14. Juli 2020, 13:03 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Ertrinkende können meist kaum um Hilfe rufen, da sich der Kehlkopf verkrampft. In der Panik schlagen viele im Wasser um sich. Retter können so mit in die Tiefe gerissen werden. FITBOOK erklärt, worauf bei der Ersten Hilfe zu achten ist.
Toller Abend. Ein bisschen zu viel getrunken. Der Weg nach Hause in der Nacht schwankt am Fluss entlang. Es ist auf einmal abschüssig und zieht rein ins Wasser. Nächster Moment: Bis zur Hüfte drin – und immer weiter. Die Strömung ist stark und unerbittlich unten an den Füßen. Schock: Dagegenhalten und zurück waten mit letzter Kraft. Irgendwie ran ans rettende Ufer. Das ging noch mal gut aus …
Wer in solch eine Situation gerät und sich selbst vor dem Ertrinken retten kann, hat wahrlich Glück gehabt. Viele schaffen das nicht. Bis zu 600 Menschen ertrinken jedes Jahr in deutschen Flüssen, Kanälen, Seen oder im Meer. Übrigens: Viele Badeunfälle ereignen sich tagsüber. Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) berichtet, dass im vergangenen Jahr 950 Menschen in letzter Minute vor dem Tod bewahrt wurden.
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DLRG-Experte gibt Tipps, wie man sich selbst vor dem Etrinken schützt
Fabian Preuss von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft erklärt: „Wichtig ist es, nie alleine eine Badestelle bzw. das Wasser aufzusuchen. Speziell Kinder sollten darüber hinaus immer von ihren Eltern oder einer anderen Aufsichtsperson im Auge behalten werden. Vor dem Baden sollte man sich ausreichend mit etwas Wasser abspritzen, um einen Kreislaufkollaps im Wasser vorzubeugen. Ein Schwimmen im Uferbereich und in gekennzeichneten Badezonen schließt die Gefahr des Ertrinkens zwar nicht aus, reduziert jedoch das Risiko und ermöglicht im Fall drohenden Ertrinkens eine schnelle Hilfe.“
Wie erkenne ich, ob jemand ertrinkt?
Zunächst verhalten sich Ertrinkende ruhig und versuchen, von alleine wieder an das rettende Ufer zu gelangen. Lässt die Kraft nach, können sie nicht mehr mit den Armen wedeln. Und auch nach Hilfe rufen können Ertrinkende nicht mehr. Denn kommt Wasser in die Lunge, krampft der Kehlkopf. Ein weiteres typisches Anzeichen für jemanden, der zu ertrinken droht: Der Körper „steht“ oftmals senkrecht im Wasser.
Tückisch: All das geht rasch und geräuschlos vonstatten. Marc Hasenjäger vom DLRG erklärt, dass Ertrinken ein leiser und kurzer „Vorgang“ sei. Ertrinkende rufen in der Regel selten laut nach Hilfe. Sie winken auch meistens nicht oder machen sich irgendwie bemerkbar. Innerhalb von 20 bis 60 Sekunden verschwinden sie von der Wasseroberfläche.
Wie soll man Erste Hilfe leisten bei einem Ertrinkenden?
Sofort Hilfe rufen: 112 wählen! Andere Badegäste oder Passanten ansprechen und auf die Situation aufmerksam machen. Eine Person sollte an der Zufahrt warten und dem Rettungswagen den Weg weisen. Das spart Zeit!
Ganz wichtig: Sich nicht selbst als Helfer in Gefahr bringen. In einer Notsituation können sich auch Retter überschätzen. Wer nicht schwimmen kann, sollte zumindest Gegenstände zum Festhalten ins Wasser werfen: Rettungsring, Luftmatratze, Volleyball oder einen Ast. Und auf jeden Fall am Standort bleiben. Denn sollte der Ertrinkende bereits untergegangen sein, muss man den Rettungshelfern die Stelle zeigen.
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Wie retten Schwimmer Ertrinkende?
Wer schwimmen kann, muss bedenken: Ertrinkende greifen nach allem, was ihnen Halt gibt. Bedeutet: Auch der Retter kann umklammert und heruntergezogen werden! In der Notsituation muss jeder Retter vorsichtig sein und abwägen, wie gefährlich die Lage für einen selbst ist.
Wer kann und die Kraft hat, sollte bei einem Ertrinkenden den Kopfschleppgriff anwenden. Der Retter ist dabei hinter dem Ertrinkenden und greift ihn mit beiden Händen am Kopf. Die Finger sollten unter dem Kinn gehalten werden und die Daumen hinter den Ohren. Wichtig: Die Kehle darf nicht zugedrückt werden. In Rückenlage an Land schwimmen.
Achselschleppgriff, wenn der Ertrinkende bei Bewusstsein ist
Auch mit dem Achselschleppgriff kann Leben gerettet werden. Der Retter ist hinter dem Ertrinkenden und greift ihm unter die Achseln. In Rückenlage an Land schwimmen. Der DLRG hat für die Rettung von Ertrinkenden ein Ausbilder-Handbuch online gestellt.
Männer sind meist Opfer unter Ertrinkenden
Viele Badende schätzen die Situation und die eigene Kraft falsch ein. Achim Haag ist der Präsident des DLRG. Zu den Zahlen der Badeunfällen im vergangenen Jahr sagt er: „Leichtsinn, Selbstüberschätzung oder Unkenntnis über die Gewässer waren die häufigsten Ursachen.“ Er fügt an, dass unter den Opfern eines Badeunfalls rund 80 Prozent Männer sind. „Männer sind offenbar risikobereiter und überschätzen ihre eigenen Kräfte.“
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Achtung bei Badeseen
Unterschätzte Falle: Badeseen und Baggerseen haben keine Strömung. Dort ertrinken laut DLRG mit Abstand die meisten Menschen. Warum? Das Wasser steht und hat an der Oberfläche eine konstante Temperatur. In rund zwei Metern Tiefe ändert sich das. Ab da wird das Wasser deutlich kälter: bis zu 15 Grad!
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Wer vom Sonnenbad Abkühlung sucht und in den See spring, kann einen Kälteschock erleiden. Folge: Muskelkrampf, Kreislaufzusammenbruch, Herzrhythmusstörungen. Infolge des Kälteschocks setzt für den Badenden schnell Ohnmacht ein, er kann sich nicht mehr bewegen und geht unter.