17. Dezember 2024, 4:10 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Der Fitnesshype und seine Community wächst – und damit nicht nur das Körperbewusstsein und das Wissen um die Vorteile für die Gesundheit, sondern auch die körperlichen Idealbilder, die vor allem auf Social Media verbreitet werden. Junge Männer und Frauen neigen dazu, sich diesem Ideal anpassen zu wollen. Dazu gehört oftmals, einen möglichst wenig Körperfett bei gleichzeitig hoher Muskelmasse zu erreichen. Fitnessökonomin und FITBOOK-Expertin Alina Bock erklärt am Beispiel von Bodybuilding, wie sich intensives Training, restriktive Diät und geringer Körperfettanteil auf den weiblichen Körper auswirken können.
Das weibliche Bodybuilding entstand in den 1970er-Jahren in den USA und hat inzwischen auch in Deutschland eine Anhängerschaft gefunden. Wer seinen Körper in Idealform auf der Bühne präsentieren möchte, der muss jedoch einem harten Trainings- und Ernährungsplan folgen. Welche Auswirkungen der Bodybuilding-Lifestyle auf die Psyche und den Körper von Frauen haben kann, erklärt Fitnessexpertin Alina Bock.
Jetzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!
Übersicht
Frauen und Bodybuilding: Klassen und Bewertungskriterien
Der Begriff „Bodybuilding“ setzt sich aus den englischen Wörtern „body“ für „Körper“ und „building“ für „bauen“ oder in unserem Fall „gestalten“ zusammen. Jemand, der Bodybuilding betreibt, der übt den Fitnesssport mit dem Ziel der aktiven Körpergestaltung, meist durch gezieltes Muskelaufbautraining, aus. Wie in vielen anderen Sportarten gibt es auch im Bodybuilding Wettkämpfe. Der Unterschied zu anderen Sportarten lässt sich einfach erklären: Bei Bodybuilding-Wettkämpfen geht es nicht darum, die beste sportliche Leistung auf der Bühne zu erbringen, wie beispielsweise beim Zehnkampf. Stattdessen steht die Optik im Vordergrund. Der Körper wird in einer selbst gewählten Kür und in vorgegebenen Posen dargestellt. Wer die Bewertungskriterien der Klasse am besten erfüllt, gewinnt. Damit die Jury den Körper der teilnehmenden Frauen optimal bewerten kann, tragen die Athletinnen einen angefertigten Bikini.
Möchte eine Frau an einem Bodybuilding-Wettkampf teilnehmen, hat sie die Wahl zwischen den Klassen Bikini, Wellness, Figur und Physique. Die Klassen unterscheiden sich vor allem im Umfang der Muskelmasse und -definition, die es zu erreichen gilt. So geht es bei der Bikiniklasse eher um ein attraktives trainiertes, aber noch weibliches Gesamtbild mit großem Augenmerk auf Ausstrahlung und Präsentation, bei der „Women’s Physique“ hingegen um extreme Muskelmasse und -definition sowie Vaskulösität (Hervortreten der Venen). Die Klassen unterteilen sich zusätzlich noch mal in Alterskategorien und nach Größe.
Training und Ernährung
Frauen, die sich für eine der oben aufgeführten Klassen entscheiden, steht eine ausgiebige Wettkampfvorbereitung bevor. Erst einmal muss der Umfang an Muskelmasse für die jeweilige Klasse vorhanden sein. Dies ist meist, vor allem in der Wellness-, Figur- und Physique Klasse erst nach jahrelangem hartem Training und Muskelaufbau der Fall.
Ist die Muskelmasse vorhanden, so kann die Athletin sich für einen Wettkampf anmelden und vorbereiten. Je höher der Körperfettanteil, desto länger die Diätphase. Mehrheitlich haben Bodybuilderinnen jedoch durch ihr hohes Sportpensum und ihre entsprechende Ernährung keinen allzu hohen Fettanteil, sodass einige Monate zur Vorbereitung ausreichen. Im Vergleich zu den anderen Klassen weisen der Frauen in der Bikiniklasse den höchsten Körperfettanteil auf, da hier mehr auf Femininität und einen weicheren Gesamteindruck geachtet wird.1
Auch interessant: Rebecca Barthel: »Auf dieses Training sollten Frauen in den Wechseljahren setzen
Sportpensum
Das Krafttraining-Pensum verändert sich in der Wettkampfvorbereitung meistens nicht. Trainierte einen Bodybuilderin vor ihrer Diät fünf- bis sechsmal wöchentlich, setzt sie das während der Diätphase fort. Was sich jedoch verändert, ist das Cardiotraining. Dieses wird zusätzlich zum Krafttraining für gewöhnlich drei- bis fünfmal wöchentlich, je nach Körperfettanteil, durchgeführt. Merkt man, dass der Körperfettanteil noch zu hoch ist, kann man das Pensum erhöhen, um die Kalorienzufuhr nicht noch mehr einzuschränken.
Diät
Neben dem Kraft- und Cardiotraining verändert sich die Ernährung: Um den Körperfettanteil zu reduzieren, wird in ein Kaloriendefizit gegangen. Meist verringert sich dieses im Laufe der Diät. Wie stark ins Defizit gegangen wird, ist eine individuelle Entscheidung der Athletin. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass die Bodybuilderinnen den Proteinanteil hochhalten, Fette und Kohlenhydrate reduzieren. Dies lässt sich jedoch nicht pauschalisieren, da es durchaus Diäten gibt, die sich anders zusammensetzen. Wie beispielsweise die ketogene Ernährung, in der hauptsächlich Fette und Eiweiß zu sich genommen werden und fast gänzlich auf Kohlenhydrate verzichtet wird.
Auswirkungen auf die Psyche
Eine Wettkampfvorbereitung geht mit einer restriktiven Ernährung einher. Die Mahlzeiten werden auf das Gramm genau getrackt und streng über den Tag verteilt. Ausnahmen, beispielsweise in Form von Süßigkeiten, sind in den meisten Fällen tabu. Die restriktive Ernährungsweise und die Entwicklung von Gelüsten während der Diät führen oftmals zu einem ungesunden Essverhalten nach der Wettkampfvorbereitung.
Studien weisen darauf hin, dass Bodybuilding-Athletinnen ein hohes Risiko haben, Essstörungen zu entwickeln. Eine Studie mit 348 Fitnessathletinnen, die 2020 im „European Journal of Sport Science“ erschienen ist, fand mithilfe einer Online-Befragung heraus, dass ungefähr die Hälfte der Fitnessathletinnen (46,6 Prozent) eine Essstörung entwickelt hatte. Außerdem beteiligten sich 48,9 Prozent der Teilnehmerinnen in den letzten drei Monaten an besorgniserregenden Maßnahmen zur Regulierung ihres Gewichts. Zu diesen Maßnahmen zählten Essanfälle, Abführmittelgebrauch sowie selbstinduziertes Erbrechen.2
Eine weitere Studie, die im Januar 2022 im Online-Magazin „Plos One“ erschienen ist, bestätigt diese Erkenntnisse.3 In dieser wurden 158 Bodybuilderinnen bezüglich ihres Essverhaltens und Einstellung zum Essen online befragt. Die Studie sah 37 Prozent der Athletinnen gefährdet, eine Essstörung zu entwickeln.
Fitnesstrainerin berichtet „Meine Vorbereitung auf den Bikini-Wettkampf im Bodybuilding hatte dramatische Folgen“
FITBOOK-Interview Ex-Bodybuilderin Rebecca Barthel: „Irgendwann habe ich mich gefragt, ob ich das wirklich will“
Spannende Forschungserkenntnisse Wie effektiv ist Laufen wirklich zum Abnehmen? Eine Studie hat es untersucht
Auswirkungen auf den weiblichen Zyklus
In Vorbereitung auf einen Bodybuilding-Wettkampf ist ein äußerst geringer Körperfettanteil vonnöten, um die Muskulatur sichtbar zu machen. Oftmals liegt dieser bei unter 12 Prozent.
Zum Vergleich: Laut der Akademie für Sport und Gesundheit liegt der normale Körperfettanteil bei Frauen im Alter von 20 bis 39 Jahren zwischen 21 und 32,9 Prozent.4 Er ist essenziell, um den Hormonhaushalt zu regulieren. Ein zu geringer Körperfettanteil kann zu einem gestörten Hormonhaushalt führen, welcher wiederum zu der sogenannten Amenorrhö, dem Ausbleiben der Periode, führen kann.
Eine Studie, welche im Juni 2024 im „Plos One“ erschienen ist, befragte 104 Bodybuilding-Athletinnen zu ihrem Zyklus. Die Studie ergab, dass bei 58,65 Prozent der Teilnehmerinnen schon einmal Zyklusstörungen (Ausbleiben der Periode bei drei oder mehr aufeinanderfolgenden Monaten) auftraten.5
„Female Athlete Triad“
Das „Female Athlete Triad“, welches 1992 von der US-amerikanischen Vereinigung für Sportmedizin geprägt wurde, beschreibt ein Syndrom, bei dem geringe Energieverfügbarkeit, Menstruationsstörungen sowie eine geringe Knochenmineraldichte miteinander wechselwirken. Das Syndrom kommt vor allem bei den Sportarten häufig vor, bei denen Athleten ein geringes Körpergewicht bzw. einen geringen Körperfettanteil – häufig aus Ästhetikgründen – anstreben. Dies kann bei Fitnessathletinnen, Eiskunstläuferinnen, Turnerinnen oder Vertreterinnen ähnlicher Sportarten vorkommen. Somit ist nicht nur das Ausbleiben der Periode an sich zu bedenken, sondern darüber hinaus auch die Folgen der geringen Kalorienzufuhr.
Gestörter Hormonhaushalt
Ein gestörter Hormonhaushalt, vor allem die Abnahme des weiblichen Sexualhormons Östrogen, kann zu einer Störung des Knochenumbaus und einer beschleunigten Knochenresorption führen. Ein Bericht der „Sport Health“ aus dem Jahr 2012 bestätigt diese Tatsache und untermauert die Erkenntnis mit dem Ergebnis, dass Sportlerinnen, die unter Amenorrhö leiden, eine 10 bis 20 Prozent geringere Knochendichte der Lendenwirbelsäule aufwiesen.6 Dies liege vor allem darin begründet, dass Östrogen normalerweise die Osteoklasenaktivität (Osteoklasten = knochenabbauende Zellen) hemme. Wenn der Hormonhaushalt jedoch gestört und das Hormon Östrogen weniger produziert werde, wirke sich dies negativ auf die Knochendichte aus. Dies kann wiederum zu Ermüdungsbrüchen oder auch frühzeitiger Osteoporose (Knochenschwund) führen.
Die Folgen von Bodybuilding auf den weiblichen Körper darf man nicht unterschätzen
„Für die Teilnahme an einem Bodybuilding-Wettkampf bereiten sich Fitnessathletinnen mithilfe einer reduzierten Energieaufnahme sowie einem intensiven Trainingsprogramm über Monate vor. Ziel ist es, den Körperfettanteil zu reduzieren und die Muskulatur sichtbar zu machen. Leider gibt es bis zu dem jetzigen Zeitpunkt wenig Studien, die sich mit dem Thema des weiblichen Bodybuildings und dessen Folgen beschäftigen.
Vorhandene Literatur zeigt jedoch, dass ein Großteil der Bodybuilderinnen unter Menstruationsstörungen leidet. Diese können über einen langen Zeitraum zum sogenannten „Female Athlete Triad“ führen, bei welchem Amenorrhö, eine geringe Energieverfügbarkeit sowie ein Verlust der Knochendichte miteinander wechselwirken.
Neben physischen Auswirkungen auf den Körper lassen sich außerdem psychische Folgen in Form von Essstörungen erfassen. Zu diesen zählen Essanfälle, selbstinduziertes Erbrechen und der Gebrauch von Abführmitteln. Psychische und physische Auswirkungen der Wettkampfvorbereitung enden nicht nach einem Wettkampf, sondern begleiten Wettkampfathletinnen auch noch nach der Vorbereitung.
Fitnessathletinnen sollten sich den psychischen und physischen Auswirkungen einer Wettkampfvorbereitung bewusst sein und nach der Vorbereitung zu einem gesunden und ausgewogenen Lebensstil und einem gesunden Körperfettanteil zurückkehren.“