27. Juli 2023, 21:08 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wie unterscheidet sich der Trainingseffekt zwischen einem 20 Minuten langen Training und einem doppelt so langen, ansonsten identischen Workout? Die eineiigen Zwillinge Hugo und Ross Turner haben ein entsprechendes Experiment durchgeführt – mit erstaunlichen Ergebnissen.
Hugo und Ross Turner (34) sind fitnessbegeisterte Zwillinge. In der Vergangenheit stellten sie sich mehrfach Challenges, um die Auswirkung von unterschiedlichen Trainingsmethoden oder der Ernährung auf bspw. Muskelzuwachs und Körperfettanteil zu überprüfen. Ihr neuestes Experiment: Ein Zwilling trainierte 20 Minuten lang, der andere für 40 Minuten. Brachte die Verdoppelung der Workout-Zeit einen deutlich höheren Trainingseffekt? Im Interview mit FITBOOK haben Hugo und Ross Turner ihre Erkenntnisse geteilt.
Übersicht
Die neue Fitness-Mission der „Turner Twins“
Die „Turner Twins“ Hugo und Ross Turner aus Südengland sind Abenteurer und Sport-Fans. Sie eroberten unzugängliche Pole der Erde und den höchsten Gipfel Europas. Eine weitere Leidenschaft der eineiigen Fitness-Zwillinge: Experimente wie der Vergleich von „Vegan vs. Meat“ oder „Bodyweight vs. Gewichte-Training“ im Hinblick auf den Trainingseffekt. Aufgrund ihrer nahezu identischen Genetik ist es ihnen möglich (unter Kontrolle von Faktoren wie bspw. der Ernährung) anhand der Ergebnisse Schlüsse zu ziehen und Antworten auf populäre Trainingsfragen zu treffen.
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Angesichts der Tatsache, dass viele Menschen nur wenig Zeit für ihr (tägliches) Workout haben, drängt sich die Frage auf, ob auch eine kurze Trainingssession etwas bringt bzw. wie viel mehr eine längere Einheit im Vergleich zu einer kürzen bringt. „Für viele Menschen ist z. B. die einstündige Mittagspause die einzige Chance, ihren Sport zu machen. Zieht man den Weg zum Gym, das Umziehen und das Duschen ab, bleiben meist effektiv 20 bis 30 Minuten für das Training über“, sagt Ross Turner. Aber heißt das, dass man mit dieser kurzen Trainingsdauer nur viel weniger erreichen kann als mit einer etwa doppelt so langen Einheit? „Das wollten wir herausfinden, und haben deshalb die ’20 vs. 40 Minuten‘-Challenge in Angriff genommen.“
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20 Minuten vs. 40 Minuten Training – so lief der Vergleich ab
Anfang des Jahres stellten sich Hugo und Ross dem 12-Wochen-Selbstversuch. In den drei Monaten absolvierten beide 60 Workouts im Fitnessstudio. Jede Trainingseinheit war als 20-minütige Session angelegt – zusammengesetzt aus vier Übungen, von denen jeweils vier Sätze à 14 Wiederholungen absolviert wurden. Ross, der die 40-minütige Trainingseinheit durchführte, machte nach Ende des 20-Minuten-Workouts eine kurze Pause und führte es dann ein zweites Mal durch. Dabei behielt er die gleichen Gewichte und Intensität bei, um eine exakte Kopie von Hugos Trainingseinheit zu erstellen. Auf die Frage, warum Ross das 40 Minuten lange Workout machen musste, antwortet Hugo lachend: „Da gab es keinen bestimmten Grund. Ich glaube, Ross wollte es. Und ich war ganz froh, dass ich nur 20 Minuten trainieren musste.“
Ein beispielhaftes Training der „Turner Twins“ umfasste folgende Übungen:
- Kreuzheben (4 Sätze à 14 Wiederholungen)
- Oberkörperrotation am Kabelzug (4 Sätze à 14 Wiederholungen pro Seite)
- Bankdrücken (4 Sätze à 14 Wiederholungen)
- Beinheben im Hang (4 Sätze à 14 Wiederholungen)
Hugo absolvierte einen Durchgang, Ross wiederholte das Programm einmal.
Kontrollierte Ernährung
Während der zwölf Wochen im „20 vs. 40 Minuten Training“-Selbstversuch kontrollierten die Fitness-Zwillinge mögliche Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen könnten, weitgehend – bspw. die Ernährung. Dabei achteten sie insbesondere auf eine identische Kalorienaufnahme. „Jeder von uns nahm rund 2500 Kilokalorien pro Tag zu sich“, erklärt Ross. Das sei keine besonders große Menge, aber lasse sich im Leben als Abenteurer besser umsetzen. „Wenn man viel Muskelmasse erhalten will, muss man schnell mal 4000 Kalorien und mehr zu sich nehmen und entsprechend trainieren.“ An entlegenen Orten der Welt, an denen sie sich für Expeditionen aufhielten, sei das nicht realisierbar.
Vergleich von Gewicht, Muskelmasse, Körperfett sowie der Kraft
Um das 20-Minuten-Training mit dem 40-Minuten-Training zu vergleichen, maßen Hugo und Ross zu Beginn und nach Ende des zwölfwöchigen Trainingszeitraums die Parameter Körpergewicht, Muskelmasse und Körperfettanteil. „Wir haben uns für Körperfett und Muskelmasse entschieden, weil die meisten Menschen versuchen, ihr Training auf das eine oder andere zu konzentrieren“, erklärt Hugo. Und das Gewicht sei generell interessant.
Zusätzlich absolvierten Hugo und Ross zu Beginn und am Ende einen Kraft- bzw. Ausdauertest. Es wurde die maximale Wiederholungszahl bei folgenden Kraft-Übungen gemessen:
- Liegestütze (Push-ups)
- Klimmzüge (Pull-ups)
- Bankdrücken (Bench Press)
- Kreuzheben (Deadlift)
Außerdem wurde der VO2max-Wert auf einem Ergometer ermittelt, der als Parameter für die Ausdauerleistung herangezogen werden kann.
Welchen Unterschied erwarten die Zwillinge?
Vorneweg: Von einer Verdoppelung des Trainingseffekts durch ein 40-Minuten-Workout im Vergleich zum 20-Minuten-Training ging niemand aus. Aus Sicht der Trainingswissenschaft gibt es dafür keine Grundlage. „Wir haben einige Branchenexperten und einige Fachzeitschriften gefragt, wie hoch ihrer Meinung nach die prozentuale Leistungssteigerung mit den 40 Minuten im Vergleich zu den 20 Minuten sein würde“, erklärt Ross Turner im FITBOOK-Interview. „Die Annahme reichte von etwa fünf bis 25 Prozent mehr Trainingseffekt beim 40-Minuten-Workout.“ Und Hugo ergänzt: „Wir gingen von einem Plus von 20 Prozent aus. Ich meine, 20 Minuten Training sind wirklich nicht lange.“ Das tatsächliche Ergebnis überraschte wohl alle.
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20 vs. 40 Minuten Training – die Ergebnisse
Im Laufe der zwölf Wochen verbrachte Ross eine Gesamtzeit von 2280 Minuten im Fitnessstudio, während Hugo 1240 Minuten trainierte. Wie wirkte sich dieser deutliche Unterschied der Trainingsdauer auf den Trainingseffekt aus? Auf den Vorher-Nachher-Fotos ist bei keinem der beiden ein gravierender Unterschied zu erkennen, was nach drei Monaten und der Art des Trainings aber auch nicht zu erwarten war.
Das Startgewicht betrug bei Hugo 87 Kilogramm und bei Ross 88,5 Kilogramm, was ihrem normalen Gewichtsunterschied entspricht. Das Gewicht entwickelte sich während der zwölf Wochen annähernd identisch. Auch, als sich nach drei Monaten das Fitnessprogramm änderte.
Hugos Muskelmasse folgte einem nahezu exakten Muster wie das von Ross, insgesamt war er immer ein oder zwei Kilo leichter. Auch der Körperfettanteil der Zwillinge folgte über die drei Monate hinweg einem ähnlichen Trend. Hugo startete bei etwa elf Prozent und lag am Ende bei etwa 17 Prozent, während Ross bei 15 Prozent begann und bei etwa 17 Prozent lag.
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40 Minuten vs. 20 Minuten – die überraschendsten Ergebnisse
Ernüchternd für Ross Turner (oder – positiv ausgedrückt – augenöffnend) dürften auch die Ergebnisse beim Leistungstest gewesen sein. Hier konnte Hugo mit seinem 20-Minuten-Training teils höhere Zuwächse erzielen als Ross, der 40 Minuten trainierte.
„Wir dachten, dass die 40 Minuten viel effizienter wären, und jetzt ist das nicht der Fall. Jetzt blicken wir zurück und denken: ‚Ooh! Warum hast du das 40-Minuten-Workout gemacht? Was für eine Zeitverschwendung!’“, erklärt Ross Turner im FITBOOK-Interview.
Dass ihr „20 vs. 40 Minuten“-Experiment keine allgemeingültigen Erkenntnisse liefern kann, ist den „Turner Twins“ bewusst. „Es gibt viele Punkte, an denen man die Challenge auseinanderpflücken könnte. Aber darum geht es nicht. Wir haben es in unserem alltäglichen Leben durchgeführt, zwischen beruflichen Terminen und privaten Verpflichtungen“, erklärt Hugo. Und das käme dem Alltag der meisten Menschen mit 9-to-5-Jobs am nächsten. „Wenn Sie zwar gerne 40 bis 50 Minuten im Gym wären, aber es nur 20 bis Minuten schaffen, dann tun Sie es. Sie werden vergleichbare Ergebnisse erzielen können!“, appelliert Ross.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse für die „Turner Twins“: „Hug your mental side!“ Das Gefühl, nicht genug trainiert zu haben, sei trügerisch. Hugo gibt zu: „Ich hatte mit meinem 20 Minuten Training nie das Gefühl, wirklich etwas gemacht zu haben, mich gepusht zu haben. Ich kam nie aus dem Gym und hatte das Gefühl: ‚Wow, das war eine richtig gute Session!’“ Doch die Ergebnisse im Vergleich zum Training mit doppeltem Umfang zeigen etwas anderes.
Das sollte motivierend genug sein, um lieber eine kürzere Trainingseinheit durchzuziehen als gar keine. Außerdem sei es definitiv einfacher, sich für ein 20-minütiges Training aufzuraffen als für 40 Minuten langes Training, ergänzt Hugo Turner den mentalen Vorteil des kurzen Trainings.