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Statt Steroidspritze

Mann isst 900 Eier für Muskelaufbau – wie eine Expertin das Experiment bewertet

900 eier Muskelaufbau
Können viele Dutzend Eier tatsächlich der Wirkung einer Steroidspritze entsprechen? Foto: Getty Images, Collage: FITBOOK

14. Februar 2025, 16:10 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Es ist ein Selbstexperiment der anderen Art: YouTuber Joseph Everett ging einem Gerücht der Bodybuilding-Legende Vince Gironda nach, welches besagt, dass 36 Eier täglich eine Steroidspritze für den Muskelaufbau ersetzen könnten. Wie er sich geschlagen hat und was FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke davon hält, erfahren Sie hier.

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Joseph Everett gehört offenbar zu der Sorte Mensch, die Dinge lieber selbst ausprobieren, als sie (nicht) zu glauben. Der gebürtige Amerikaner lebt in Japan und betreibt von dort aus seinen YouTube-Channel „What I’ve learned“ mit über zwei Millionen Abonnenten. Und für diese Zuschauer stellt er Inhalte aus den Bereichen Gesundheit, Produktivität und persönliche Entwicklung bereit. In einem Selbstversuch auf seinem Kanal, der direkt ins Auge springt, isst er 900 Eier, um seinen Muskelaufbau ähnlich wie eine Steroidspritze zu pushen. Es trägt zu deutsch den schönen Titel „Ich habe in 1 Monat 900 Eier gegessen. Das ist mit meinem Cholesterinspiegel passiert.“ Und genau das schauen wir uns jetzt an.

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Motiviert von Fitnesstipp aus den 60er-Jahren

In den vergangenen Jahrzehnten gab es schon so einige Ernährungs- und Fitnesstrends, bei denen wir von Glück sprechen können, dass sie inzwischen widerlegt und überholt sind. Die Trennkost-Diät der 70er führte nicht zu Gewichtsverlust, eher zum Verlust des Genusses. Der Aerobic-Trend der 80er ließ die gesundheitlichen Vorteile von Muskelaufbau unter den Tisch fallen, von der Kohlsuppendiät in den 90ern wollen wir lieber gar nicht anfangen. Und: in den 60er-Jahren wurde zum Abnehmen gerne zur Zigarette gegriffen. Würden Sie einen Tipp aus dieser Zeit als „gut“ oder zumindest als „ist einen Versuch wert“ bewerten? Nun, Joseph Everett hat es getan.

36 Eier pro Tag – Steroidspritze gespart

Joseph Everett las von dem Bodybuilder Vince Gironda aus den 1960er Jahren, der behauptete, dass der Konsum von 36 Eiern pro Tag für sechs bis acht Wochen den gleichen Effekt wie eine milde Steroidkur habe. Dies schien ihm zu gut, um wahr zu sein, also beschloss er, ein Experiment mit sich selbst als Versuchskanninchen zu wagen.

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Vorbereitung auf das Ei-Experiment

Wie es sich für einen guten Influencer gehört, wurde zuerst natürlich das „Vorher-Foto“ geschossen. Aber auch sein Startgewicht von 78 Kilogramm und seine Bluwerte für Cholesterol, Testosteron und „ein paar andere Sachen“ (am Ende des Videos erfahren wir, dass es sich um Kreatinin handelt) protokolliert er.

Everett erklärt, dass er zuvor hauptsächlich Crossfit gemacht und etwas mit Gewichten trainiert habe. Um Verbesserungen in seiner Kraft festzustellen, möchte er den „Ei-Impact“ an den „drei großen Lifts“ testen:

Freestyle beim Ernährungsplan – Wissenschaft ausgedribbelt

Was er essen sollte

Der ursprüngliche Plan des Bodybuilding-Profis Gironda gibt vor, 36 Eier pro Tag über sechs bis acht Wochen zu essen. Hierfür sollten alle Eier als Smoothie mit „Halb-und-halb-Milch“ (amerikanisches Produkt mit 10,5 bis 18 Prozent Fett), Banane und Proteinpulver zu getrunken werden.1 Zum Mittagessen gibt es dann ein Pfund „Hamburger-Meat“, also Hackfleisch mit Salat und abends nochmal die gleiche oder doppelte Menge an Steak mit gedämpften Gemüse.

Dieser Masterplan, der eine Steroidspritze ersetzen soll, schmeckt Everett jedoch laut eigener Aussage nicht. Deswegen hat er einfach einen eigenen Plan aufgestellt. Ich würde das mal ganz trocken als „methodische Schwäche“ einordnen.

Was er tatsächlich aß

Wie dem auch sei, was kam denn letztendlich bei Everett auf den Teller? Zum einen reduzierte er die tägliche Anzahl an Eiern auf 30 (Vielleicht weil „900 Eier“ im Videotitel besser klingt als „1080“?). Die Eigelbe aß er meist roh, damit das enthaltende Cholesterin nicht durch Hitze oxidiert. Die hierbei entstehenden Oxysterole haben tatsächlich eine höhere atherogene Potenz, was bedeutet, dass sie zur Entstehung von Atherosklerose (Ablagerung von fetthaltiger Substanz in den Wänden mittelgroßer und großer Arterien) beitragen können. Die Eiweiße aß er entweder roh oder auch mal gekocht. Doch an Kreativität fehlte es ihm nicht: Er experimentierte auch mit einem Rezept für Eiscreme aus Eigelb und Mango.

Neben Eiern und Eiscreme landeten täglich auch eine Schüssel Reis, etwas Rindfleisch, Joghurt, Obst, Honig und ab und zu ein Proteinriegel auf dem Speiseplan. Everett behauptet, er erreiche damit eine Kalorienzufuhr von etwa 3300 bis 3700 Kalorien pro Tag. Davon dürften allein 2400 bis 3000 Kalorien auf die Eier zurückgehen, wenn man von Größe M ausgeht.

Ausnahmen des Influencers

Da das YouTube-Business während des Experiments natürlich nicht schläft, gibt es auch einen Ausreißer-Tag an dem er im Video eines befreundeten Creators einige Yakitori verkostete. Dabei handelt es sich um japanische Grillspieße.

Am Ende seines Videos erfahren wir auch, dass er jeden Tag einen Elektrolytdrink – gesponsert von einem Werbepartner – getrunken hatte. Ob das alles im Sinne von Girondas Idee war?

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Freundin flüchtet vor Flatulenzen

In vornehmlicher YouTube-Manier vloggte Everett von nun täglich, wie es ihm erging. Das erste gesundheitlich erwähnenswerte Ereignis ergab sich am fünften Tag des Experiments. Der YouTuber hatte mit starken Blähungen zu kämpfen, die so schlimm waren, dass seine Freundin ihn bat, auf der Couch zu schlafen. Für Everett war der Übeltäter schnell gefunden: die Mango – was auch sonst.

Es ging ihm an den kommenden Tagen jedoch wirklich besser. Hatte sein Körper sich an die Umstellung gewöhnt? An Tag neun berichtete der YouTuber, er wäre fokussierter, hätte viel Energie und eine erhöhte Libido. Er führte hierzu auch einige Studien an, die diese Effekte bereits früher vermutet hatten. Doch nicht nur seine Fitnesstipps scheint Evrett mit Vorliebe in der Vergangenheit auszugraben, auch bei wissenschaftlichen Studien orientiert er sich lieber an den Erkenntnissen des 20. Jahrhunderts: So stammten einige angeführte Arbeiten aus den 80ern, zwei weitere liegen immerhin bereits acht Jahre in der Vergangenheit.

Energie und Libido gesteigert

Zum einen geht er an dieser Stelle darauf ein, dass die verminderte Müdigkeit auf die ausreichende Versorgung mit Vitamin D (hier: 120 Prozent des Tagesbedarfs) in seiner Ernährung zurückzuführen sein könne. An diesem Punkt gehe ich mit. Das Sonnenvitamin ist in der tat wichtig für ausreichend Energie. Allerdings ist die Rechnung nicht zwangsläufig „je mehr Vitamin D, desto weniger müde“. Dieser Effekt tritt lediglich ein, wenn zuvor ein Mangel bestand. Hinsichtlich seiner Libido stellt er auf Basis seiner Literaturrecherche die These auf, dass das viele Cholesterin seinen Testosteronspiegel angehoben haben könne, da der Fettbegleitstoff ein Baustein für das Sexualhormon ist. Zudem treibe die erhöhte Zufuhr an Vitamin A (150 Prozent des Tagesbedarf) seiner Meinung nach die Umwandlungsrate nach oben.

Planänderungen an Tag 20

Tag 20 hätte Everett wohl gerne übersprungen. Nachdem er seine Dosis 30 roher Eier gegessen hatte, bekam er Verstopfung und starke Bauchkrämpfe. Er musste sich übergeben und nahm ein Bad, um seinen Magen zu beruhigen. Seine Vermutung war, dass sein Magen die rohen Eiweiße nicht mehr vertrug. Dennn diese enthalten Trypsin-Inhibitoren , welche das Verdauungsenzym Trypsin bei der Arbeit behindern können. Für die letzten zehn Tage beschloss er deshalb, die Eiweiße zu kochen.

Auch in puncto Training gab es an Tag 20 noch Verbesserungsmaßnahmen. Ein fitnessversierter Freund half ihm dabei, seine laienhafte Trainingsroutine auf Hypertrophie, also Muskelwachstum, zu optimieren. Everett gab zu, dass sich der neue Trainingsplan effektiver anfühle.

Das große Vorher-Nachher an Tag 30

An Tag 30 zieht Everett Bilanz:

  • auf der Waage kann er ein Plus von sechs Kilogramm verzeichnen
  • Deadlift: Steigerung von 120 auf 140 Kilogramm
  • Bankdrücken: Steigerung von 100 auf 110 Kilogramm
  • Kniebeuge: Steigerung von 95 auf 115 Kilogramm

Das viele Eiweiß und Training hat ihm also Muskelmasse und Kraft aufbauen lassen. Vergleichswerte, was in der Zeit durch Steroide passiert wäre, zieht er nicht heran. Davon sollten Sie allerdings sowieso die Finger lassen.

Auch macht er erneut einen Check seiner Blutwerte beim Arzt. Zu seiner eigenen Überraschung hatten sich seine Testosteronwerte nicht verändert. Er führte an, dass er auch weniger geschlafen hätte, was den Testosteronspiegel möglicherweise negativ beeinflusst habe. Auch beim „schlechten“ LDL-Cholesterin gab es keine signifikanten Veränderungen. Dafür ist sein HDL-Cholesterin aus dem niedrigen in den Normbereich geklettert (von 37 auf 45 Milligramm pro Deziliter). Auch die Triglycerid-Werte sanken ab, bewegten sich jedoch sowohl vor als auch nach dem Versuch im Normbereich. Er spielt hier damit, die These, dass Cholesterin aus Eiern schädlich für die Gesundheit ist, widerlegt zu haben. In der Wissenschaft ist dieser Effekt allerdings schon lange bekannt, denn der Körper kann seinen Cholesterinspiegel selbst regulieren. Zudem wissen wir leider nicht, wie seine Ernährung zuvor aussah. Auch eine Verbesserung seiner Nierenwerte überinterpretiert Everett. Sein Kreatininspiegel sank zwar um wenige Punkte, lag aber auch zuvor nicht im krtischen Bereich.

Expertin ordnet Diätplan ein »Irgendwann bekommt er die Farbe des Eigelbs

Dass ich als Ernährungsexpertin empfehle, einen ganz großen Bogen um Tipps à la 30 Eier am Tag zu machen, dürfte wenig überraschen. Aber ich erkläre es Ihnen genauer.

Everett hat während seines Experiments den Tagesbedarf an Eiweiß, Vitamin D und A sowie gesättigten Fetten gesprengt. Auch an B-Vitaminen dürfte es ihm nicht gefehlt haben. Dazu kommt ein Mangel an insbesondere Vitamin C und Ballaststoffen. Dabei ist viel Eiweiß und wenig Ballaststoffe DIE Kombination, damit massig übel riechende Gase im Darm durch Bakterien produziert werden und ihren Weg nach draußen finden – Everetts Freundin musste das in der Praxis erfahren. Ein Vitamin-C-Mangel kann über längere Zeit zu Verlust von Körpergewicht, unklaren Muskel- und Gelenkschmerzen bis hin zu Einblutungen unter der Haut, am Zahnfleisch und in den Gelenken führen.

Die überschüssigen B-Vitamine sind wasserlöslich und werden wieder ausgeschieden, weshalb ich diesen Punkt als weniger gesundheitsgefährdend bewerte. Wobei bekannt ist, dass – zumindest durch Supplements – eine Überdosierung auch zu Magenproblemen führen kann (war es vielleicht doch nicht die Mango?). Schwerwiegender erachte ich die hohen Mengen an Vitamin D und A auf Dauer. Diese sind fettlöslich und überschüssige Reste können den Körper nicht ohne weiteres verlassen. Starke Nebenwirkungen von hohen Dosen Vitamin D wie Nierensteine kommen eher durch die falsche Einnahme von hoch dosierten Nahrungsergänzungsmittel zustande, jedoch kann die dauerhaft erhöhte Zufuhr über die Nahrung durchaus zu Übelkeit und Erbrechen führen – Symptome, die Everett bekannt vorkommen dürften.

Zuletzt möchte ich auf Vitamin A eingehen. Der selbsternannte Studienproband nahm immerhin täglich die anderthalbfache Tagesdosis über die Ernährung auf. Da auch Vitamin A fettlöslich ist, werden nicht benötigte Überreste in der Leber und – Trommelwirbel – der Haut eingelagert. Dies führt allerdings nicht ganz zu einer klassischen Bräune, sondern eher einer Gelbfärbung der Haut. Mit der Zeit würde Everett sich also dem Farbton des Eigelbs nähern.

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Everetts fragwürdiger Ernährungstipp zum Abschluss

Letztlich ist festzuhalten, dass Everett nicht wirklich Girondas Idee in die Tat umgesetzt und dementsprechend auch nicht richtig überprüft hat, da er bereits zu Beginn einen anderen Ernährungsplan als empfohlen aufstellte. Und nachdem Everett in einem Monat stolze 900 Eier dem Muskelaufbau (und den Klicks) zu Liebe verputzt hat, kommt er tatsächlich zu dem Fazit, dass er es wieder tun würde, wenn er Masse zulegen möchte. Allerdings würde er eine Sache anders machen: Das Eiweiß wegwerfen und stattdessen mehr rotes Fleisch essen. Abgesehen vom Aspekt der Nachhaltigkeit sollte inzwischen jeder einmal davon gehört haben, dass ein zu hoher Konsum von rotem Fleisch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes erhöhen kann.2

Mir bleibt zum Abschluss lediglich zu sagen: Für Unterhaltungszwecke war das Selbstexperiment top, für Gesundheit und Wissenschaft ein totaler Flop.

Themen Muskelaufbau und Krafttraining Protein

Quellen

  1. USA kulinarisch. Warenkunde. Milchprodukte hier & in den USA. (aufgerufen am 14.02.2025) ↩︎
  2. Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). Tierische Lebensmittel – Ja oder Nein? (aufgerufen am 14.02.2025) ↩︎
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