27. Juni 2024, 4:04 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Um beim Joggen zusätzliche Trainingseffekte zu erzielen, setzen viele Läufer und Läuferinnen auf Gewichtsmanschetten. Doch für wen liefert das Zusatzgewicht auch tatsächlich den erhofften Mehrwert? Gibt es den überhaupt oder überwiegen die Nachteile? Darüber hat FITBOOK-Autor Tony Poland mit einem Experten gesprochen.
Die regelmäßige Joggingrunde mit dem eigenen Körpergewicht kann durchaus irgendwann langweilig werden. Ein neuer Reiz beim Laufen in Form von Gewichtsmanschetten kann hierbei Abhilfe schaffen. Diese zusätzlichen Gewichte sind meist mit Granulat gefüllt und in verschiedenen Ausführungen erhältlich. Die Manschetten werden für gewöhnlich am Hand- bzw. Fußgelenk per Klettverschluss befestigt und sind so ein fixer Begleiter auf der Laufstrecke. So weit, so gut. Oder doch nicht? Tatsächlich gilt es, einiges zu beachten, da sich die zusätzliche Belastung für den Körper erhöht. FITBOOK hat bei Markus Bremen, Personal Trainer, Heilpraktiker und Schmerztherapeut von „Move Better“, nachgefragt, worauf Läufer achten sollten.
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Übersicht
- Gewichtsmanschetten: Wie viel Last an welcher Körperstelle?
- Was für Gewichtsmanschetten spricht
- Laufen mit Gewichtsmanschetten: auf Zeit oder auf Distanz?
- Gewichtsmanschetten nur unter diesen Voraussetzungen!
- Was gegen Gewichtsmanschetten spricht
- Die Frage nach dem Ziel von Laufen mit Gewichtsmanschetten
- Mögliche Alternativen
Gewichtsmanschetten: Wie viel Last an welcher Körperstelle?
Entscheidet man sich für die Verwendung von Gewichtsmanschetten, geht es zunächst darum, das richtige Gewicht für sich zu wählen. Die leichtesten Manschetten gehen im Normalfall bei 0,5 Kilogramm los, die schwersten bringen es in der Regel auf fünf Kilogramm. „Für dir breite Masse sind zwei bis drei Kilo aber ausreichend“, meint der Fachmann. Anfänger sollten auf 0,5 Kilogramm zurückgreifen.
Die Last will natürlich sinnvoll verteilt werden. „In der Regel symmetrisch. Es macht auch Sinn, erstmal nur mit den Füßen am Fußgelenk oder nur mit den Armen am Handgelenk zu beginnen“, rät Markus Bremen. Fortgeschrittenere Läufer und Läuferinnen könnten Gewichtsmanschetten auch ruhig an allen vier Extremitäten anbringen. „Und dann kann man natürlich auch mit unterschiedlichen Gewichten arbeiten. An den Armen trägt man in der Regel aber etwas weniger Gewicht.“
Möglich wäre zum Beispiel folgende Variante: an beiden Armen jeweils 0,5 Kilogramm und an beiden Beinen jeweils ein Kilogramm. Heißt: Man hätte zum Einstieg ein Zusatzgewicht von drei Kilogramm. Wichtig sei auch, dass man die Gewichte nicht zu schnell steigere.
Was für Gewichtsmanschetten spricht
Vorbeugung von Osteoporose
„Es gibt ein paar Argumente dafür, die man sich überlegen könnte“, so Markus Bremen. Zum einen verbessere sich durch das Zusatzgewicht die Knochendichte. Gerade mit Blick auf ältere Menschen und Osteoporose-Prophylaxe bzw. erste rehabilitative Ansätze seien Gewichtsmanschetten ein Ansatz. Allerdings auch nur für den Fall, dass die Osteoporose noch nicht zu weit fortgeschritten sei.
Erhöhter Kalorienverbrauch
Ein zweites Argument wäre laut Markus Bremen ein erhöhter Kalorienverbrauch. „Durch das Gewicht bzw. die zusätzliche Belastung hat man einfach mehr Muskulatur, die beansprucht wird. Man hat einen höheren Reiz und dadurch einen vermehrten Energieverbrauch“, erklärt der Personal Trainer. Heißt: Mit Blick auf das Thema „Abnehmen“ können Gewichtsmanschetten durchaus Sinn machen.
Stärkung von Muskulatur und Ausdauer
„Grundsätzlich kann man natürlich auch die Stärkung der Muskulatur bzw. die Steigerung der Muskelkraft anführen“, sagt Markus Bremen. Durch mehr Muskulatur steigere sich zugleich die Ausdauerbelastung. „Man schlägt also theoretisch zwei Fliegen mit einer Klappe: Ausdauer- und Krafteffekt!“
Aber: Aufgrund der geringen Größe der Manschetten und des niedrigen Gewichts würden davon nur absolute Laufanfänger oder sehr untrainierte Menschen einen Nutzen haben. Für ambitionierte Sportler bzw. Kraftsportler hätten Gewichtsmanschetten kaum eine Wirkung.
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Laufen mit Gewichtsmanschetten: auf Zeit oder auf Distanz?
Um den richtigen Einstieg zu finden und das Laufen mit Gewichtsmanschetten Stück für Stück aufzubauen, empfiehlt Markus Bremen eine Art Intervalltraining. Wichtig vorab sei ein entsprechendes Warm-Up, etwa durch ein Lauf-ABC. So sei die Koordination schon mal wach. „Und dann läuft man in der ersten Session 500 Meter mit diesen Manschetten, vielleicht fünf- bis sechsmal. Danach lässt man sie liegen und läuft zum Ende hin ganz normal.“ So habe der Körper nochmal einen Wow-Effekt im Sinne von: „Jetzt wo was Gewicht weg ist, läuft es sich leichter.“
Nach dieser Session könne man sich beim nächsten Mal weiter steigern, zum Beispiel auf sieben Intervalle zu je 500 Metern. „Und dann geht man irgendwann dazu über, das Intervall an sich zu verlängern“, schlägt der Experte vor. „Aus 500 Metern werden 750 Meter, daraus dann 1000 Meter. So baut man sich das auf.“
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Gewichtsmanschetten nur unter diesen Voraussetzungen!
Alleine schon aufgrund der Tatsache, dass man eine korrekt ausgeführte Lauftechnik mitbringen sollte, eignen sich Gewichtsmanschetten laut Markus Bremen nicht für alle Läufer. „Das ist nichts für den Anfänger, der seine Beine gerade so einigermaßen koordiniert bekommt. Da macht es überhaupt keinen Sinn“, macht er deutlich. Für diese Gruppe empfiehlt der Dozent viel mehr sehr schnelles Gehen bzw. Power Walking. Zudem solle man schon ein gewisses Fitnesslevel nachweisen können.
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Was gegen Gewichtsmanschetten spricht
Verschlechterung der Lauftechnik
Alleine bei der Vorstellung, mit Zusatzgewicht an Armen bzw. Beinen im Laufschritt unterwegs zu, wird klar: Unser Laufbild ändert sich irgendwann zwangsläufig, vor allem mit zunehmender Müdigkeit. „Und jetzt kommt schon das Gegenargument. Die Lauftechnik kann darunter leiden“, sagt auch Markus Bremen. „Wenn es zu viel Gewicht ist, kann es die Lauftechnik sogar absolut versauen!“, warnt er. Der Schwung der Arme werde bei der Verwendung von Gewichtsmanchetten auf lange Sicht immer weniger und die Haltung des Rumpfes ändere sich.
Veränderte Haltung des Oberkörpers
Durch die Gewichtsmanschetten an den Armen könne es nämlich sein, dass man noch weiter in seine vorgebeugte Oberkörperposition fällt. „Das ist letztendlich das, was wir im Alltag haben. Wir fallen immer weiter nach vorne und die Schultern fallen weiter nach vorne“, verdeutlicht der Experte auf FITBOOK-Nachfrage. Geht man mit dieser nicht so idealen Position also Laufen, fällt man mit dem potenzierten Gewicht noch weiter nach vorne. Denn nach einer gewissen Zeit bzw. Distanz wird man einfach müde und ist nicht mehr in der Lage, die aufrechte Position des Oberkörpers zu halten. Umso wichtiger wäre also ohnehin eine trainierte Schulterblattmuskulatur, die auch im leicht ermüdeten Zustand die Aufrichtung garantiert.
Veränderte Haltung des Unterkörpers
Befestigen Einsteiger die Gewichtsmanschetten an den Beinen, könne sich außerdem die Verletzungsgefahr erhöhen. „Gerade Freizeitläufer schlurfen mehr, als sie einen ordentlichen Kniehub haben bzw. sie das Bein anheben. Und sie haben kaum Schienbeinmuskulatur. Dadurch schleifen die oft mit dem Fuß am Boden und es kommt eventuell sogar zu Stolpersituationen, weil die Füße nicht richtig angezogen werden“, führt der Diplom-Sportwissenschaftler weiter aus. Was passiert also mit zusätzlichem Gewicht an den Fußgelenken? Klar, der Ballast hält die Füße des Läufers und der Läuferin noch stärker auf dem Boden und die Gefahr eines Sturzes steigt.
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Die Frage nach dem Ziel von Laufen mit Gewichtsmanschetten
Laut dem Fitnessexperten sollte man sich vorab überhaupt die Frage stellen, warum man Gewichtsmanschetten in Betracht ziehe und was man erreichen möchte. Möchte ich meine Lauftechnik verbessern? Geht es schlicht um Abwechslung? Möchte ich meine Formkurve nach oben schrauben? Sollen die kleinen Helfer beim Aufbau von Kraft und Muskulatur dienen? Oder doch mehr dem Kalorienverbrauch?
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Mögliche Alternativen
Für all diese Überlegungen gibt es nach Ansicht von Markus Bremen wesentlich sinnvollere Optionen als Gewichtsmanschetten. „Wenn man mehr verbrennen möchte, dann kann man sich überlegen, etwas schneller zu laufen. Oder man läuft einen Berg hoch, dann hat man ebenfalls einen deutlich erhöhten Kalorienverbrauch. Und das ist allemal gesünder.“ Wie oben beschrieben, wird auch die Lauftechnik durch die Manschetten keinesfalls verbessert. Anders verhält sich das beim Sprinten. „Da ist der Körper dann in der schönen Lage, dass er dann automatisch eine verbesserte Technik ansetzt – besonders, was die Fußpositionierung anbelangt.“
Für den Aufbau von Kraft und Muskulatur rät der Schmerztherapeut eher zu Gewichtswesten bzw. einem Gewichtsrucksack. Dann aber gehend bzw. walkend statt laufend! „Dadurch kann man definitiv einen ganz guten Krafteffekt erzielen und mehr Kalorien verbrauchen. Und man versaut sich seine Lauftechnik nicht.“
Also wäre noch der Punkt der Abwechslung offen, der oft die Motivation sinken lässt. Zudem besteht die Gefahr, dass man keine Fortschritte mehr macht, wenn die Variation des Trainings fehlt. Auch Stagnation kann die Lust am Laufen geringer werden lassen. „Die meisten Menschen haben das Problem, dass sie immer ihre Hausstrecke laufen. Aber dann verbessert man sich nicht und hat auch keine Effekte mehr, weil der Körper sich sehr schnell ökonomisiert. Dann hat man keinen Mehrverbrauch“, weiß auch Markus Bremen. Auch hier gilt: Variation heißt das Zauberwort! Durch Tempowechsel, Berge oder Sprints steigt die Formkurve wieder bzw. weiter an.