20. April 2021, 14:05 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Gesunde Lebensmittel oder Süßigkeiten und Fertigessen? Das ist oft nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern auch des Preises. Eine Supermarkt-Kette in den Niederlanden startet deshalb ein Ernährungs-Experiment mit seinen Kund*innen.
Vollkornbrot oder Weißmehl-Toast, Naturjoghurt oder Schokopudding, frische Zutaten zum Selberkochen oder doch lieber die Tiefkühlpizza? Oft wissen wir ganz genau, was die bessere Entscheidung für unseren Körper wäre. Und doch entscheiden sich viele Menschen im Supermarkt eher mal für ungesundes als für gesundes Essen. Zum einen, weil fett- und zuckerhaltige Produkte einfach gut schmecken. Zum anderen ist aber auch oft der Preis ein Kriterium. Ob man beispielsweise zur Packung Bio-Cashewnüsse oder doch lieber zur Packung Kartoffelchips greift, ist in vielen Fällen auch eine Frage des Geldbeutels.
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Gesundes Essen soll im Supermarkt günstiger werden
Genau deshalb startet die Supermarktkette Coop in den Niederlanden nun ein Experiment. In acht Filialen des Unternehmens werden möglichst unverarbeitete Produkte, Obst und Gemüse günstiger. Ungesunde, kalorienreiche Lebensmittel sollen dagegen deutlich teurer werden. Und auch die Präsentation der Waren wird angegangen. Produkte, die zu einem gesunden Lebensstil beitragen, etwa Vollkornnudeln und ballaststoffreiches Müsli, sind ab sofort auf Augenhöhe platziert. Chips und Co. werden dagegen aus dem Fokus der Einkaufenden gerückt. Im Kassenbereich werden Zigaretten und Schokoriegel gegen gesunde Snacks wie beispielsweise ungesalzene Nüsse ausgetauscht. Außerdem werden gesunde Lebensmittel mit einem Sticker am Regal als Empfehlung ausgewiesen.
„Das Angebot und die Kampagnen in Supermärkten zielen aktuell in erster Linie darauf ab, zum Kauf von ungesunden Lebensmitteln und Getränken anzuregen. Das muss sich ändern.“, erklärt Carolien Martens von Hartstichting, einer niederländischen Herzstiftung, die das Experiment mitfinanziert, in der niederländischen Zeitung „AD“.
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Wird sich das Kaufverhalten der Kundschaft ändern?
Insgesamt soll das Experiment, das Coop in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Amsterdam (UMC) durchführt, ein Jahr laufen. So wollen die Forschenden herauszufinden, ob sich das Kaufverhalten von Menschen im Supermarkt wirklich ändert, wenn gesundes Essen billiger, schneller als solches erkennbar und bequemer zu greifen ist. Die Forscher haben dazu die Freiheit, Preise jederzeit zu verändern und anzupassen.
Laut der niederländischen Zeitschrift „AD“ wurden für das Experiment Supermärkte in Stadtteilen ausgewählt, in denen Menschen eher wenig verdienen und häufig gesundheitliche Probleme haben. Die Forscher*innen wählten pro Supermarkt-Filiale 115 Kund*innen aus, die dort mindestens die Hälfte ihrer wöchentlichen Einkäufe tätigen. Auch ihre Einkäufe, Essgewohnheiten und ihre Gesundheit will das Forschungsteam nun ein Jahr lang überwachen.
Durch regelmäßiges Messen ihres Blutdrucks, Cholesterin-Spiegels und Taillenumfang hofft das Forschungsteam feststellen zu können, ob sich die Anpassungen im Supermarkt tatsächlich positiv auf die Gesundheit der Teilnehmenden auswirkt. „Wir hoffen, nach einem Jahr eine kleine Verbesserung zu sehen. Das würde bedeuten, dass solche Anpassungen langfristig erhebliche gesundheitliche Vorteile für die gesamte Bevölkerung bringen würden“, erklärte eine der Wissenschaftlerinnen, Josine Stuber von der UMC, gegenüber „AD“.
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Welche Relevanz hat das Experiment für Deutschland?
In Deutschland wird immer wieder diskutiert, wie sehr Lebensmittelwerbung das Ess- und Kaufverhalten beeinflusst. So wurden erst kürzlich Forderungen von Ärzt*innen und Foodwatch laut, die sich einsetzen, ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zu erreichen. Schließlich sehen schon Kinder täglich durchschnittlich 15 Werbungen, die ihnen Lust auf für Süßigkeiten und Co. machen sollen. Sollte das Experiment in den Niederlanden zu einem gesünderen Lebensstil der Proband*innen führen oder zeigen, dass sie so eher gesundes Essen im Supermarkt kaufen, könnte das auch hierzulande Diskussionen zu ähnlichen Aktionen entfachen.