15. Oktober 2019, 9:03 Uhr | Read time: 3 minutes
Dass Radsportler muskulöse Beine haben, ist wenig verwunderlich – was aber der slowenische Rad-Profi Janez Brajkovic auf Instagram gepostet hat, lässt einen staunen – und auch ins Grübeln kommen. Bodybuilder wären sicherlich stolz auf diese Wade, aber ist das noch gesund? FITBOOK fragt bei Experten nach.
Das sagt ein Mediziner
„Wir sehen ein Bein wie aus dem Anatomiebuch. Nur sehr stark ausgeprägte Muskeln und große, darüber ziehende Blutgefäße (die Muskulatur muss ernährt werden). Kein Gramm Fett. Es ist ähnlich wie bei einem Rennwagen: hoch tunen und auf absolut alles Unnötige verzichten“, erklärt Dr. med. Mathias Schettle, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, auf FITBOOK-Nachfrage. „Radsport ist ein Extremsport – alle Power in die Beine. Das kann dann entsprechend extreme, auch optische Auswüchse annehmen.“
Wie es dazu kommen kann? „Massiver Fokus auf Muskelaufbau unter striktester Kontrolle der Nahrungszufuhr. Gerade bei Radsportlern sind solche Extreme nicht ungewöhnlich, auch wenn dies selbst unter diesem Aspekt noch mal ein extremes Beispiel ist“, sagt Dr. Schettle. Eine Dehydrierung muss in diesem Fall nicht unbedingt vorliegen, da die Gefäße gut gefüllt zu sein scheinen, wie der Experte anmerkt. Beim Blick auf weitere Fotos von Brajkovic glaubt Dr. Schettle eher Zeichen einer Unterernährung zu erkennen. „Wenn man sich alle Bilder anschaut, muss von einer höchst einseitigen Belastung und Ernährung ausgegangen werden, theoretisch passend zu Bulimie bzw. deren Folgen (in der Tat leidet Brajkovic – siehe Fazit – unter Bulimie; Anm. d. Redaktion). Man muss kein Arzt sein, um festzustellen, dass das nicht ganz gesund aussieht.“
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Das sagt ein Athletiktrainer
„Radprofis streben ja tatsächlich danach, möglichst ‚leicht‘ zu sein und dadurch wenig ‚unnütze Masse‘ mitzuschleppen. Gerade im Oberköper sehen die Athleten häufig wenig athletisch aus. Im diesem Fall scheint der Körperfettanteil aber im drastisch tiefen Bereich zu liegen. Hier hat der Körper gar keine Ressourcen für außerordentliche Einflüsse“, sagt Athletiktrainer Arne Greskowiak zu FITBOOK. Die Wade sei bei Brajkovic allerdings nicht das Problem, da das Foto nach einer harten Etappe aufgenommen sei. Vielmehr sorgt sich Greskowiak generell um den Sportler.
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Fazit
Das Bild der Wade ist weniger schockierend als der körperliche Gesamtzustand von Janez Brajkovic. Die Experten-Vermutung hat der Slowene schon selbst bestätigt: Im August 2019 veröffentlichte Brajkovic auf seinem Blog einen Beitrag, wo er offen und emotional über seine Essstörung schreibt. Aus Essproblemen wurde eine Essstörung und letztlich Bulimie. Mit seinem Text möchte er Aufmerksamkeit für die Thematik schaffen, denn lange schämte er sich nach eigener Aussage dafür und konnte seine Probleme nicht ansprechen. Mittlerweile hat er sich Unterstützung geholt und arbeitet daran die Krankheit zu überwinden. Für Brajkovic ist es ein andauernder Kampf – einer, der ihn noch viel Kraft kosten wird.
Hier finden Sie Hilfe, wenn Sie an Essstörungen leiden
Wenn Sie an Essstörungen leiden, können Sie sich direkt an Ihren Hausarzt wenden. Darüber hinaus bietet bspw. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Betroffenen unterschiedliche Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. Auch das Umfeld von Betroffenen findet auf den Seiten Informationen zum Umgang mit der Thematik.
Zur Person: Janez Brajkovic (35) ist seit 14 Jahren Radprofi, fuhr unter anderem für die Teams Discovery, Astana, Radioshack und Bahrain-Merida. In dieser Saison gab der Slowene nach einer Doping-Sperre sein Comeback beim Rennstall Adria Mobil. Im Jahr 2018 war Brajkovic positiv auf Methylhexanamin (eine Amphetamin-ähnliche Substanz) getestet worden. Ursprünglich war er für 24 Monate gesperrt worden, der Slowene konnte aber glaubhaft versichern, dass er die Substanz durch ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel aufnahm.