6. August 2024, 19:48 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
An dem Sprichwort „du bist, was du isst“ ist offenbar etwas dran – zumindest was unser biologisches Alter angeht. Denn Lebensmittel können laut einer neuen Studie an der biologischen Uhr drehen. Während Zucker etwa unsere Zellen schneller altern lässt, halten uns andere Lebensmittel jung. Welche Kostformen einen positiven Einfluss haben und wie die Studie durchgeführt wurde, erklärt Ihnen FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke.
Manch einer sieht älter aus als er es auf dem Papier ist, manch einer jünger. Je nach Genetik, Lebensstil, Stresslevel und anderen Einflüssen kann das biologische Alter des Körpers vom kalendarischen abweichen. Das erklärt, warum Menschen gleichen (kalendarischen) Alters teils große Unterschiede in Gesundheitsstatus und Lebensqualität aufweisen. Doch glücklicherweise sind wir dem Alterungsprozess nicht wehrlos ausgeliefert. Beispielsweise kann die Ernährung Einfluss nehmen. Während Zucker das biologische Alter erhöhen kann, haben andere Lebensmittel einen verjüngenden Effekt. Forscher der UC San Francisco haben sich diesen Zusammenhang genauer angeschaut.
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Übersicht
Hintergrund der Studie
Die Wissenschaftler wollten herausfinden, inwieweit ein Zusammenhang zwischen bestimmten Ernährungsmustern und dem biologischen Alter besteht. Hierfür blickten sie unter anderem auf zugesetzten Zucker und essenzielle Nährstoffe.1
Was genau passiert eigentlich auf Zellebene?
Der menschliche Körper kann mithilfe von Nährstoffen selbst Zellschäden beheben, jedoch nimmt die Fähigkeit zur Selbstheilung mit dem Alter ab. Nährstoffe sind unverzichtbar für die Replikation, Erhaltung und Reparatur der DNA. Ohne eine ausreichende Versorgung kann der Körper nicht effektiv neue DNA-Stränge synthetisieren oder beschädigte Strukturen reparieren. Zudem wirken einige Nährstoffe, wie Vitamin C, antioxidativ und entzündungshemmend. Dementsprechend ist eine ausgewogene Ernährung Teil eines gesunden Alterungsprozesses.
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Querschnittsstudie mit 324 schwarzen und weißen Frauen
Für die Querschnittsstudie zogen die Forschenden die Daten von 324 Frauen unterschiedlicher Ethnien heran. Sie waren ursprünglich Teilnehmerinnen der National Heart, Lung, and Blood Institute Growth and Health Study (NGHS) von 1987 bis 1997, die die kardiovaskuläre Gesundheit schwarzer und weißer Frauen untersuchte. Zum damaligen Untersuchungszeitraum waren die Probandinnen neun bis 19 Jahre alt, für eine erneute Datenerhebung wurden sie zwischen 2015 und 2019 im Alter von 36 bis 43 Jahren erneut untersucht. Bei dieser Nachuntersuchung führten die Teilnehmerinnen für drei Tage ein Ernährungstagebuch, sodass bestimmte Ernährungsindizes gebildet werden konnten. Bei den Tagebüchern wurden je zwei Wochentage und ein Wochenendtag protokolliert, um ein möglichst genaues Abbild der alltäglichen Ernährung zu bekommen. Vorab wurden die Probandinnen durch das Studienpersonal entsprechend geschult. Unklare Tagebucheinträge wurden im Nachhinein besprochen.
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Die Wissenschaftler bewerteten die Ernährung mittels Indizes
Neben der Aufnahmemenge von zugesetztem Zucker – also solcher, der (verarbeiteten) Lebensmitteln hinzugegeben wird und nicht natürlich enthalten ist – zogen die Wissenschaftler verschiedene Indizes heran, um die Qualität der Ernährung zu bewerten.
Der aMED-Index
Der aMED-Index (Mediterranean-style diet) bewertet die Einhaltung einer modifizierten Version der mediterranen Ernährung, welche als gesundheitsfördernd gilt. Sie zeichnet sich durch einen hohen Konsum von einfach ungesättigten Fetten im Vergleich zu gesättigten Fetten aus. Dies geschieht vorwiegend durch reichlich Fisch, Nüsse und Olivenöl, während rotes Fleisch nur sparsam verzehrt wird.
Der AHEI-2010-Index
Der AHEI-2010 (Alternative Healthy Eating Index 2010) ist ein Index, welcher die Einhaltung der in den USA geltenden Ernährungsrichtlinien bewertet und auf die Risikosenkung von chronischen Erkrankungen ausgelegt ist.
Extra für die Studie entwickelt: der ENI
Der ENI (Epigenetischer Nährstoffindex) wurde nach Vorbild der mediterranen Ernährung entwickelt, jedoch mit einem nährstoff- statt lebensmittelbasierten Ansatz. Die Auswahl der im Index berücksichtigten Nährstoffe erfolgte laut den Wissenschaftlern auf Grundlage ihrer antioxidativen und/oder entzündungshemmenden Eigenschaften sowie ihrer Rolle bei der Erhaltung und Reparatur der DNA.
Die ausgewählten Nährstoffe waren:
- Vitamin A
- Vitamin E
- Vitamin C
- Folat
- Vitamin B12
- Zink
- Selen
- Magnesium
- Ballaststoffe
- einfach ungesättigte Fettsäuren
- Isoflavone (sekundäre Pflanzenstoffe)
- Gesamtzuckerzufuhr
So beeinflusste die Ernährung das biologische Alter
Zur Bestimmung des biologischen Alters wurde DNA aus Speichelproben genutzt. Die gemessene „Marker-Uhr“, welche den aktuellen Stand des Alters verriet, trägt den Namen GrimAge2.
Die Einhaltung einer der Diäten (aMED, AHEIC-2010, ENI) war signifikant mit einem niedrigeren biologischen Alter verbunden, wobei eine mediterrane Ernährung die Probandinnen am besten jung hielt, gefolgt vom ENI. Dahingegen beschleunigte zugesetzter Zucker erwartungsgemäß das biologische Alter.
Dorothy Chiu, Erstautorin der Studie, erklärt in einer Pressemitteilung: „Die von uns untersuchten Diäten entsprechen bestehenden Empfehlungen zur Krankheitsvorbeugung und Gesundheitsförderung und unterstreichen insbesondere die Wirksamkeit antioxidativer und entzündungshemmender Nährstoffe. Aus Sicht der Lifestyle-Medizin ist es ermutigend zu sehen, wie die Befolgung dieser Empfehlungen ein jüngeres Zellalter im Verhältnis zum chronologischen Alter fördern kann.“2
Bereits geringe Mengen Zucker lassen uns alt aussehen
Die Wissenschaftler stellten fest, dass selbst bei gesunder Ernährung jedes Gramm zugesetzter Zucker mit einer Erhöhung des biologischen Alters verbunden war.
Die Probandinnen aßen durchschnittlich 61,5 Gramm zugesetzten Zucker pro Tag, wobei die Spanne groß war: von 2,7 bis 316 Gramm zugesetztem Zucker täglich. Zur Einordnung: Eine Tafel Schokolade liefert etwa 25 Gramm zugesetzten Zucker.
Co-Autorin Elissa Epel erklärt in der Pressemitteilung: „Wir wussten, dass ein hoher Zuckerzusatz möglicherweise mehr als jeder andere Ernährungsfaktor mit einer verschlechterten Stoffwechselgesundheit und frühen Erkrankungen in Verbindung steht. Jetzt wissen wir, dass dieser Beziehung eine beschleunigte epigenetische Alterung zugrunde liegt, und dies ist wahrscheinlich einer der vielen Gründe, warum übermäßiger Zuckerkonsum eine gesunde Lebensdauer einschränkt.“
Kann man die Uhr zurückdrehen?
Gute Nachrichten: Tatsächlich scheinen die Effekte eines hohen Zuckerkonsums nicht in Stein gemeißelt. Barbara Laraia, welche ebenfalls an der Studie mitwirkte, verkündete erfreuliche Ergebnisse: „Angesichts der Tatsache, dass epigenetische Muster reversibel zu sein scheinen, kann es sein, dass der Verzicht auf zehn Gramm zugesetzten Zucker pro Tag, wenn er über einen längeren Zeitraum beibehalten wird, einem Zurückdrehen der biologischen Uhr um zweieinhalb Monate gleichkommt.“
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Einordnung der Studie
Die Studie gehöre laut den Autoren zu den ersten, die den Zusammenhang zwischen der Aufnahme von zugesetztem Zucker und der biologischen Uhr belegen. Zu ihren Stärken gehören die Einbeziehung einer vielfältigen Gruppe von Frauen sowie die Verwendung robuster Messungen von Ernährung und biologischer Uhr. Robust meint in diesem Fall, dass die gewählten Berechnungsmodelle nicht von unplausiblen Werten verzerrt werden konnten.
Da es sich um eine Querschnittsstudie handelt, war es den Wissenschaftlern nicht möglich, Kausalität ohne Einbezug der Zeit abzuleiten, weshalb in Zukunft Längsschnittstudien durchgeführt werden sollten. Bei diesem Studiendesign werden zu mehren Zeitpunkten Daten erhoben. Zuletzt wurde die Ernährung anhand von dreitägigen Ernährungstagebüchern selbst angegeben, was je nach Nährstoff zu Unter- oder Überschätzungen der Aufnahme führen kann. Für ein genaueres Abbild des Ernährungssstatus wirkungsvoller, die Tagebücher in Kombination mit einem sogenannten Food-Frequency-Questionnaire (FFQ; Verzehrshäufigskeitsfragebogen) zu kombinieren, welcher täglich bis selten verzehrte Lebensmittel berücksichtigt. Auch der Einbezug von Biomarken im Blut zum Ernährungsstatus wären denkbar.