27. Juli 2024, 17:34 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Die Tollkirsche gehört zu den bekanntesten und gleichzeitig gefährlichsten Pflanzen der Welt. Auch wenn ihr Erscheinungsbild auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, versteckt sich hinter den kleinen schwarzen Beeren ein starkes Gift – welches bei einer Überdosis sogar zum Tod führen kann. Heutzutage wird die Pflanze als Arzneimittel in der Homöopathie bei unterschiedlichen Beschwerden eingesetzt und auch als „Belladonna“ bezeichnet.
So soll das Gift der Tollkirsche (in der richtigen Dosierung) bei Erkältungen, Kopfschmerzen oder fieberhaften Entzündungen weiterhelfen können. FITBOOK klärt auf, welche Wirkung das Gift der Pflanze hat und worauf man bei der Verwendung achten sollte.
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Übersicht
Was ist eine Tollkirsche?
Die Tollkirsche gehört der Familie der Nachtschattengewächse an und stammt aus der Gattung „Atropa Belladonna“. Die Pflanze kann bis zu 1,5 Meter hoch werden und besitzt einen dicken Wurzelstock. Zum Wachsen bevorzugt sie Böden, die nährstoffreich sind – so ist sie hauptsächlich in Waldlichtungen, Laubwäldern und Kahlflächen anzutreffen. Ebenfalls interessant sind ihre braunvioletten, glockenförmige Blüten, die eine auffällige gelbe Farbe mit roten Adern haben. Aus diesen entwickeln sich später (zwischen Juni und August) die typischen glänzend-schwarzen Beeren – die sich mit Kirschen zum Verwechseln ähnlich sehen.
Vorsicht, Verwechslungsgefahr!
Da die Beeren der Pflanze sehr an das Aussehen von Kirschen erinnern, kann es fälschlicherweise den Eindruck erwecken, sie zu essen. Gerade bei Kindern ist die Gefahr besonders groß, denn: Die Beeren schmecken nicht bitter – und das, obwohl alle Pflanzenteile hochgiftig sind. Sie enthalten nämlich eine große Menge giftiger Alkaloide. Im Jahr 2020 wurde die Tollkirsche sogar zu „Giftpflanze des Jahres“ gewählt. Zusätzlich geht man von einer Sterberate von ungefähr zehn Prozent aus. Bei Erwachsene können zehn Beeren bereits zum Tod führen – wobei die genaue Menge individuell abhängig ist. Teilweise zählen bereits drei bis vier Beeren bei Kindern zu einer tödlichen Dosis.1
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Woher stammt der Name „Tollkirsche“?
Teufelsauge, Teufelskirsche, Tollbeere, Königin der dunklen Wälder, Waldnachtschatten – die Tollkirsche ist unter vielen Namen bekannt. Doch sie alle haben etwas gemeinsam: sie deuten an, dass die Pflanze gefährlich ist. Der am häufigsten im Volksmund verwendete Begriff ist „Belladonna“, was im italienischen Bezug auf die „schöne Frau“ nimmt. Die Geschichte dahinter ist ganz simpel: bereits im 16. Jahrhundert wurde der Saft der Pflanze für kosmetische Zwecke von Frauen genutzt. Genauer gesagt, um die Pupillen zu erweitern, um schöner zu wirken – auch wenn dies alles andere als ungefährlich war.
Die Bezeichnung „Tollkirsche“ hängt mit der Wirkung der Pflanze zusammen. Nimmt man die Beeren in einer zu hohen Dosis zu sich, können Halluzinationen und Tobsuchtanfälle auftreten.
Schicksalsgöttin – die Entscheidung über Leben und Tod
Der Gattungsname selbst „Atropa“, hat seine Wurzeln in der griechischen Mythologie. So hängt die Bezeichnung mit der Schicksalsgöttin Atropos zusammen, die auch als die „Unabwendbare“ den Lebensfaden der Menschen durchschneidet – und spiegelt gleichzeitig die tödliche Natur wider.
Welche Wirkstoffe stecken in der Tollkirsche?
Bestandteil der Tollkirsche sind hochgiftige Alkaloide. Einige davon sind: L-Hyoscyamin, Atropin und Scopolamin, die alle auf das parasympathische Nervensystem wirken. Vor allem bei krampfartigen Schmerzen, wie die des Magen-Darm-Traktes, Bronchialasthma werden die Wirkstoffe der Tollkirsche gerne eingesetzt.
Wie giftig ist die Tollkirsche?
Das Gift Hycosamin kann verheerende Folgen für den menschlichen Körper haben: neben Herzrasen und Atemnot, kann es auch zu einer vollständigen Lähmung der Atmung kommen. Bereits 15 Minuten nachdem man Tollkirschen zu sich genommen hat, können erste Beschwerden auftreten. Anfangs machen sie sich durch einen erhöhten Puls sowie Rede- oder Lachdrang bemerkbar. Danach können Rötungen der Haut, Sehstörungen oder trockene Schleimhäute, als weitere Symptome folgen. Falls sich anfangs Erregungen bemerkbar gemacht hatten, können diese in Halluzinationen umschlagen. Ebenfalls können die Betroffenen mit den Zähnen knirschen, Bewegungsdrang haben oder wild um sich schlagen. Auch Lähmungen, die einem Narkose-ähnlichen Schlaf ähneln, können eintreten. Aufgrund dessen, dass alle Teile der Pflanze giftig sind, ist es ratsam, die Tollkirsche nicht ohne Handschuhe zu berühren, da das Gift auch über die Haut aufgenommen werden kann.2
Was macht Atropin im menschlichen Körper?
Bei Atropin handelt es sich um ein giftiges Tropan-Alkaloid, aus welchem sich dann der Naturstoff (S)-Hyoscamin bildet. Das Gefährliche an Atropin ist, dass es zu folgenden Effekten führen kann:
- Verringerung der Speichel- und Tränensekretion
- Bronchien erweitern sich
- Erhöhung der Herzfrequenz
- Erweiterung der Pupillen
- Bewegungseinschränkungen der glatten Muskulatur des Magen-Darm-Trakts
- Einschränkungen des Auges beim Fokussieren
Allerdings wird Atropin in Augentropfen und -salben häufig dafür verwendet, das Auge beispielsweise während einer Operation ruhigzustellen oder Schmerzen zu lindern.
Bei welchen Beschwerden wird die Tollkirsche angewendet?
In der Homöopathie verwendet man nur die frischen blühenden Pflanzen und entfernt dabei den verholzten Teil des Stängels. Anschließend wird die Verarbeitung hinsichtlich der Richtlinien des Europäischen Arzneibuchs für „Atropa belladonna L.“ durchgeführt, indem die giftigen Stoffe verdünnt (Potenzierung) werden. Dieser Schritt ist besonders wichtig, da die giftigen Ausgangssubstanzen so stark verdünnt werden, dass man sie sicher anwenden kann. Gleichzeitig bleiben die heilenden Wirkungen erhalten.3
Homöopathie
In der Homöopathie bezeichnet man das verdünnte Produkt, welches aus der Tollkirsche hergestellt wird, oft als Belladonna. Hierbei kann sie sowohl in flüssiger und fester Form als auch als Pulver vorliegen. Häufige Anwendungsgebiete, stellen das zentrale und periphere Nervensystem dar, aber auch Probleme mit den oberen Luftwegen oder mit den Augen. Weitere Bereiche wären:
- Entzündungen der Atemwegsorgane
- Halsentzündungen
- Ohrenentzündungen
- Grippale Infekte mit hohem Fieber
- Starke Kopfschmerzen
- Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes
- Übelkeit und Erbrechen
- Bauchkrämpfe
- Hitzegefühl
- Rotes Gesicht
- Vergrößerte Pupillen
- Lärmempfindlichkeit
Aufgrund ihrer krampflösenden Wirkung wird die Tollkirsche häufig zur Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen als auch Herzrhythmusstörungen genutzt.4
Missbrauch als Halluzinogen
Jedoch gibt es auch Fälle, in welchen die Tollkirsche wegen ihrer Wirkung als Halluzinogen oder Rauschmittel missbraucht wird. Die Konsumenten erleiden dann Halluzinationen und ein gesteigertes Tastgefühl. Oft ist es aber so, dass die unangenehmen Nebenwirkungen der Pflanze überwiegen. Zwar kann der Stoff Atropin anregend wirken, bei einer Überdosierung allerdings schnell Tobsucht und Raserei verursachen. Ebenfalls problematisch: der Anteil von Atropin kann teilweise sehr hoch sein. Dadurch ist das Risiko erhöht, eine Überdosis zu erleiden, die im schlimmsten Fall zu Atemlähmungen und Tod führen kann.5
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Wann spricht man vom „akuten Belladonna-Zustand“?
Unter einem sogenannten „Belladonna-Zustand“ versteht man die Symptomatik von unterschiedlichen Erkrankungen, bei welchen die Tollkirsche (die homöopathisch aufbereitet ist) helfen könnte. Zu den auftretenden Symptomen gehören typische Entzündungszeichen, wie Rötung, Schwellung, Hitze oder Schmerz. Dabei kann der Verlauf zu Beginn sehr plötzlich und heftig ausarten. Während der Betroffene ein rotes Gesicht mit glasigen Augen und geweiteten Pupillen hat, können Arme und Beine im Gegenteil kalt sein. Ebenfalls behandelt werden können Übelkeit, Erbrechen und schwere Bauchkrämpfe.
Darauf sollte man vor der Einnahme achten
Entscheidet man sich dazu, eine homöopathische Behandlung mit Belladonna einzugehen, ist es wichtig, sich über die Dosierung und mögliche Unverträglichkeit mit anderen Medikamenten ausreichend zu informieren. Auch wäre es wichtig, sämtliche Nebenwirkungen und Risiken mit dem zuständigen Arzt oder Apotheker durchzusprechen.6