25. August 2021, 20:44 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Bei den Paralympics in Tokio holte Radsportlerin Denise Schindler auf der Bahn die erste Medaille für Deutschland. Die lange Vorbereitung auf die Spiele hat sich für die 35-Jährige also bereits gelohnt. Doch wie genau hat die Münchnerin eigentlich für den Wettbewerb trainiert? Wir sagen nur: Radfahren in der Sauna.
Im Alter von zwei Jahren verlor die Münchnerin bei einem Unfall ihr rechtes Bein. Nach harten Jahren mit vielen medizinischen Behandlungen fand Denise Schindler als junge Erwachsene zum Radsport und schließlich zum Leistungssport. Jetzt gewann sie bei den Paralympics in Tokio mit Bronze die erste Medaille der Spiele überhaupt, die erste für Deutschland und die erste für sich selbst auf der Bahn. Bei vergangenen Paralympischen Spielen gewann sie zweimal Silber und einmal Bronze auf der Straße. Für den Wettbewerb in Tokio bereitete sich die Athletin u. a. mit Tabata-Workouts vor. Aber auch, indem sie mit dem Rad auf der Rolle in der Sauna trainierte. FITBOOK sprach mit einem Experten darüber, was hinter dem Hitzetraining steckt und was dabei im Körper geschieht.
Übersicht
Mit dem Rad in die Sauna
Schon bei den Olympischen Spielen im Juli wurde das heiße Klima Tokios bzw. Japans für viele Athleten zur großen Herausforderung. Temperaturen um die 40 Grad und hohe Luftfeuchtigkeit, von diesen Bedingungen wollte sich Denise Schindler in Tokio nicht überraschen lassen. Um sich daran zu gewöhnen, in diesem Klima Höchstleistungen abrufen zu können, trainierte die Athletin schon in Deutschland bei möglichst ähnlichen Verhältnissen. Dafür setzte sie sich mit ihrem Rad in einer Sauna auf einen Rollentrainer. Ein schweißtreibendes Training bei 70 Grad, das auch der extrem fitten Radsportlerin überhaupt keinen Spaß machte. „Es ist extrem unangenehm in der Sauna zu trainieren, da ist ja kaum Luftzirkulation“, verriet Denise Schindler vor Kurzem im Interview mit „BR 24“. Beim Training wurde zudem die beste Kühlstrategie ermittelt – mithilfe einer Kühlweste und Messung der Körperkerntemperatur.
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Akklimatisierung durch Training in der Sauna
Was genau hinter der Hitzegewöhnung oder Akklimatisierung steckt, für die Denise Schindler mit dem Rad in der Sauna trainierte, erklärt uns Prof. Thimo Wiewelhove, Professor für Trainingswissenschaft an der IST-Hochschule in Düsseldorf. „Unter Hitzebedingungen ist man nicht mehr so leistungsfähig wie bei Temperaturen von beispielsweise 10 bis 15 Grad. Das liegt u. a. daran, dass unter Hitze die Körperkerntemperatur schneller und stärker ansteigt. Es kommt zu einer rascheren Hyperthermie (Überwärmung, Anm. d. Red.) und auch die Dehydrierung nimmt stärker zu, also der Flüssigkeitsverlust über das Schwitzen. Das führt dann zu einer Abnahme der Ausdauerleistungsfähigkeit.“
Indem man sich vorher akklimatisiert, kann man seine Leistungsfähigkeit bei Hitze erhöhen. Dafür kann man in den Wochen vor dem Wettkampf beispielsweise in eine Region mit ähnlichem Klima reisen und sich dort vorbereiten. Eine andere Möglichkeit ist die von Denise Schindler gewählte – die Sauna.
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Physiologische und mentale Anpassungen
Doch was passiert bei der Akklimatisierung eigentlich im Körper? Prof. Wiewelhove erläutert: „Es gibt unterschiedliche physiologische Effekte. Unter anderem nimmt das Blutplasma zu. Außerdem nimmt die Schweißmenge zu und der Zeitpunkt einer hohen Schweißrate verschiebt sich etwas nach vorne. Also die Thermoregulation (Aufrechterhaltung einer konstanten Körperkerntemperatur, Anm. d. Red.) funktioniert einfach besser. Zusätzlich nimmt der Elektrolytverlust über den Schweiß ab. Also alles positive physiologische Anpassungen, die letztendlich zu einer Anpassung der Leistungsfähigkeit unter Hitzebedingungen führen.“
Die Akklimatisierung kann darüber hinaus auch psychisch vorteilhaft sein. „Wenn man sich im Vorfeld eines Wettkampfs schon unter Hitze belastet und gefühlt hat, was da so passiert – zum Beispiel, wie es sich anfühlt, sehr heiße Luft einzuatmen – dann kann das auch einen positiven, mentalen Effekt haben. Man geht dann vielleicht mit mehr Selbstvertrauen in den Wettkampf. Man weiß, was auf einen zukommt und kann mit der Situation besser umgehen, weil sie nicht mehr fremd ist“, so Prof. Wiewelhove.
Um die gewünschten physiologischen und mentalen Effekte zu erzielen, muss man entsprechend Zeit investieren. Wenn man vorab in ein ähnlich heißes Land reist, dann sollte man 14 Tage für die Akklimatisierung einplanen, beim Training in simulierter Umgebung wie einer Sauna sind etwa 8 Trainingseinheiten notwendig.
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Trainieren wie Denise Schindler?
Für Profi-Athleten wie Denise Schindler, die Wettkämpfe in heißen Regionen absolvieren, sei eine Akklimatisierung sehr sinnvoll, erklärt Prof. Wiewelhove im FITBOOK-Interview, doch auch für Freizeit- oder Breitensportler wie z. B. Triathleten könne das gut sein. „Wenn man beispielsweise in den Urlaub in den heißen Süden fährt und auch dort trainieren möchte, kann man sich darauf vorbereiten, indem man zu Hause schon mal ein paar Trainingseinheiten auf der Radrolle zum Beispiel vor der Heizung macht.“
Bei der Akklimatisierung sollte man aber immer darauf achten, es mit der Hitze nicht zu übertreiben. So seien 70 Grad in der Sauna in Ordnung, bei 100 Grad sei die Hitzebelastung dagegen zu hoch. Außerdem sei natürlich wichtig, den hohen Flüssigkeitsverlust durch entsprechend viel trinken wieder auszugleichen.