11. September 2024, 14:13 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer unter Rauschen und Piepen im Ohr leidet oder Sehstörungen hat, sollte nichts mit Chinin trinken, was oft in Bittergetränken enthalten ist. Das könnte die Symptome verschlimmern. Welche Personen sonst noch gefährdet sind, erklärt FITBOOK-Ernährungsredakteurin Sophie Brünke.
Aktuell kursiert ein tragischer Fallbericht der Klinik Ludwigsburg über eine 25-jährige Patientin, die unwissend Tonic Water mit einem Medikament kombinierte, welches in gefährliche Wechselwirkungen trat – und zu ihrem Tod führte. Welchem Mechanismus dieser zugrunde lag und in welchen weiteren Fällen Sie lieber die Finger von bitteren Erfrischungsgetränken lassen sollten, erfahren Sie hier.
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Übersicht
Tonic Water und Loperamid – eine lebensgefährliche Kombi
Eine gesunde 25-Jährige aus Ludwigsburg erkrankte an einer Magen-Darm-Grippe. Als sich die Beschwerden in den Abendstunden verschlimmerten, nahm sie in Absprache mit dem ärztlichen Notdienst das Medikament Loperamid ein. Da sich keine Verbesserung einstellte, führte sie zusätzlich Ibuprofen gegen die Schmerzen und am frühen Morgen noch mal Loperamid zu sich. Wie der Fallbericht der Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum Ludwigsburg erklärt, habe ihr Lebensgefährte sie morgens als nicht mehr ansprechbar aufgefunden und den Notruf kontaktiert. Dieser diagnostizierte einen Kreislaufstillstand.1
Was war im Körper passiert?
Im Krankenhaus wurde schließlich ein hypoxischer Hirnschaden festgestellt. Andere Ursachen für den Hirntod der jungen Frau wurden ausgeschlossen. Zu der Vergiftung kam es wahrscheinlich, da sie am Vortag etwa zweieinhalb Liter Tonic Water getrunken hatte. Das bittere Getränk enthält je nach Sorte 60 bis 80 Milligramm Chinin pro Liter, und dieser Bitterstoff trat mit dem Loperamid in Wechselwirkung. Das Chinin aus dem Tonic Water kann den Abbau von Loperamid im Gehirn hemmen und dadurch die Gefahr einer Überdosis erhöhen.
Der Fallbericht des Klinikums schließt mit dem Fazit, dass in Zukunft ein Gefahrenhinweis für chininhaltige Limonaden auf der Verpackung des Medikaments abgedruckt werden sollte.
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Weitere Fälle, bei denen Vorsicht geboten ist
Der enthaltene Pflanzenstoff Chinin kann bei Schwangeren sowie Menschen mit Tinnitus, Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen oder einem geschädigten Sehnerv zu gesundheitlichen Problemen führen, wenn sie von dem Alkaloid aus dem Chinarindenbaum eine größere Menge zu sich nehmen. Das erfragte die dpa bei der die Verbraucherzentrale Bayern.
Betroffene sollten vorsorglich auf chininhaltige Getränke wie Tonic Water oder Bitter Lemon lieber ganz verzichten, rät Verbraucherschützerin Michelle Veith. Auch wer andere Medikamente als Loperamid einnimmt, etwa Blutgerinnungshemmer, Opioide, Neuroleptika oder bestimmte Antidepressiva, müsse achtgeben.2
So erkennen Sie, ob ein Lebensmittel Chinin enthält
„Da Chinin potenziell gesundheitsgefährdend wirken kann, gibt es per Gesetz festgelegte Höchstwerte, welche die Hersteller einhalten müssen. Doch da auch in diesem Rahmen durch (halbwegs) übliche Verzehrmengen gefährliche Chininkonzentrationen erreicht werden können, wie der traurige Fall aus Ludwigsburg zeigt, müssen Produkte zusätzlich entsprechend gekennzeichnet werden. Einfach zu merken bei abgepackten Lebensmitteln ist: Diese dürfen kein Chinin zugesetzt bekommen, hier müssen Sie also nicht die Zutatenliste studieren. Anders sieht es bei Getränken aus. Hier finden Sie entweder die Angabe ‚Aroma Chinin‘ in den Zutaten oder den Hinweis ‚chininhaltig‘ auf der Flasche – denn unter bestimmten Bedingungen sind für alkoholische Getränke Zutatenverzeichnisse nicht verpflichtend.“
Im Restaurant im Zweifel nachfragen
Wer im Lokal die alkoholfreien Getränke auf dem Aushang oder der Speise- und Getränkekarte studiert, sollte es einfach haben. Für die Gastronomie ist es laut Verbraucherzentrale verpflichtend vorgeschrieben, auf den Bitterstoff als „Aroma Chinin“ hinzuweisen. Anders sieht es bei Spirituosen und alkoholischen Mischgetränken aus. Dort sei nicht immer klar erkennbar, ob Chinin enthalten ist. Im Zweifel ist es ratsam, nachzufragen oder auf das besagte Getränk lieber zu verzichten.
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Chinin ist nicht nur Bestandteil von Getränken
Nicht nur Tonic Water, Bitter Lemon oder Mixgetränke und Spirituosen können Chinin enthalten. Wie FITBOOK-Autorin und Diplom-Ökotrophologin Beke Enderstein bereits in einem früheren Beitrag ausführte, findet Chinin auch in der Medizin Anwendung. So hat sich der Pflanzenstoff für die medikamentöse Therapie von Malaria-Erkrankungen durchgesetzt. Ebenso als Gegenmittel bei Wadenkrämpfen. Weitere Anwendungsgebiete: als Mittel gegen Infektionen und grippale Infekte (Fiebersenker) sowie als Schmerzmittel.
*Mit Material von dpa