2. Oktober 2023, 4:43 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten
L-Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, also ein lebensnotwendiger Eiweiß-Baustein. Bekannt ist sie auch als Vorstufe von Serotonin, dem „Glückshormon“. Als Nahrungsergänzungsmittel findet Tryptophan bei Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen Anwendung. Wie es wirkt und wann es zum Einsatz kommen kann, erklärt FITBOOK-Autorin Janna Vahlhaus.
Da Tryptophan nicht vom eigenen Körper hergestellt werden kann, muss die Aminosäure von außen – bspw. über die Nahrung – aufgenommen werden. Weil es aber nicht immer so leicht ist, den Tagesbedarf zu decken, gewinnen Tryptophan-Nahrungsergänzungsmittel (NEM) immer mehr an Beliebtheit. Gerade weil die Aminosäure eine bedeutende Rolle bei der Produktion von Serotonin spielt, erscheinen potenzielle Effekte auf die Stimmung und Leistungsfähigkeit schlüssig. Darüber hinaus ist Tryptophan in vielen weiteren Prozessen im Körper beteiligt. Wir erklären, was man über die Supplementierung wissen sollte.
Übersicht
- Worum handelt es sich bei Tryptophan Supplementen und was enthalten sie?
- Wie funktioniert das Supplement im Körper?
- Studienlage zur Wirkung von Tryptophan-Supplementen auf die Gesundheit und Leistung
- Für wen das Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein kann bzw. wer davon profitiert
- Training und Supplementierung – worauf man achten sollte
- Wann man bzw. wer das Nahrungsergänzungsmittel nicht einnehmen sollte
- Mögliche Risiken, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten
- Empfohlene Dosis
- Tryptophan über die Ernährung aufnehmen
- Fazit
- Quellen
Worum handelt es sich bei Tryptophan Supplementen und was enthalten sie?
Tryptophan-Nahrungsergänzungsmittel (NEM) sind Präparate, die eine konzentrierte Form von L-Tryptophan enthalten. Das „L“ steht dabei für eine besondere räumliche Anordnung im Vergleich zu R-Tryptophan, dem Enantiomer („Spiegelbild-Molekül“).
Bei L-Tryptophan handelt es sich um einen essenziellen Eiweiß-Baustein, also eine Aminosäure, die nicht vom Körper selbst hergestellt werden kann und somit zugeführt werden muss. Aufgenommen wird sie hauptsächlich über proteinreiche Nahrung, wobei Tryptophan sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt.1
Heutzutage ist es aber auch in konzentrierter Form als NEM zu finden, um bequem die tägliche Zufuhr zu erhöhen. Sie sind freiverkäuflich in Drogerien, Reformhäusern o.ä. erhältlich und unterscheiden sich in der Dosierung zu entsprechenden Arzneimitteln, die ebenfalls ohne Rezept in der Apotheke zu kaufen sind.
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Wie funktioniert das Supplement im Körper?
L-Tryptophan ist nicht nur am Aufbau von Proteinen beteiligt, sondern ist gleichzeitig Hormon- und Neurotransmittervorstufe. Denn es kann einerseits in das „Schlafhormon“ Melatonin umgewandelt werden, das sonst nur bei Dunkelheit ausgeschüttet wird, oder in den Nervenbotenstoff Serotonin, der für stimmungsaufhellende Wirkung bekannt ist. Für letztere Umwandlung werden zusätzlich Cofaktoren im Körper, wie bspw. Vitamin B6, benötigt.
Diese Eigenschaft macht Tryptophan besonders attraktiv, da Serotonin selbst nicht substituiert werden kann, weil es nicht die Blut-Hirn-Schranke durchquert. Als wäre das noch nicht genug, kann Tryptophan schließlich noch zu Vitamin B3 (Niacin) umgewandelt werden.2
Man muss somit die Funktionen all dieser verschiedenen Stoffwechselprodukte verstehen, um die potenziellen Wirkungen von Tryptophan nachvollziehen zu können.
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Studienlage zur Wirkung von Tryptophan-Supplementen auf die Gesundheit und Leistung
Depressive Verstimmungen reduzieren
Der Serotoninspiegel spielt eine große Rolle bei depressiven Verstimmungen. Wenn er dauerhaft zu niedrig ist, kann es zu Stimmungsschwankungen, Traurigkeit und Schlafstörungen bis hin zur Depression kommen. Aufgrund der Verstoffwechslung von Tryptophan zu Serotonin, liegt die Empfehlung einer Einnahme also nahe, gerade weil Serotonin selbst nicht supplementiert werden kann.3
Es gibt dafür auch Hinweise aus klinischen Studien, dass eine Einnahme tatsächlich effektiv gegen oben beschriebene Symptome im Vergleich zu einem Placebo wirkte.4 Trotzdem ist die Wirksamkeit umstritten, weshalb es weitere Forschung bedarf.5
Schlafstörungen verbessern
Bei Schlafstörungen hat sich eine Einnahme von 1 bis 2 Gramm Tryptophan, etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen, als wirksam erwiesen, indem es die Schlafbereitschaft förderte und das Einschlafen erleichterte. Höchstwahrscheinlich sind diese Effekte auf die Verstoffwechselung zu Melatonin zurückzuführen.6
Die Daten sind aber teilweise lückenhaft, und es sollte vor der Einnahme von Tryptophan immer erst andere Ursachen für die Schlafstörungen (z.B. depressive oder andere psychiatrische Erkrankungen) ausgeschlossen werden.7
Einen Tryptophan-Mangel vorbeugen
Einer der Hauptgründe für eine Tryptophan-Supplementierung ist, einen Mangel mit entsprechenden Beschwerden und möglichen Folgeerkrankungen vorzubeugen, wobei ein Mangel in Europa recht selten vorkommt, da er über eine ausgewogene Ernährung vermieden und/oder behoben werden kann.
Beschwerden reichen dabei von Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, innerer Unruhe und Angstzuständen sowie Leistungsabfall und Antriebslosigkeit.8
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Weitere potenzielle Wirkungen
Es werden weitere potenzielle Wirkungen in Bezug auf die Tryptophan-Einnahme diskutiert, die aber jeweils nicht belegt sind. Hier finde sie eine kurze Auflistung:
- Wechseljahre-Beschwerden wie Hitzewallungen
- Reizdarm-Syndrom
- Gewichtsreduktion
- Entlastung der Schilddrüse
Für wen das Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein kann bzw. wer davon profitiert
Ein besonders hohes Risiko für einen Tryptophan-Mangel haben Menschen, die sich einseitig ernähren, wobei die Annahme, dass Vegetarier oder Veganer ein höheres Risiko für einen Mangel haben, nicht zutrifft.
Des Weiteren haben Menschen, die an einer Zuckermalabsorption leiden – also deren Körper Zucker nicht aufnehmen kann – ebenfalls ein erhöhtes Risiko. In diesem Fall binden die freien Zuckermoleküle nämlich das Tryptophan im Darm, wodurch es nicht in die Blutbahnen gelangt. In diesem Fall kann eine präventive Supplementierung sinnvoll sein.9 Dennoch sollte die Einnahme immer mit einem Arzt oder Ernährungsberater besprochen werden.
Training und Supplementierung – worauf man achten sollte
Auch viele Sportler setzten auf Tryptophan-Supplemente, da sie die Leistungsfähigkeit und damit Trainingserfolge steigern sollen. Einerseits wird angenommen, dass dies im Rahmen der Muskelkraft geschieht, da Serotonin an der Muskelkontraktion beteiligt ist.10 Auch im Bereich Ausdauer soll Serotonin helfen, da es die Wahrnehmung von Ermüdung reduzieren soll.11 Schließlich wird vermutet, dass Tryptophan bei der Reduzierung von Körperfett und dem Erhalt von Muskelmasse helfen kann, was wiederum durch die Regulierung von Appetit durch Serotonin erklärt wird. Die Forschung auf diesen Gebieten ist jedoch begrenzt, und die Ergebnisse sind nicht eindeutig, weshalb eine gesunde Ernährung und ausgewogenes Training immer Vorrang haben sollten.
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Wann man bzw. wer das Nahrungsergänzungsmittel nicht einnehmen sollte
Gerade bei einer Histaminintoleranz kann eine große Menge an Serotonin zum Problem werden, da es das Enzym (Diaminoxidase) hemmt, das für den Abbau von Histamin verantwortlich ist. Betroffene bekommen somit schneller Beschwerden.
Auch während der Schwangerschaft und Stillzeit ist eine Einnahme nicht zu empfehlen, da es keine hinreichenden Daten zur Anwendung gibt. Des Weiteren sollte eine Einnahme vermieden werden, wenn noch aktiv am Verkehr teilgenommen werden möchte und/oder eine Maschine bedient wird, da durch die schlaffördernde Wirkung das Reaktionsvermögen eingeschränkt sein kann.12
Weitere Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit (Allergie) gegenüber dem Wirkstoff oder anderen Bestandteilen des Medikaments oder Nahrungsergänzungsmittels
- schwere Leber-, Herz- oder Nierenerkrankungen
- Dünndarm Karzinoid mit Herzschädigung (Hedinger-Syndrom)
- gleichzeitige Einnahme von diversen Medikamenten (siehe nächstes Kapitel)
In all diesen Fällen sollten vor der Einnahme von Tryptophan-NEM unbedingt ein Arzt konsultiert werden.
Mögliche Risiken, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten
Die Einnahme von Tryptophan ist prinzipiell mit wenigen Nebenwirkungen behaftet. Zu den wenigen gehören Schwindel, Kopfschmerzen und Lichtempfindlichkeit, wobei hierzu keine genauen Zahlen der Häufigkeit vorliegen. Auch eine Veränderung im Blutdruck ist möglich, worauf besonders Patienten mit Bluthochdruck achten sollten. Schließlich kann es bei einer Überdosierung zum sogenannten Serotonin-Syndrom kommen, das sich durch Fieber, neuromuskuläre Symptome (Zittern, Muskelzuckungen, Muskelstarre etc.) und psychische Symptome (Bewusstseinsstörung, Verwirrtheit, Desorientierung etc.) äußert.13
Auch bei den Medikamenten sieht es etwas komplizierter aus, denn es gibt einige Medikamente, die mit Tryptophan interagieren können:
- Wirkstoffe, die Einfluss auf den Serotonin-Spiegel haben (z.B. MAO-Hemmer, Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren und serotonerge Anorektika), erhöhen das Risiko eines Serotonin-Syndroms.
- Wirkstoffe mit hoher Proteinbindung können verstärkt werden (z.B. das Herzmittel Digoxin).
- Antiepileptika können die Wirkung von Tryptophan sowohl verstärken (Carbamazepin) als auch abschwächen (Phenytoin).
- Die Wirkung von Levodopa bei Parkinson kann vermindert sein.
- Die Wirkungen von trizyklischen Antidepressiva und Lithium können verstärkt werden.
- Bei gleichzeitiger oder vorausgegangener Behandlung mit Phenothiazinen (Psychose) oder Benzodiazepinen (Schlaf- und Beruhigungsmittel) traten verstärkte Nebenwirkungen auf.
- Tryptophan vermindert die Toleranzentwicklung bei Opioiden.
Empfohlene Dosis
Die empfohlene Dosis von Tryptophan kann je nach Person variieren, da sich der Bedarf nach dem Körpergewicht richtet (ca. 5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht). Es gibt Tabletten mit 0,5 bis zu 500 Milligramm, wobei ein gesunder Erwachsener bei einem Gewicht von 70 Kilogramm täglich etwa 350 Milligramm Tryptophan benötigt. Da solch eine Menge relativ leicht über die Nahrung aufgenommen werden kann, wird eine Dosis von mehr als 100 bis 200 Milligrammim Fall einer Supplementierung nicht empfohlen, da eine Überdosierung das oben erwähnte Serotonin-Syndrom herbeiführen kann.
Über die Langzeitanwendung von Tryptophan liegen keine Daten vor, weshalb nach drei bis vier Wochen die Notwendigkeit einer Therapiefortsetzung hinterfragt werden sollte.14
Tryptophan über die Ernährung aufnehmen
Tryptophan kann auch über die Ernährung aufgenommen werden, wobei die empfohlene Tagesdosis etwa 250 bis 425 Milligramm pro Tag beträgt.
Diese Lebensmittel sind reich an Tryptophan
Tryptophan ist sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, wie Geflügel, Milchprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten. Besonders große Mengen Tryptophan finden sich in Hartkäse, Erdnüssen, Sojabohnen und dunkler Schokolade, wie den untenstehenden Werten pro 100 g Lebensmittel zu entnehmen ist:
- Emmentaler: 460 Milligramm
- Kalbsfilet: 310 Milligramm
- Hühnerbrust: 310 Milligramm
- Thunfisch: 300 Milligramm
- Hühnerei: 230 Milligramm
- Sojabohnen: 590 Milligramm
- Cashewnüsse: 450 Milligramm
- Sonnenblumensamen: 310 Milligramm
- Haferflocken: 190 Milligramm
- Walnüsse: 170 Milligramm
Fazit
Tryptophan-Nahrungsergänzungsmittel können eine sinnvolle Ergänzung für Menschen sein, die bestimmte gesundheitliche oder sportliche Ziele verfolgen. Dennoch sollte ihre Verwendung immer sorgfältig und mit ärztlicher Absprache erfolgen, da sie einige Kontraindikationen und entsprechende Risiken birgt. Eine ausgewogene Ernährung bleibt die beste Quelle für alle Nährstoffe, einschließlich Tryptophan, und sollte immer priorisiert werden.
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Quellen
- 1. Gibson, E. (2018). Tryptophan supplementation and serotonin function: Genetic variations in behavioural effects. Proceedings of the Nutrition Society.
- 2. Schäfer, P. Inhaltsstoff Tryptophan (L-Tryptophan). Pascoe. (aufgerufen am 28.09.2023)
- 3. Jenkins, T.A., Nguyen, J.C., Polglaze, K.E. et al. (2016). Influence of Tryptophan and Serotonin on Mood and Cognition with a Possible Role of the Gut-Brain Axis. Nutrients.
- 4. Kikuchi, A.M., Tanabe, A., Iwahori, Y. (2021). A systematic review of the effect of L-tryptophan supplementation on mood and emotional functioning. Journal of Dietary Supplements.
- 5. Steenbergen, L., Jongkees, B.J., Sellaro, R. et al. (2018). Tryptophan supplementation modulates social behavior: A review.Neuroscience & Biobehavioral Reviews.
- 6. Hartmann, E., Spinweber, C.L. (1979). Sleep induced by L-tryptophan. Effect of dosages within the normal dietary intake. The Journal of Nervous and Mental Disease.
- 7. Wang, D., Li, W., Xiao, Y. et al. (2016). Tryptophan for the sleeping disorder and mental symptom of new-type drug dependence: A randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Medicine (Baltimore).
- 8. Waxenegger, C. Tryptophan. NetDoktor. (aufgerufen am 28.09.2023).
- 9. Wolfs Apotheke. L-Tryptophan-Ratgeber: Funktion, Anwendung & Wirkung. (aufgerufen am 28.09.2023)
- 10. Segura, R., Ventura, J.L. (1988). Effect of L-tryptophan supplementation on exercise performance. International Journal of Sports Medicine.
- 11. Javierre, C., Segura, R., Ventura, J.L. et al. (2010). L-tryptophan supplementation can decrease fatigue perception during an aerobic exercise with supramaximal intercalated anaerobic bouts in young healthy men. The International Journal of Neuroscience.
- 12. Gelbe Liste. Tryptophan. (aufgerufen am 28.09.2023)
- 13. Ratini, M. L-tryptophan. WebMD. (aufgerufen am 28.09.2023)
- 14. VitaminExpress. Tryptophan – gute Laune und erholsamen Schlaf. (aufgerufen am 28.09.2023)