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Casimir von Carmer und Philipp Stahr

Wholey-Mitgründer im Interview: »Das Frühstücksregal müsste eigentlich Süßigkeitenregal heißen

Wholey
Wholey Gründer Casimir von Carmer (l.) und Philipp Stahr (r.) Foto: Wholey

12. Februar 2024, 12:43 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Die Anfänge von Wholey liegen in der Gastro-Szene: Mit Smoothie-Bowls, die verlockend in den Farben tropischer Früchte leuchten, wurden sie bekannt. Seit 2020 findet man auch Cornflakes und Granola des Start-ups in Supermarkt- und Drogerieregalen. Ihre Mission: Bio, vegan und wenig Zucker. FITBOOK- Ernährungsexpertin Sophie Brünke traf die Wholey-Mitgründer Casimir von Carmer und Philipp Stahr zum Interview und wollte u. a. wissen: Wie kommt Bewegung in das zuckerreiche Cerealien-Regal, welches seit Jahrzehnten von etablierten Produkten bestimmt wird?

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Sich als Profisportler, Familienvater und Unternehmer gesund zu ernähren, ist gar nicht so leicht. So sahen das auch die vier Gründer von Wholey, Alexander Stahr, Casimir von Carmer, Philipp Stahr und Alexander Carsten. Und wo beginnt eine gesunde Ernährung? Beim Frühstück. Doch in den Cerealien-Regalen der Supermärkte war in den letzten Jahrzehnten wenig Bewegung. Wie können altbekannte Cornflakes – für viele Menschen nostalgische Favoriten aus der Kindheit – neu und gesund gedacht werden? Im Gespräch mit FITBOOK erzählen Mitgründer Casimir von Carmer und Philipp Stahr offen über die Herausforderungen bei der Entwicklung von Cerealien, die frei von weißem Zucker sind, warum sie glauben, dass „Bio“ ein Image-Problem hat und inwieweit Wholey zu einer fitnessgerechten Ernährung passt.

FITBOOK: Auf Ihrer Website beschreiben Sie sich als aktuelle und ehemalige Leistungssportler. Entstand die Idee hinter Wholey, weil Ihnen als Sportler etwas im Bereich Frühstück gefehlt hat?

Philipp Stahr: „Noch kann ich mich als ehemaliger Leistungssportler bezeichnen. Ich habe allerdings mit 33 aufgehört. Drei von uns Gründern haben jahrelang auf Bundesliga-Niveau Hockey gespielt. Im Bereich Frühstück hat uns nicht unbedingt etwas gefehlt, weil wir das Privileg hatten, Ernährungsberater zu haben. Aber dadurch werden dir erstmals die Augen geöffnet, was man alles falsch machen kann in der Ernährung. So kam es dazu, dass wir gesagt haben, ‚Hey, lass uns die Sachen besser machen, die viele großen Player in der Industrie falsch machen.’“

FITBOOK: Wie war das bei Ihnen, Herr Carmer? 

Casimir von Carmer: „Ich bin der Einzige, der nicht Hockey gespielt hat, ich habe lange Fußball gespielt – uns verbindet die Sportaffinität. Aber ich habe nicht auf so einem hohen Level gespielt. Dementsprechend hatte ich einen normalen Job, jetzt auch Familie. Und ich hatte keine Ernährungsberater (lacht). Da ich oft nicht den Zugang zu gesunden Snacks hatte, war es für mich ein Anliegen, an dieser Stelle etwas zu verändern.“

FITBOOK: Ihre Produkte sind vegan, Bio und frei von Industriezucker. Wie wichtig ist Ihnen eine pflanzlich betonte Ernährung?

Carmer: „Ich würde sagen, das ist nicht dogmatisch. Wir haben im Gründerkreis Philipps Bruder, der sich ausschließlich vegan ernährt, aber wir sind vegetarisch bis flexitarisch. Das ist leichter umzusetzen, weil ich häufig bei meinen Kindern mitesse.“

Stahr: „Ab und zu esse ich Fisch, aber zu Hause kochen wir vegan und Bio, da meine Frau Veganerin ist.“

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FITBOOK: Was ist Ihre Motivation hinter einer pflanzlich betonten Ernährung? Gab es einen prägenden Moment?

Stahr: „Bei mir war es, als ich das erste Mal gehört habe, was für einen Impact die Ernährung auf den Planeten hat. Die Ernährung ist der größte Hebel, den jeder selber hat, um etwas zu den Klimazielen beizutragen. Und die Massentierhaltung ist nun mal einer der größten Emissionstreiber.“

Carmer: „Einen besonderen Moment würde ich nicht sagen, aber es gibt viele Dokumentationen, die mir die Augen geöffnet haben; ‚Cowspiracy‘ zum Beispiel.“

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Die Granolas kommen laut Wholey mit weniger Zucker daher, als die Produkte etablierter Anbieter
Die Granolas kommen laut Wholey mit weniger Zucker daher, als die Produkte etablierter Anbieter Foto: Amazon

FITBOOK: Herr Stahr, in einer Podcastfolge erzählen Sie, dass Sie Bio wieder cool machen wollen. Glauben Sie, dass Bio ein Image-Problem hat?

Stahr: „Bio hat ein Knowledge-Problem. Viele Menschen wissen gar nicht, was hinter dem Begriff ‚Bio‘ steht, außer vielleicht weniger Pestizide und etwas glücklichere Tiere. Aber welchen Impact Bio darüber hinaus auf unseren Planeten hat, ist wenigen Menschen bewusst – zum Beispiel, was Verschmutzung oder Bio-Diversität angeht.“

FITBOOK: Können Sie festmachen, woran das liegt?

Stahr: „Ich glaube, die Bio-Branche hat sich lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Sie hat den Trend verpasst, wie richtig kommuniziert wird, wie Packaging und Social Media funktioniert. An diesen Stellen ist die Branche hängen geblieben und hat sich nicht so weiterentwickelt, wie sie es hätte machen müssen. Denn das Wort ‚Öko‘ ist, würde ich schätzen, bei 80 Prozent der Menschen negativ assoziiert. Aber Bio muss wieder bei den jungen Leuten ankommen. Und wir wollen dieses Thema wieder Mainstream machen.“

FITBOOK: Wie wollen Sie das erreichen?

Stahr: „Wholey soll keine typische Reformhaus-Brand sein, wir wollen eher das ‚Nike‘ der Food-Welt aufbauen. Wir wollen hip sein und Bio ist für uns die Grundlage. Das ist für uns nicht der große USP, sondern unser gesetzter Rahmen. Darüber hinaus wollen wir mutig und laut kommunizieren, wie die ganzen Brands, die die Leute so lieben.“

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FITBOOK: Von Bio geht’s zum Zucker. Wenn man sich ein Cerealien-Regal im Supermarkt anschaut, sieht man hauptsächlich Produkte, die mehr Zucker enthalten als Wholey. Wie haben Sie in der Produktentwicklung die Brücke geschlagen zwischen weniger Zucker und gutem Geschmack? Welche Probleme sind aufgetreten?

Carmer: „Neben unseren Wettbewerbern, die sehr stark auf Zucker gehen, ist es schwierig mit sehr wenig Zucker das gleiche Geschmackserlebnis zu erreichen. Wir nutzen natürliche Geschmacksträger, also Zimt, Kakao, etc. – wir sind jedoch limitiert. Und wir haben auch sehr lange herumprobiert, bis wir die ersten Zutaten gefunden hatten, die unseren Ansprüchen gerecht wurden. Denn bei jedem Produkt gibt es viele Testdurchläufe und die ersten Hundert kann man gefühlt vergessen. Denn man muss bei einem sehr natürlichen Produkt technisch werden, da man beispielsweise gewisse Bindemittel nicht nutzen kann. Zusätzlich wollten wir in die Mainstream-Richtung. Denn wir können nur etwas bewegen, wenn wir nicht zu nischig werden. Im besten Fall schmecken unsere Konsumenten gar nicht heraus, dass das Produkt weniger Zucker enthält.“

FITBOOK: Der Punkt ‚ähnliches Erlebnis‘ ist interessant; uns erinnern einige Ihrer Produkte an solche, die wir bereits als Kind gegessen haben. War das Ihr Anspruch, gesündere Alternativen zu Produkten, zu denen Menschen bereits eine emotionale Bindung haben, zu schaffen?

Carmer: „Definitiv! Wir haben uns genau diese Produkte angeschaut und gesagt ‚das ist der Standard, den wir geschmacklich erreichen wollen – wie schaffen wir das?‘ Nur eben mit weniger Zucker und sehr kurzen Rezepturen von vier oder fünf Zutaten, die jeder Verbraucher kennt.“

FITBOOK: Achten Sie im Alltag auch auf eine zuckerarme Ernährung und warum?

Stahr: „Ja, ich definitiv. Ich glaube, wir alle wissen, dass zu viel Zucker krank macht. Und wir sind mittlerweile auch schon Familienväter. Ich finde die Tatsache erschreckend, dass eine der beliebtesten Frühstücks-Mahlzeiten bei Kindern 25 bis 30 Gramm Zucker enthält und das gar nicht hinterfragt wird. Obwohl sich die Konsumenten-Bedürfnisse so verändert haben, hat sich bei Cerealien seit 30 Jahren gar nichts bewegt. Eigentlich dürfte das Regal gar nicht Frühstücksregal heißen, es müsste eher ein Süßigkeitenregal sein.“

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FITBOOK: Ihre Produkte sind nicht gänzlich frei von Zucker. Könnten sie aber zu einer Reduktion des Zuckerkonsums führen?

Stahr: „Ja, die Konsumenten werden Stück für Stück auf den vielen Zucker konditioniert, Zucker ist ein Suchtmittel. Es ist definitiv so, dass zum Beispiel ‚Cini Minis‘ verglichen mit unseren ‚Cinna Rollies‘ nicht diesen ‚Punch‘ in der Süße haben, da kann man nicht mithalten. Und an diese Süße ist man gewöhnt, man kann sich jedoch auch entwöhnen. Wir haben schon von vielen Menschen, die unsere Cereals das erste Mal gegessenen haben, gehört: ‚war lecker, aber ich habe ein bisschen Süße vermisst.‘ Und nach dem dritten Mal sagen sie ‚ich vermisse gar nichts mehr, das ist super süß‘.“

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FITBOOK: In einigen Wholey-Produkten ist statt Datteln Kokosblütenzucker enthalten. Inzwischen ist bekannt, dass Kokosblütenzucker ernährungsphysiologisch weißem Zucker gegenüber keinen nennenswerten Vorteil hat. Sie kommunizieren, dass Sie keine ‚leeren Carbs‘ in Ihren Produkten haben möchten. Warum haben Sie sich trotzdem für dafür entschieden?

Stahr: „Wir haben uns ehrlich gesagt schon wieder dagegen entschieden. Wir versuchen aktuell für alle Produkte die Dattel zu nutzen, weil ihr Herkunftsland näher ist. Das ist nachhaltiger. Zudem sind ihre Nährwerte besser als die von Kokosblütenzucker.“

FITBOOK: Inwieweit glauben Sie, dass Ihre Produkte Teil einer Fitness-gerechten Ernährung sein können?

Stahr: „Wir sind definitiv keine Brand, die in Richtung Nahrungsergänzung geht, aber auch Leistungssportler ernähren sich so wie wir – Frühstück, Mittag, Abendessen. Und wir decken den Frühstücksbereich ab. Auch unsere Shakes und Smoothies, die wir in der Gastro vertreiben, sind als Post-Workout-Snack geeignet. Viele unserer Partner im Profi-Sport haben diese in ihre Ernährungskonzepte integriert. Denn Wholey liefert Energie ohne zugesetzten Zucker und Ballaststoffe. Außerdem sind keine Süßstoffe oder Emulgatoren enthalten, es ist ein cleanes Produkt.“

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FITBOOK: Stimmt, Ihr Ursprung liegt in der Gastro mit Smoothie-Mixes und Shakes. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in den Handel zu gehen und wie haben Sie sich entschieden, welche Produktkategorien Sie erschließen wollen?

Carmer: „Wir haben gemerkt, dass der Vertrieb langfristig sehr kleinteilig und kompliziert ist. Für uns war es sehr wichtig, in diesem Bereich Erfahrungen zu sammeln, da wir Quereinsteiger sind. Wir haben gelernt, dass gewisse Trends, die es im Handel noch nicht gibt, in der Gastro gut funktionieren. Das war unsere Smoothie-Bowl. Die kam aus den USA und Bali in die Gastronomie. Wir haben in der Bowl Potenzial für den Handel gesehen und 2020 den Schritt gewagt – zum Glück, denn durch Covid war die Gastronomie erst mal dicht.“

Mit der Açaí-Bowl startete Wholey in der Gastronomie
Mit der Açaí-Bowl startete Wholey in der Gastronomie

FITBOOK: Zum Abschluss: Welches Ihrer Produkte ist besonders beliebt und welche mussten Sie wieder verwerfen?

Carmer: „Wir haben teilweise Produkte angeboten, die etwas zu nischig waren, weil wir sehr in unser Bubble rund um gesunde Ernährung waren. Zum Beispiel hätten wir gerne das Thema gekeimtes Porridge aufgegriffen, aber das benötigt noch zu viel Aufklärung beim Konsumenten.“

Stahr: „Dafür ist die Açaí-Bowl eine unserer Hero-Produkt-Kategorien, weil das Thema wahnsinnig positiv behaftet ist. Außerdem glaube ich, dass sich viele Menschen Bewegung im Cereal-Regal gewünscht haben. Das Angebot von Kellogg’s, Nestlé und Co. hat sich in den letzten Jahren kaum verändert.“

Themen Interview Zucker Zuckerfrei leben
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