5. November 2024, 11:06 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wer vor dem Frühstück trainiert, soll angeblich bei der Fettverbrennung profitieren, heißt es immer wieder. Doch ist Sport auf leeren Magen wirklich effektiv? FITBOOK hakte bei Experten nach.
Grundsätzlich braucht unser Körper Energie, um beim Sport auf Höchstleistungen zu kommen. Ist Essen vor dem Training unerlässlich, um die Energiespeicher aufzufüllen? Nein, sagen manche Sportler: Training auf nüchternem Magen verbrennt angeblich mehr Fett. Doch stimmt das überhaupt? Und ist das auch gesund? Darauf haben Sportmediziner Dr. Dr. Michael Despeghel und Enrico Zessin, Arzt in Weiterbildung für Innere Medizin und Sportmedizin geantwortet.
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Übersicht
- Warum auf leeren Magen trainieren?
- Studie belegt positiven Effekt
- Wer Muskeln entwickeln will, sollte vor dem Training essen
- Hat Training auf nüchternem Magen Risiken?
- Was ist die Train-Low-Compete-High-Methode?
- Verhindert Training auf nüchternem Magen den Muskelaufbau?
- Die richtige Ernährung nach dem Training
- Quellen
Warum auf leeren Magen trainieren?
Die These lautet: Auf nüchternem Magen zapft der Körper die Fettpolster an, um an Energie zu kommen. Der Verbrennungsapparat arbeitet auf Hochtouren. Ist das Trainingsziel vor allem Gewichtsabnahme, kann ein Training auf nüchternen Magen den gewünschten Gewichtsverlust begünstigen. Viele empfinden Sport auf leeren Magen ohnehin als angenehmer.
„Das macht insofern Sinn, als wir am Morgen bereits in einem Energiedefizit sind. Durch die Regenerationsmaßnahmen während der Nacht verbraucht der Körper Energie, sodass ein durchschnittlicher Mann am Morgen ca. 500 Kilokalorien im Defizit ist“, erklärt Enrico Zessin FITBOOK. „Wird dann Energie durch körperliche Betätigung benötigt, wird diese schneller durch die Fettverbrennung bereitgestellt, da die Kohlenhydratspeicher erschöpft sind.“ So zumindest die Theorie.
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Studie belegt positiven Effekt
Ein britisches Forscherteam um Dr. Rob Edinburgh von der University of Bath kommt in einer im Oktober 2019 erschienenen Studie hingegen zu dem Ergebnis, dass Trainieren vor dem Frühstück sehr wohl die Fettverbrennung ankurbelt: Vor dem Frühstück werde laut Edinburgh doppelt so viel Fett verbrannt als danach.1 An der Studie nahmen 30 übergewichtige Männer teil. Eine Gruppe trainierte vor, die andere nach dem Frühstück – und zwar mit identischen Trainingseinheiten und angepasster Nahrungsaufnahme. Eine dritte Kontrollgruppe veränderte ihr Verhalten hingegen gar nicht.
Die Autoren der Studie sagen zwar, dass die Probanden im Studienzeitraum von sechs Wochen gleichermaßen abgenommen hätten – egal, ob sie vor dem Frühstück oder danach trainierten. Was die Gewichtsreduktion angeht, macht der Zeitpunkt, wann trainiert wird, demnach keinen Unterschied. „In der Endkonsequenz geht es ja um die Energiebilanz, d.h. wie viel Energie am Tag verbraucht wird und wie viel hinzugefügt wird. Wenn mehr verbraucht als zugefügt wird, nimmt man schließlich ab“, kommentiert Zessin die Studienerkenntnisse.
Co-Autor der Studie Dr. Javier Gonzales betont jedoch den großen Gesundheitsgewinn durch das nüchterne Trainieren: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Änderung des Zeitpunkts der Nahrungsaufnahme im Vergleich, wann man Sport treibt, tiefgreifende und positive Veränderungen des allgemeinen Gesundheitszustandes mit sich bringt.“2 Und zwar, weil der Körper besser auf Insulin anspreche, wenn vor dem Frühstück trainiert werde. Der Blutzuckerspiegel werde besser unter Kontrolle gehalten und möglicherweise werde das Risiko gesenkt, an Diabetes oder Herzleiden zu erkranken. „Gewichtsreduktion und balancierte Blutzuckerregulation wirken dem metabolischem Syndrom, also zu viel Bauchfett, hohe Blutzucker- und Blutfett-Werte sowie Bluthochdruck und somit Herzkreislauferkrankungen entgegen“, stimmt Zessin den Ergebnissen zu.
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Wer Muskeln entwickeln will, sollte vor dem Training essen
Auch der Sportwissenschaftler Dr. Dr. Michael Despeghel sieht im Trainieren vor dem Frühstück viele positive Aspekte. Er differenziert jedoch beim Trainingsziel: „Geht es nur darum, eine Gewichtsreduktion zu unterstützen, ist das Trainieren mit leerem Magen sicherlich eine gute Methode. Die Fettverbrennung wird optimiert, weil in der Insulintiefphase keine störenden Elemente vorhanden sind, die die Fettverbrennung blockieren. Die Gewichtsabnahme ist aber nur marginal, wenn die Probanden sich weiterhin zu kalorienhaltig ernähren.“
Wer hingegen trainiert, um Muskeln aufzubauen, sollte vor den Übungen etwas essen. Despeghel erklärt: „Ein Training vor dem Frühstück wirkt nie anabol. Erst, wenn der Körper vor dem Training optimal mit Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett versorgt wird, kann er Muskeln aufbauen. Zudem ist die Leistungsfähigkeit mit leerem Magen gar nicht hoch genug, um die Leistung beim Training auf Dauer zu halten.“ Despeghel empfiehlt allen, die Muskelmasse entwickeln wollen und ausreichend Geduld und Zeit mitbringen, ein Training mit vorheriger Nahrungsaufnahme. „Zudem steigt das Verletzungsrisiko durch Überlastung und ggf. verringerte Aufmerksamkeit“, merkt Zessin an. Für optimale Bedingungen zu sorgen, habe demnach positive Leistungseffekte.
Hat Training auf nüchternem Magen Risiken?
Wer morgens sowieso schon unter Kreislaufproblemen leidet, sollte auf Nüchterntraining lieber verzichten. Schwindel aufgrund des niedrigen Blutzuckers und Unwohlsein könnten Schwächeanfälle zur Folge haben. Dementsprechend hoch sei die Verletzungsgefahr. Bei Personen, die bereits geschwächt oder Diabetiker sind, könnte es zu einem Zuckermangel und Hypoglykämie kommen. Symptome der Hypoglykämie bzw. Unterzuckerung sind Herzrasen, Schwitzen und Zittern. Achtung: Fällt die Blutzuckerkonzentration immer weiter ab, kann es im schlimmsten Fall zu einem hypoglykämischen Schock kommen, der lebensgefährlich ist. Traubenzucker oder eine zuckerhaltige Saftschorle bietet schnelle Hilfe.
Entscheidet man sich trotz der Risiken, auf leeren Magen zu trainieren, gibt es einiges zu beachten:
- Morgens Sport machen: So lassen sich lange Zeitabschnitte ohne Essen verhindern
- Vor dem Training ein Glas Wasser trinken
- Lieber eine kurze Jogging-Einheit als Krafttraining mit Gewichten
- Die Intensität des Trainings niedrig halten
Was ist die Train-Low-Compete-High-Methode?
Die Train-Low-Compete-High-Methode ist ein Trend, der bei Ausdauersportlern, z. B. Marathonläufern, sehr verbreitet ist. Meist wird dabei mit einem armen Kohlenhydratspeicher trainiert. Brot, Nudeln, etc. sind dann tabu. Intensive Trainingseinheiten und Wettkämpfe hingegen werden mit einem vollen Speicher bestritten. Dies soll vor allem den Fettstoffwechsel und die Mitochondrienbildung (Mitochondrien werden auch die Kraftwerke der Zellen genannt) anregen und trainieren.
Sportmediziner Enrico Zessin warnt jedoch vor den möglichen Folgen einer solchen Ernährung. Ihm zufolge sei das Risiko eines Energiedefizits und einem daraus resultierenden RED-Syndrom, das aus einer Kombination aus Übertraining und einer zu geringen Kalorienaufnahme entstehen kann, zu groß.
Verhindert Training auf nüchternem Magen den Muskelaufbau?
Ein weiterer Punkt, den Kritiker hervorbringen, ist, dass Nüchterntraining Muskelaufbau verhindert bzw. Muskelabbau begünstigt. Die These ist, dass sich der Körper die benötigte Energie aus dem Abbau von Muskelproteinen holt. Das stimmt nur zum Teil. Der Körper speichert Zucker als Glykogen in Leber und Muskeln und bezieht daraus während des Sports die nötige Energie. Erst wenn dieses Glykogenpolster ausgeschöpft ist, würde der Körper beginnen, die Energie aus dem Muskelabbau zu gewinnen. Zu diesem Punkt kommt es in der Regel nicht. „In extremen Fällen kann dies vorkommen, was ich auch bei einigen Athleten schon erlebt habe. Diese führten aber eine sehr abstruse Diät bei intensivem Sport durch, wodurch sich dieser Prozess stoffwechselphysiologisch auch erklären lässt. Nach Umstellung der Diät gelang dann wieder eine Muskelzunahme und Leistungssteigerung“, so Zessin.
Möchten sehr schlanke Menschen Muskeln aufbauen, ist es nicht ratsam, Mahlzeiten vor dem Sport auszulassen. Sie sollten eher auf eine erhöhte Kalorienzufuhr achten, um damit die Muskeln zu „füttern“.
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Die richtige Ernährung nach dem Training
Ein Post-Workout-Snack sollte immer eingeplant sein, unabhängig davon, ob das Ziel Gewichtsabnahme oder Muskelaufbau lautet. Etwa 30 bis 60 Minuten nach dem Sport muss der Energiespeicher des Körpers aufgefüllt werden. So kann er sich erholen und neues Muskelgewebe aufbauen. Daher braucht besonders das Glykogendepot in den Muskeln die richtigen Nährstoffe, um sich zu regenerieren. Protein– und kohlenhydratreiche Kost verhindert den Eiweißabbau in den Muskeln. „Zudem braucht nach langen und intensiven Einheiten besonders das Immunsystem viel Energie, um die durch das Training aufgetretenen Microverletzungen zu reparieren“, erklärt Zessin. „Des Weiteren ist auf eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr zu achten.“
Empfohlene Nahrungsmittel sind z.B.:
- Kartoffeln
- Reis
- Eier
- Fisch
- Fleisch
- Magerquark
- Proteinshakes
Fazit: Gegen eine lockere Laufrunde auf nüchternen Magen spricht nichts, solange man auf eine ausreichende Energiezufuhr nach dem Workout achtet und die Intensität des Trainings niedrig hält.