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Ein Appell an Köche

Liebe Restaurants, lasst doch bitte den Zucker aus dem Essen!

Zucker kommt in Restaurants oft in Soßen vor
In Restaurantküchen wird Soßen oft Zucker beigemengt. In einer Bolognese etwa soll die Süße die Säure der Tomaten abmildern. Foto: iStock/KarpenkovDenis
Nuno Alves
Chefredakteur

25. Oktober 2021, 5:13 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Raffinierter Zucker ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wer dennoch versucht, darauf zu verzichten, stößt oft auf Hindernisse – etwa in Restaurants. Denn in der Gastronomie ist Zucker eine beliebte Beigabe zu Gerichten. Nuno Alves, der seit 2018 zuckerfrei lebt, wünscht sich eine Rückbesinnung auf traditionelle Küche – und mehr Transparenz.

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Eigentlich bin ich selbst schuld an meiner Situation. Hätte ich vor einigen Jahren nicht beschlossen, komplett auf Haushaltszucker zu verzichten, wäre vieles einfacher. Ich würde nicht permanent Zutatenlisten durchwühlen, Verpackungen studieren oder nach Inhaltsstoffen suchen und würde weiterhin einfach das essen, was Spaß (und krank!) macht. Vermutlich wäre ich mit meinen ohnehin schon grenzwertigen Blutzuckerwerten konstant im diabetischen Bereich gelandet und glücklich mit meinem täglichen Metformin – ein typisches Medikament zur Behandlung von Diabetes Typ 2.

Vor allem aber wären Restaurantbesuche einfacher. In vielen gehört Zucker (oder Sirup, Agavendicksaft oder sonstige Zuckerarten) so fest zum Inventar wie Besteck und Teller. Und ich meine nicht den Nachtisch oder Speisen wie karamellisierter Ziegenkäse, bei denen es sofort ersichtlich ist. Nein, ich spreche von Pizzateig, Tomatensoßen, Dressings, Suppen, Sushi-Reis, eingelegtem Gemüse usw.

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Zucker im Restaurant-Essen: Nachfragen oder sich selbst betrügen?

Zugegeben, mit meinem Komplettverzicht zähle ich natürlich zu einer Minderheit. Sicher würden die meisten auch nicht auf den Gedanken kommen, den Einsatz von Zucker in Restaurants zu hinterfragen. Dennoch wundere ich mich, warum so vieles auf der Speisekarte damit vollgepumpt sein muss. Und ich frage mich, was mit all den Diabetikern ist, die sich mitunter über ihre Achterbahn-Werte wundern – nicht wissend, wie gesüßt selbst herzhafte Speisen sein können.

Im Restaurant haben Menschen wie ich im Grunde zwei Möglichkeiten: nicht nachfragen und sich letztlich selbst betrügen, oder wirklich wissen wollen, ob das Essen raffinierten Zucker enthält. Letzteres kann frustrierend sein. Gespräche laufen sinngemäß wie folgt ab: „Ist da Zucker drin?“. Antwort: „Nein.“ Nachhakend: „Wirklich nicht?“ Antwort: „Nein, kann ich mir nicht vorstellen.“ Weiter nachhakend: „Könnten Sie netterweise in der Küche nachfragen?“ Zwei Minuten später: „Ja, da ist etwas Zucker drin.“ Und „etwas“ ist sehr relativ. Je nach Restaurant und Koch kann eine Tomatensuppe durchaus relevante Mengen Zucker enthalten, ebenso Pizza (in Teig und Tomatensoße). Selbst im Burger ist man nicht vor Saccharose gefeit (in Brötchen, Ketchup, Gewürzgurke…).

Immerhin bleibt am Ende immer noch ein zuckerfreier Salat, mag man denken. Von wegen! Da lauert die Falle im Dressing. Kaum ein Restaurant setzt heute noch klassisch auf Essig und Olivenöl. Und nicht wenige verwenden sogar Fertig-Dressings, die sowieso die reinsten Zuckerbomben sind.

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Soll der Zucker mangelndes Koch-Talent kompensieren?

In Berlin weiß ich mittlerweile, wo ich auf das Essen vertrauen kann und ggf. sogar nach den Inhaltsstoffen fragen darf, ohne schiefe Blicke zu ernten. Anderswo habe ich oft den Eindruck, als sei ich der komplizierte Kunde, der sich anstellt. Und eigentlich bin ich es auch.

Spaßbremsen wie ich könnten auch einfach gar nicht mehr ins Restaurant gehen. Keiner hätte mehr ein Problem. Das wäre eine Lösung. Die andere wäre, dass die Restaurants einfach dazu übergehen, Zucker aus dem Essen zu lassen. Die wenigsten traditionellen Gerichte dieser Welt beinhalten (und benötigen!) das rieselnde Gift. Zwar hat es eine jahrtausendealte Tradition, doch als Alltagszutat war es die längste Zeit zu teuer. Erst ab dem 19. Jahrhundert wurde Zucker zum Massenprodukt.

Und mittlerweile ist er so günstig, dass er immer häufiger als Zutat hinzugefügt wird. Wir wurden als Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht auf süß konditioniert. Weil Zucker fast alles in ein geschmacklich schöneres Gewand zu hüllen vermag, mangelndes Koch-Talent kompensieren kann, günstig ist und massiv von Zuckerherstellern auf den Markt gedrückt wurde.

Bestes Beispiel dafür: Brasilien, wo ich regelmäßig meine Familie besuche. Fragt man dort nach einem frischen Mangosaft, der von Natur aus schon maximal süß ist, muss man extra darum bitten, dass kein Haushaltszucker hinzugefügt wird. Die häufige Antwort: „Wirklich nicht? Dann mache ich etwas Süßstoff rein. Okay?“ Bitte nicht!

Zucker gehört ins Dessert, nicht in die Suppe!

Der Zucker rieselt sich durch unser Leben. Wer selbst kocht, kann ihn zwar vermeiden, aber in Restaurants bleibt es oft eine Blackbox, wo er eingesetzt wird. Bedauerlicherweise hat sich die Nutzung von Zucker fast überall auf der Welt in Restaurants und Kochschulen etabliert. In wenigen Fällen mag es tatsächlich aus Geschmacks-, Konsistenz- oder anderen Gründen sinnvoll sein, eine Prise beizumengen. Meistens jedoch handelt sich um einen fast schon reflexartigen Griff zu dem Zeug. Es wird gesüßt, gesäuert, gesalzen und nachgesüßt, nachgesäuert, nachgesalzen. Kaum eine Speise scheint sicher davor.

Mein Appell an die vielen Köche hierzulande und anderswo: Lasst den Zucker einfach weg! Vergesst, was man euch als „Geheimtipp“ beigebracht hat. Zucker gehört ins Dessert, nicht in die Suppe. Und auch nicht in Soßen, Eintöpfe, den Krautsalat oder Braten, nicht auf Fleisch oder Käse. Besinnt euch auf die Ursprünglichkeit der meisten Rezepte! Ein gutes Salat-Dressing braucht nicht mehr als Olivenöl, Essig und Salz. Ein Salat muss nicht nach Nachtisch schmecken. Und wenn, dann verfeinert ihn mit echtem Obst und lasst den raffinierten Zucker weg.

Natürlich wäre es falsch, alle Restaurants und Köche über einen Kamm zu scheren. Sehr viele achten penibel darauf, keinen Zucker zu verwenden und setzen Gewürze und natürliche Zutaten ein wie Künstler ihre Farben, um Nuancen herauszuarbeiten. Wahrscheinlich ärgern sie sich so sehr wie ich darüber, dass dieser Inhaltsstoff auch abseits der Süßspeisen Verwendung findet. Nehmen wir das Beispiel der Pizza: Zucker lässt den Teig schneller aufgehen. Manche nutzen diesen Effekt, andere geben dem Prozess die benötigte Zeit.

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Restaurants sollten transparent machen, wo Zucker drin ist

Vielleicht gibt es auch eine einfache Lösung für das Zucker-Problem in Restaurants: Transparenz. Für eine Reihe von Zusatzstoffen gibt es bereits eine Kennzeichnungspflicht, etwa für Allergene, aber u. a. auch für Chinin, Koffein, Schwefel oder selbst Süßstoffe. Warum auf Speisekarten nicht auch kenntlich machen, wenn Zucker verwendet wird, vor allem in den herzhaften (Vor-)Speisen? Auch die Angabe von Gesamtzuckerwerten für eine Mahlzeit wäre sinnvoll. Nicht nur Diabetiker würden es danken.

Eine solche Transparenz hätte vermutlich zwei Nebeneffekte: Einerseits würden einige Kunden zweimal darüber nachdenken, ob sie ein Gericht bestellen, dem raffinierter Zucker beigesetzt wurde. Und andererseits wäre es für die Restaurants ein Grund mehr zu überdenken, ob sie nicht lieber auf die Angabe und damit auf den Zucker selbst verzichten.

Hier geht’s zu den anderen Teilen der Zuckerfrei-Kolumne.

Auch Sie versuchen, in Ihrer Familie den Zuckerkonsum zu reduzieren? Schreiben Sie Nuno Alves an zuckerfrei@fitbook.de

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