen. „Sie haben wichtige Erkenntnisse gewonnen und ihre Fähigkeiten und Qualitäten weiterentwickelt. Oft besitzen sie weitere Zusatzausbildungen, als Yogalehrer, N-Walking-Trainer oder Ähnliches.“

Die angebotenen Wanderregionen erstrecken sich überall in Deutschland und im Ausland: Frankreich, Italien, Kanarische Inseln, Kroatien, Madeira, Mallorca, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz, Slowenien, Spanien, Türkei. Die Unterkünfte erstrecken sich von einfachen Pensionen und Seminarhäusern bis zu Luxus-Wellnesshotels, vom Mehrbettzimmer bis Einzelzimmer. Oft ist eine Sauna im Haus bzw. sind medizinische Anwendungen möglich. Zusätzlich gibt es mögliche Zusatzprogramme, wie abendliche Vorträge über das Fasten, Abfasten oder die Aufbauphase und natürlich über die Ernährung im Allgemeinen. Gewöhnlich dauern die Veranstaltungen eine Woche. Neben dem Wandern können auch Bewegungsübungen wie Gymnastik, Yoga oder Kneipp-Anwendungen wahrgenommen werden. Auch Singen, Meditationen, Qigong, Massagen und Colon-Hydro-Therapie sind häufig Teil des Angebots.

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So sieht ein Tag Fastenwandern aus

Früh stehen die Getränke bereit. Bei einigen oder vielen findet darauf eine Befindlichkeitsrunde statt, bei der jeder erzählt, wie er sich fühlt und wie es ihm geht. So weiß der Leiter, mit was für Leuten er es heute zu tun hat und worauf er achten muss. Anschließend wird der Tag bei manchen besinnlich eingeleitet und auf die Tagesereignisse hingewiesen. Oft werden vor der Wanderung noch Gymnastikübungen oder Yoga durchgeführt. Dann geht es los.

Unterwegs werden mehrfach Pausen zum Erholen, Safttrinken und Austreten gemacht. Manchmal geht es auch in Cafés zum Teetrinken oder Aufwärmen. Unterwegs können Innenstädte, Kirchen und Museen besichtigt werden. Manchmal wird mit Bahn, Bussen oder PKWs angefahren oder zurückgefahren.

Meine Erfahrung mit Fastenwandern

„Üblicherweise wird ein festes Quartier für die Veranstaltungen gewählt. Rundwanderungen, bei denen man nach einer Woche wieder am ersten Quartier ankommt, werden auch angeboten – ebenso Überlandwanderungen. Ich habe z. B. häufig die Alpen überquert, wobei ich von Garmisch-Partenkirchen nach Venedig mit den Teilnehmern lief – in zwei Wochen. An den Abenden trifft man sich zur Gemüsebrühe oder zum Rohkostessen. Danach werden gewöhnlich Vorträge gehalten, besonders über das Fasten und über Ernährung und Gesundheit. Manche Anbieter zeigen auch Filme. Oft wird der Tag besinnlich abgeschlossen, möglicherweise mit einer Meditation, einem Text, einer Geschichte oder einem Lied.“

Themen Fasten
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