5. November 2019, 10:59 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Er gilt als einer der härtesten Extremläufe der Welt: Beim „Marathon des Sables“ müssen 220 Kilometer durch die Sahara bewältigt werden. Die Wolfsburgerin Sandra Wukovich hat sich der Herausforderung nach nur drei Jahren intensivem Laufen gestellt. Was sie dabei erlebt hat und wie sie sich vorbereitet hat, erzählte sie FITBOOK.
Aufwachen im Zelt zwischen 5 und 6 Uhr. Kaffee und zähflüssigen Haferschleim zum Frühstück. Füße einschmieren und tapen, Kompressionsstrümpfe anziehen, Sonnenschutz auftragen, Rucksack packen: Schlafsack, Matte, Kissen, Tasse, 3 Liter Wasser, 14 000 Kalorien in Form von Porridge, Fruchtschnitten und Cappuccino-Pulver … dazu eine Wüstenkarte mit Streckenmarkierung, Kugelschreiber. Klamotten nur die, die man anhat. Für den Notfall ein GPS; als letzte Rettung im Sandsturm eine Trillerpfeife; und für den Fall eines Skorpion- oder Schlangenbisses eine Vakuumpumpe, um das Gift auszusaugen…
Man muss schon sehr genau planen und rechnen, was man für sieben Tage in der Wüste mitnimmt; erst recht, wenn man – bis auf Wasser und das Zelt fürs Nachtlager – alles, was man tagsüber braucht, selbst tragen muss. Am Ende wiegt der Rucksack, den Sandra Wukovich eine Woche durch die Sahara schleppt, 12,5 Kilogramm.
220 Kilometer durch die Wüste
Die 46-jährige Wolfsburgerin hat sich im April 2019 der bisher größten Herausforderung ihres Lebens gestellt: dem „Marathon des Sables“ – einem der härtesten Extremläufe der Welt. Die Idee geht auf eine 350 Kilometer lange Tour zurück, die der Franzose Patrick Bauer 1984 zu Fuß durch die Sahara gemacht hatte und ihn auf die Idee brachte, daraus einen jährlich stattfindenden Ultra-Marathon zu machen. An sechs aufeinanderfolgenden Renntagen müssen die Teilnehmer Etappen zwischen 32 und 76 Kilometern bewältigen; insgesamt 220 Kilometer in absoluter Stille durch die Stein- und Sandwüste Marokkos. Temperaturschwankungen von tagsüber bis zu 40 Grad auf manchmal nur ein paar Grad über Null sind auszuhalten.
Wukovichs Langstrecken-Liebe entflammt mit 37 Jahren beim ersten Marathon (Paris 2010); es folgen weitere, nebenbei engagiert sich Sandra als Helferläuferin für HIV-positive Menschen über die Halbmarathon-Distanz. Nach sieben Jahren sind die 42,195 Kilometer nicht mehr genug: 2017 geht sie beim 56 Kilometer langen „Two Oceans“ in Südafrika an den Start, gleich im Anschluss beim 90 Kilometer langen Comrades, ebenfalls Südafrika. Die Entscheidung, den Marathon des Sables zu laufen, trifft sie im August 2018.
5 Paar Schuhe verschlissen in der Vorbereitung
Für die Vorbereitung auf eines der schwersten Rennen der Welt bleibt der leidenschaftlichen Läuferin ein gutes halbes Jahr Zeit. Wukovich lässt sich coachen; es gilt, massiv Muskulatur vor allem in den Beinen und im Rumpf aufzubauen, um dem kräftezehrenden Sand und den Bergen etwas entgegensetzen zu können. Trainingseinheiten mit einem Rucksack, der mit immer mehr Gewicht beschwert wird, sind für die 46-Jährige der lästigste Part. Auf der Suche nach dem passenden Equipment verschleißt sie in der Vorbereitung fünf verschiedene Laufschuhe. Nur ein einziges Paar darf sie in der Wüste tragen; fünf Wochen vor Abreise fällt die Wahl auf eine Trekkingvariante.
Sandras Wukovich: Meine Packliste für den Marathon des Sables
2 Reserve-Kilos angefuttert
Mehr Kopfzerbrechen als das richtige Schuhwerk bereitet Wukovich jedoch das Essen. Sie muss herausfinden, welche Nahrungsmittel sich bei ihr mit den extremen Bedingungen beim Laufen in der Wüste vertragen. Den Teilnehmern des Marathon des Sables ist die tägliche Aufnahme von mindestens 2000 Kalorien vorgeschrieben. Für die Grundversorgung fällt die Wahl auf hochkalorische Pulvernahrung mit Bananen- und Kirschgeschmack, die mit Wasser angerührt wird. Die Extremläuferin wird es nicht mit Freude essen, eher aus Erhaltungstrieb.
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Zum Frühstück wählt sie am Vorabend mit Wasser angerührtes Porridge (zwecks Tragegewicht ohne Rosinen!), abends im Zelt bereitet sie sich vegetarisches Couscous zu. Für die ersten Tage packt sie Fruchtschnitten, Kekse und Kaubonbons ein. Jede Mahlzeit wird einzeln verpackt und penibel genau mit Kalorienmenge und Gewicht beschriftet. Zwei Reserve-Kilos, die sie sich im Training angefuttert hatte, wird sie in der Wüste lassen.
Noch wichtiger als das Essen bei 40 Grad in der Wüste: Trinken. Beim Marathon des Sables werden alle zehn Kilometer drei Liter Wasser gereicht; Wukovich muss lernen, 1,5 Liter in einem wegzutrinken, der Rest wird im Rucksack verstaut. Weil der Körper unter den extremen Bedingungen zu viele Mineralstoffe (und damit Salz) ausschwemmt, bekommen die Läufer vom Veranstalter Salztabletten gereicht. Doch Wukovich verträgt sie nicht.
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„Ich habe mich topfit gefühlt, hatte die ganze Nacht ordentlich getrunken, weil alle meinten, ich würde zu wenig trinken“, erinnert sie sich. Nächtliche Schweißausbrüche, gleichzeitig kann sie nicht Wasser lassen. Wukovich ist eine gute Stunde unterwegs, als ihr schwindelig und übel wird, die Orientierung lässt nach. Schließlich erleidet sie einen kompletten Kreislaufzusammenbruch.
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Sandra droht, innerlich zu ertrinken
Es sind die Symptome einer lebensgefährlichen Hyperhydration: Diese kann auftreten, wenn der Verlust an Salzen und Flüssigkeit bei heißem Wetter und großer Anstrengung mit (zu) salzarmer Flüssigkeit zu kompensieren versucht wird. In ihrem Körper befindet sich zu diesem Zeitpunkt viel Wasser. Die Nieren können die Flüssigkeit nicht mehr verarbeiten – er wird buchstäblich überschwemmt. Wukovich droht, innerlich zu ertrinken.
Die Entscheidung, aus dem Rennen zu scheiden, ist in diesem Moment eigentlich schon getroffen – und doch kommt es anders. Wie Wukovich diesen Schlüsselmoment bewältigt hat – und das Zeltlager nach 24 statt 16 anberaumten Stunden erreicht, erzählt sie im Video.
Welche Kosten fallen für den Marathon des Sables an?
„Eine Woche in der Wüste: Die Teilnahmegebühr für einen Marathon des Sables schlägt mit 3100 Euro zu Buche. „Aus meiner Sicht ist der Preis gerechtfertigt, wenn man die ganze Logistik bedenkt“, sagt Wukovich. Hinzu kommen die Kosten für das Equipment. „Ich hatte schon einiges im Schrank, daher haben sich meine Anschaffungskosten in Grenzen gehalten. Rucksack 120 Euro, extraleichter Schlafsack 300 Euro, Matte 50 Euro, Gamaschen 30 Euro…“ Des Weiteren: Medizincheck, Impfungen, Verpflegung sowie Reisekosten, Hotel und Flug nach Marokko. „Exakt habe ich es nie ausgerechnet, weil es für mich nicht im Fokus steht. Es ist mein Hobby – meine Freizeit, die mir unbezahlbar viel wert ist.“ “–