9. März 2024, 18:00 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
Vegane Ernährung ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Und die Anzahl veganer Ersatzprodukte in den Supermarktregalen wächst unermüdlich. Wer sich jedoch schon mal mit veganer Ernährung beschäftigt hat, weiß auch, dass es eine Herausforderung ist, pflanzliche Varianten für liebgewonnene tierische Produkte zu finden, die vom Geschmack und der Textur ähnlich sind. FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger hat sich die Nährwerte von klassischen und veganen Käse angeschaut und mit Nico Hansen, dem Gründer eines Käse-Start-Ups, über seine eigene vegane Käsealternative gesprochen.
Vegane Käsealternativen sind mittlerweile fester Bestandteil des Sortiments vieler Supermärkte und Discounter. Kein Wunder, gibt es doch eine große Nachfrage nach ebendiesen Produkten: Rund 75 Prozent der Europäer stufen es als wahrscheinlich ein, dass sie pflanzenbasierten Käse anstelle von konventionellem Käse essen würden.1 In Deutschland erfreuen sich insbesondere vegane Hart- und Schnittkäse großer Beliebtheit.2 Grund genug, sich die Frage zu stellen, welche Inhaltstoffe sich in diesem befinden – gerade weil veganen Ersatzprodukten oft nachgesagt wird, dass sie einen sehr hohen Salzanteil haben. Nico Hansen, der Gründer von Vanozza, nimmt Stellung zu der Problematik und verrät im Gespräch mit FITBOOK, welche Inhaltsstoffe im veganen Käse stecken und welche Herausforderungen mit der Produktion verbunden sind.
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Übersicht
Was sind vegane Käsealternativen?
Veganer Käse hat sich mittlerweile als beliebtes Produkt auf dem Markt etabliert. Es gibt ihn in zahlreichen Variationen:
- Veganer Frischkäse
- Veganer Käse am Stück
- Veganer Streukäse
- Veganer Mozzarella
Sich vegan zu ernähren, bedeutet nicht automatisch Verzicht. Teilweise eröffnen sich aufgrund der Tatsache, dass man tierische Produkte aus seinem Speiseplan streicht, noch mehr Möglichkeiten, natürliche Alternativen zu finden oder sie selbst zu Hause nachzumachen. So auch im Fall von Käse, für den viele einen guten Ersatz suchen.
In den meisten Käsealternativen stecken pflanzliche Öle, Fette, Wasser und Stärke. Auch können Spuren von Hülsenfrüchten, Nüssen, Reis oder Gemüse nachweisbar sein. Zusatzstoffe wie Verdickungsmittel oder Aromen sind ebenfalls in einigen Produkten enthalten.
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Problempunkt: der Salzgehalt
Die meisten veganen Käsealternativen weisen einen hohen Salzgehalt auf. Die WHO empfiehlt Erwachsenen einen Verzehr von höchstens fünf Gramm Salz pro Tag. Kinder sollten täglich nur zwei Gramm Salz zu sich nehmen. Problematisch hierbei: Der Salzkonsum liegt in der europäischen Region deutlich über der empfohlenen Menge – zwischen acht und 19 Gramm.3 Durch einen regelmäßigen hohen Salzkonsum kann sich jedoch der Blutdruck erhöhen. Die entstehende Hypertonie ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg beurteilt den Salzgehalt in Lebensmitteln anhand einer Nährwertampel.4 Pro 100 Gramm erfolgt die Einstufung folgendermaßen:
- Bis 0,3 Gramm: gering
- 1,5 Gramm: mittel
- Über 1,5 Gramm: hoch
Das sagt die Verbraucherzentrale zu veganen Käsealternativen
Die Verbraucherzentrale Hamburg hat 17 vegane Käse-Alternativen untersucht.5 Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Salzgehalt in den getesteten Produkten ähnlich hoch wie in herkömmlichen Käse ist, fünf Produkte fielen jedoch mit einem doppelt bis dreimal so hohen Salzgehalt negativ auf.
Ernährungsphysiologisch stuften die Verbraucherschützer veganen Käse als weniger wertvoll ein. Grund hierfür waren sehr geringe Eiweiß- und Kalzium-Gehalte sowie hohe Anteile von gesättigten Fettsäuren. Diese können erhöhte Cholesterinwerte begünstigen und damit die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Veganer und normaler Käse im Nährwert-Check
Nährwerttabelle von veganem und konventionellem Mozzarella
Nährwerte | Veganer Mozzarella | Konventioneller Mozzarella |
---|---|---|
Energie | 218 kcal | 263 kcal |
Fett | 18,9 g | 20,9 g |
davon gesättigte Fettsäuren | 11,4 g | 14,2 g |
Eiweiß | 3,4 g | 17,1 g |
Kohlenhydrate | 8,5 g | 1,7 g |
Salz | 1,6 g | 0,46 g |
Vergleicht man die Nährwerte von konventionellem und veganen Mozzarella pro 100 Gramm, kristallisieren sich wesentliche Unterschiede heraus – besonders beim Salzgehalt, der bei der veganen Variante ein Vielfaches des Originals ausmacht.6
Einer der Gründe, weshalb Käse so beliebt ist, ist sein hoher Eiweißgehalt. Gerade Menschen, die trainieren oder viel Sport machen, nutzen Käse um ihren täglichen Proteingehalt zu decken. Im Falle des Vanozza-Produkts besteht die vegane Mozzarella-Basis aus Cashews und liegt mit 3,4 Gramm weit unter dem Eiweißgehalt der tierischen Variante. Im Fettgehalt liegen die Produkte dicht beieinander.
Folgendes lässt sich festhalten
Der konventionelle Käse hat zwar einen geringeren Salzgehalt, allerdings bietet veganer Käse eine leichter verdauliche Alternative für Menschen, die beispielsweise laktoseintolerant sind. Zudem enthält das Milchprodukt mehr gesättigte Fettsäuren, die im schlimmsten Fall eine Erhöhung des Cholesterinspiegels mit sich bringen, was zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Ebenfalls problematisch: Salzige Käsesorten, ob vegan oder nicht, können den Bluthochdruck erhöhen. Lebensmittel mit einem erhöhten Salzgehalt sollten aus diesem Grund also nur in Maßen konsumiert werden.
Ein weiterer Unterschied liegt in der Produktion
So wird, wie bereits oben erwähnt, bei dem herkömmlichen Käse eine Salzlake (Lösung aus Speisesalz und Wasser) verwendet.7 Diese ist in erster Linie dafür da, um sämtliche Bakterien im Produkt abzutöten und eine mögliche Ausbreitung zu verhindern. Gleichzeitig fördert sie die Bildung einer Rinde, da den Käserändern viel Flüssigkeit entzogen wird und sie somit an Härte gewinnen. Je nachdem, um welche Art es sich handelt, liegt der Käse dann bis zu 60 Tage unter Luftabschluss in der Salzlake und kann reifen. Bei den pflanzlichen Alternativen wird dieser Prozessschritt übersprungen. Stattdessen werden Verdickungsmittel für eine feste Konsistenz und Aromen für den Geschmack eingesetzt.8
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Vanozza-Gründer Nico Hansen spricht über veganen Käse
FITBOOK-Redakteurin Julia Freiberger hat sich auf der „Grünen Woche 2024“ bei Nico Hansen, bezüglich seines Produktes – veganer Mozzarella – informiert und ihm einige Fragen zur Herstellung und den Inhaltsstoffen gestellt.
FITBOOK: Was hat Sie dazu motiviert Käsealternativen zu produzieren?
Nico Hansen: „2015 haben wir eine vegane Pizzeria in Hamburg aufgebaut und benötigten dafür guten veganen Käse. Allerdings mussten wir zu unserem Erschrecken feststellen, dass es keinen gab, der unseren Vorstellungen gerecht wurde.“
Die meisten Alternativen schmolzen nicht richtig oder hatten kein Aroma?
Hansen: „Viele, fast alle bleiben am Gaumen kleben – heutzutage wissen wir aber, dass es an der Stärke liegt, die eingesetzt wird. Also haben wir es selbst gemacht. Meine Tante aus Italien hat uns die Idee geliefert, aus Cashews, Flohsamen und Kokosfett Mozzarella zu machen. Vor zwei Jahren habe ich mich damit selbstständig gemacht, professionell veganen Käse herzustellen und neue Sorten zu entwickeln.“
„Ich stimme zu, dass Salz kritisch ist“
Welche Rolle spielt Salz in Ihren Produkten, und wie gehen Sie mit Bedenken hinsichtlich des hohen Salzgehalts in veganen Ersatzprodukten um?
Hansen: „Ich stimme zu, dass Salz kritisch ist, denn in der Regel nehmen wir davon zu viel auf und das ist nicht gesundheitsförderlich. Wir haben unseren Salzgehalt, als wir in der Produktentwicklung mit den einzelnen Zutaten waren, angepasst, weil viele Gastronomie-Partner mit denen wir zusammengearbeitet haben, meinten, dass wir den Salzgehalt erhöhen müssen. Deswegen sind wir bei 1,6 Prozent Salz beim Mozzarella – das hat nur geschmackliche Gründe. Aber wenn man den Salzgehalt von einem konventionellen Mozzarella anschaut, dann ist der Wert nicht so leicht mit unseren zu vergleichen, weil er in einer Salzlake ist und über die Zeit Salz in das Produkt diffundiert. Dies ist bei uns nicht der Fall. Deshalb ist der Salzgehalt bei uns etwas höher.“
„Im Vergleich zum herkömmlichen Käse haben wir ein bisschen weniger Eiweiß“
FITBOOK: Wie lassen sich pflanzlichen Alternativen in Bezug auf Nährwert mit herkömmlichem Käse vergleichen?
Hansen: „Für die Schmelzeigenschaften ist es wichtig, dass der Käse, einen gewissen Fettgehalt hat. Das ist für den Geschmack auch wichtig, weil Fett ein Geschmacksträger ist. Es wäre schwierig, ein Ersatzprodukt zu machen, welches zeitgleich ein Diätprodukt ist. Deshalb haben wir den Ansatz in der Entwicklung gewählt, dass wir auf keinen Fall weniger Fett rein machen. Wir wollen erst mal, dass es schmeckt. Im Vergleich zum herkömmlichen Käse haben wir ein bisschen weniger Eiweiß. Das finde ich nicht problematisch, da Eiweiß keinen kritischen Nährstoff in unserer Ernährung darstellt. Davon haben wir in der Regel alle genug. Wobei es natürlich etwas anderes ist, wenn man sportlich unterwegs ist. Beim Feta-Käse haben wir es neu gemacht: Wir haben eine etwas ausgebaute Zutatenliste mit einem Kalzium-Zusatz gewählt, um mehr Calcium hereinzugeben, weil wir keine Milch verarbeiten. Im März würde das Produkt gelauncht werden.“
»Konsistenz und Schmelzverhalten sind Herausforderungen
FITBOOK: Wie unterscheiden sich die Produkte von anderen Käsealternativen?
Hansen: „Beim Mozzarella sind es sieben Zutaten, die da drin sind – und sie ziehen Fäden. Das ist uns wichtig gewesen, weil Mozzarella nicht der geschmacksintensive Käse ist. Der Geschmack selbst war nicht die größte Herausforderung, sondern die Konsistenz und das Schmelzverhalten: dass er sowohl fest ist im kalten Zustand, als auch warm die Konsistenz vom geschmolzenen Käse hat, wenn er beispielsweise auf einer Pizza oder Lasagne liegt.“
FITBOOK: Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um sicherzustellen, dass die pflanzlichen Käsealternativen gesundheitlich unbedenklich sind?
Hansen: „Was bei uns drin ist, sind direkt gehandelte Cashews aus Tansania, da haben wir lange daran gearbeitet, um diese direkte Handelsbeziehung aufzubauen. Wir arbeiten mit einem Start-up aus München und umgehen so den langen Weg nach Vietnam. Uns war es wichtig, den Weg so kurz wie möglich zu halten und die Wertschöpfungen auch im Anbauland zu lassen. Weil es wirtschaftlich sonst ein großes Problem für Afrika ist. Die Flohsamenschalen werden aus Indien beschafft und wir haben Bio-Kokosöl aus Sri Lanka, um da auch gewisse Umweltbedingungen auszuschließen.“
FITBOOK: Wie reagieren die Menschen, wenn sie das erste Mal Ihr Produkt probieren?
Hansen: „Man kann bei vielen Leuten einfach sehen, wie sie skeptisch an einen herantreten und eigentlich nur ihre eigene Meinung, dass das alles nicht schmeckt, bestätigt bekommen wollen. Und dann sieht man häufig wie sich das Gesicht wandelt und die Leute sagen ‚Ach Mensch, das war doch ganz lecker. Hätte ich gar nicht gedacht.‘ Und das ist tolles Feedback für uns, weil das genau das ist, was wir wollen: aus anderen Zutaten dasselbe Geschmackserlebnis schaffen. Die meisten Käsesorten sind bearbeitet und werden auch nicht pur gegessen.“
FITBOOK: Gibt es spezielle Herausforderungen bei der Herstellung von pflanzlichem Käse, die bestimmte Zusatzstoffe erfordern?
Hansen: „Um den Käsegeschmack zu verstärken, haben wir Hefeflocken hinzugefügt und bewusst kein Hefeextrakt eingesetzt. Denn die helfen, den Salzgehalt nicht höher setzen zu müssen, als er aktuell ist. Ansonsten ist eine Menge Prozesstechnologie hineingeflossen und hängt weniger an den Zutaten. Wir bedienen uns vielen Techniken der traditionellen Käseproduktion und verbinden diese mit modernen Techniken der Lebensmittelproduktion – ein wenig wie Alte und Neue Welt. Dadurch, dass wir gesagt haben, wir wollen kein neues Produkt machen, sondern nur neue Zutaten zur Alternative stellen, sind wir da anders rangegangen.“
Meiner Meinung nach sollte veganer Käse nicht direkt mit konventionellem Käse verglichen werden
Beide Produkte unterscheiden sich nämlich grundlegend in ihren Inhaltsstoffen, ihrer Herkunft und Produktionsschritten. Ich ernähre mich zwar nicht vegan, weiß aber von Freunden, wie schwierig es ist, Ersatzprodukte zu finden, die vom Geschmack und der Konsistenz her überzeugen oder zumindest ähnlich wie das tierische Produkt schmecken. Es stimmt zwar, dass einige vegane Käseersatzprodukte einen erhöhten Salzgehalt aufweisen, doch es liegt oft daran, dass man den Geschmack und die Haltbarkeit eines Produktes verbessern möchte. Gleichzeitig gibt es aber auch zahlreiche tierische oder pflanzliche Produkte, die ebenfalls einen erhöhten Salzgehalt haben, ohne dass sie kritisch betrachtet werden. Die Auseinandersetzung mit dem Salzgehalt sollte also keineswegs dazu führen, vegane Ersatzprodukte negativ zu beleuchten. Viel mehr sollte der Fokus darauf liegen, dass Menschen Produkte für sich selbst wählen, die ihren individuellen Bedürfnissen und Werten am besten entsprechen.