7. September 2021, 11:26 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Mithilfe von Elektroden lästige Fettpolster loswerden und Muskeln aufbauen, das Ganze ohne Schweiß und mit geringem Zeitaufwand. Das ist der Traum vieler Sportmuffel! Elektromyostimulation (EMS) soll ihn wahr werden lassen. Doch geht das wirklich? FITBOOK erklärt, wie die Trainingsmethode funktioniert und warum sie bei einigen Menschen wenig sinnvoll ist.
Nur 20 Minuten pro Woche sollen reichen, um den Körper fit zu machen. Wenn das kein verheißungsvolles Argument für Training mit Elektromyostimulation (EMS) ist! Viele Menschen glauben, dass die Elektrostimulation der Muskeln das übliche Fitness- und Ausdauertraining ersetzen kann. Doch das ist nicht der Fall. Wir erklären, warum das so ist, wie EMS funktioniert und für wen es sich am besten eignet.
Übersicht
Wie funktioniert EMS-Training?
Ursprünglich kommt die elektrische Muskelstimulation aus dem medizinischen Bereich und wird schon seit Jahren bei der Rehabilitation nach Verletzungen zum Muskelaufbau benutzt. Dabei werden leichte Stromimpulse in bestimmte Muskelgruppen geleitet, um sie anzusprechen und eine Kontraktion zu bewirken. So wird das Muskelwachstum angeregt.
Beim EMS-Training trägt man spezielle, hautenge Kleidung, die mit einem Stromimpulsgenerator verbunden wird. Damit kann der Trainer für jeden Teil des Körpers die Stromimpulsstärke einzeln regulieren.
Bei der ersten Trainingseinheit wird bestimmt, welche Stromstärken noch als angenehm empfunden werden. Der Wert wird abgespeichert und für weitere Sitzungen genutzt. Die Impulse sollten sich wie ein Kribbeln anfühlen – ohne jedoch einen Schmerz auszulösen.
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Beim EMS-Training muss man nichts tun? Irrtum!
Ein großer Irrtum ist die Annahme, dass EMS quasi von alleine funktioniert. Dem ist nicht so. Man wird von einem Trainer durch verschiedene Übungen geleitet. Dabei spannt man für ein paar Sekunden die Muskeln an und entspannt sie wieder. Übungen, die normalerweise eher leicht fallen, sind unter Strom wesentlich schwerer auszuführen. So kommt man schnell ins Schwitzen.
Zudem werden auch Muskeln aktiviert, die normalerweise nicht so leicht zu erreichen sind. Damit ist Muskelkater nach den ersten Sitzungen garantiert. Bei unsportlichen Menschen kann er besonders stark ausfallen.
EMS nicht mehr als einmal pro Woche
Das ist der große Vorteil dieses Trainings: Eine Session dauert in der Regel 20 Minuten – und das pro Woche. Mehr als einmal wöchentlich wird nicht empfohlen, da die Regenerationszeit besonders lang ist. Wenn Studios zwei Sitzungen pro Woche anbieten, dann meist einmal Kraft- und einmal Ausdauertraining im Abstand von mehreren Tagen.
Wie effektiv ist EMS-Training?
Die Antwort darauf richtet sich nach der persönlichen Ambition. Dass bereits ein EMS-Training pro Woche Effekte erzielen kann, bedeutet nicht, dass das persönliche Trainingsziel erreicht ist. Wenn große Muskel- und/oder Kraftzuwächse das Ziel einer Person sind, kann einzig und allein ein (EMS-)Training pro Woche zu wenig sein. Man kann EMS als eine Variante des Kraft- bzw. Ausdauertrainings bezeichnen, die auch von einigen Leistungssportlern eingesetzt wird, um das Training zu variieren und dem Körper einen neuen Reiz zu geben.
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Für wen ist EMS-Training geeignet?
Flapsig gesagt: für Sportfaule, aber auch solche, die wenig Zeit für Workouts haben. Hier kann EMS tatsächlich einen Beitrag dazu leisten, wenigstens einmal in der Woche z. B. das Muskelwachstum anzuregen. Das ergab etwa eine große Auswertung verschiedener Studien zur Wirksamkeit des EMS-Trainings, durchgeführt in Zusammenarbeit zwischen der Universität Erlangen-Nürnberg, der Technischen Hochschule Kaiserslautern und der Deutschen Sporthochschule in Köln.1
Laut den Wissenschaftlern können besonders Menschen im mittleren und höheren Alter von der EMS-Methode profitieren: So hätten bei meisten Probanden Muskelmasse und -stärke zugenommen. Zudem gingen bei vielen insbesondere Schmerzen im Bereich des unteren Rückens zurück. Weniger attraktiv dürfte EMS für Menschen sein, die sehr gut trainiert sind und gerne an ihre körperlichen Grenzen gehen. Bei EMS sind besser Menschen aufgehoben, die eine enge Betreuung wollen und/oder besonders motiviert werden möchten.
Ist Elektromyostimulation sicher?
In der oben genannten Studienauswertung der deutschen Hochschulen wurde insbesondere auch die Sicherheit von EMS untersucht. Laut den Forschern wurde in keiner der Studien von unerwünschten Nebenwirkungen der Teilnehmer berichtet, obwohl einige der Studien bis zu 12 Monate dauerten. In nur vier von 23 ausgewerteten Studien sei jeweils ein Proband vorzeitig ausgestiegen, weil er sich unwohl fühlte beim EMS-Training. Die Abwesenheit von Nebenwirkungen sei insbesondere deswegen beachtenswert, weil es sich bei den Probanden um unsportliche Teilnehmer im mittleren und hohen Alter handelte, resümieren die Forscher.
Bedenken Sie jedoch, dass es – wie bei normalem Sport auch – zu Schädigung von der Muskulatur kommen kann. Übersteigt die Muskelschädigung ein bestimmtes Niveau, kann es schädlich werden. Das ist allerdings bei fachgerechtem Einsatz von EMS nicht zu erwarten, da die Übungen stets von einem Trainer überwacht werden.
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Grundsätzlich ist es wichtig, vor Beginn des EMS-Trainings medizinische Fragen geklärt zu haben. Hierzu zeigen Richtlinien auf, bei welchen Indikationen EMS Training gar nicht möglich ist (z.B. Krebserkrankungen, akute Verletzungen, offene Wunden, Schwangerschaft und einige mehr) und bei welchen Indikationen ein EMS Training ggf. nur eingeschränkt durchführbar ist.
Die Kosten von EMS-Training
Eine große Hürde beim EMS-Training ist der Preis. Obwohl die Kosten dank der Konkurrenz vieler Anbieter mittlerweile gesunken sind, muss man immer noch mit mindestens 20 Euro für eine 20-Minuten-Session rechnen. Zum Vergleich: So hoch ist oftmals die monatliche Mitgliedsgebühr in einem günstigen Fitnessstudio. Wer EMS machen möchte, muss im Monat also mit Kosten zwischen 80 und 100 Euro rechnen.
Insofern ist hier die Zielgruppe schnell begrenzt. Wer jedoch weiß, dass er sich nicht motivieren kann, ins Fitnessstudio zu gehen, auch sonst ein Bewegungsmuffel ist und es sich leisten kann, der sollte sich das EMS-Training ruhig gönnen.
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Quellen
- 1. Kemmler W., Weissenfels A., Willert S. et al. Efficacy and Safety of Low Frequency Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) to Improve Health-Related Outcomes in Non-athletic Adults. A Systematic Review. Frontiers in Physiology (2018, aufgerufen am 19.08.2021)
Fachliche Beratung u.a. durch Dr. Christoph Zinner, Experte für die Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit von der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV).