15. Juni 2023, 5:15 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Altern ist ein unvermeidlicher Prozess. Dabei verändern sich Funktionen im Körper, Organe arbeiten schwächer. Auch der Anteil an Taurin im Körper sinkt. Forschende vermuten in Taurin den Schlüssel, um Alterungsprozessen entgegenzuwirken.
Wer schon einmal auf die Zutatenliste eines Energy Drinks geschaut hat, wird Taurin kennen. Früher aus der Galle von Ochsen gewonnen, wird Taurin heute synthetisch hergestellt. Der Stoff gehört zur Kategorie der biogenen Aminen und entsteht beim Abbau von schwefelhaltigen Aminosäuren. Der Körper ist in der Lage, Taurin selbst zu bilden, es ist aber auch in Lebensmitteln wie Eiern, Fisch und Geflügel enthalten. Im Laufe des Lebens nimmt die Taurin-Konzentration im Körper bei Tieren und auch Menschen ab. Da das Amin an vielen Prozessen im Körper beteiligt ist, werden diese im Alter schwächer oder fehleranfälliger. Blutproben zeigten, dass der Taurin-Gehalt im Körper bei Menschen über 60 Jahre um mehr als 80 Prozent reduziert ist im Vergleich zu Jugendlichen. Und laut einer neuen Untersuchung könnte es genau da einen Zusammenhang zur Schnelligkeit des Alterungsprozesses geben.
Übersicht
Hintergrund der Studie
Frühere Studien haben gezeigt, dass die Konzentration von Taurin im Blut mit dem Gesundheitsstatus korreliert.1 Unbekannt ist, ob die Taurin-Konzentration im Blut die Alterung beeinflusst. Ein Team der Columbia University in New York hat die Taurin-Spiegel während des Alterns gemessen und die Auswirkung einer Taurin-Supplementierung auf die Gesundheit und die Lebensspanne bei verschiedenen Tierarten untersucht: In der Studie wurde Rhesus-Affen und Mäusen mittleren Alters Futter gegeben, welches mit Taurin angereichert war. Ziel war es, dass die Tiere so auf Taurin-Werte von jungen Tieren kommen.2
Wie Taurin das Altern bei Tieren beeinflusst
Die Taurin-Supplementierung zeigte Erfolg: Die Lebenserwartung der Mäuse stieg um zehn bis zwölf Prozent an. Zudem lebten sie nicht nur länger, sondern auch gesünder. Bei weiblichen Mäusen fiel die altersbedingte Gewichtszunahme geringer aus. Bei männlichen Mäusen wurde die Gewichtszunahme nicht direkt beeinflusst, jedoch entwickelte sich das Verhältnis der Fettpolster zum Körpergewicht günstiger als bei nicht behandelten Mäusen – so waren sie weniger anfällig für Adipositas. Alle mit Taurin behandelten Mäuse zeigten einen verbesserten Gesundheitsstatus. Im Vergleich zu Kontroll-Mäusen war ihre Muskelkraft sowie Knochendichte erhöht, sie zeigten eine bessere neuromuskuläre Koordination sowie Glucosetoleranz, ein gesteigertes Gedächtnis und weniger Angst. Bei den Rhesus-Affen zeigte die Taurin-Gabe vergleichbare Effekte.
Auch auf Zellebene war die Wirkung des Taurins messbar: „Klassische“ Marker für das Altern verbesserten sich. So verlangsamte sich die Zellalterung und ein Mangel des Enzyms Telomerase fiel geringer aus. Fehlfunktionen der Mitochondrien, DNA-Schäden sowie Entzündungsprozesse waren reduziert. Auf diese Weise verlängerte sich auch diejenige Zeitspanne im Leben, in der die Tiere von altersbedingten Krankheiten verschont blieben.
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Wie Taurin das Altern bei Menschen beeinflusst
Für die Wirkung von Taurin beim Menschen gibt es bisher nur wenige Nachweise. Deshalb untersuchten die Wissenschaftler der Columbia University in einem weiteren Studien-Schritt Gesundheitsdaten von 12.000 Probanden aus einer britischen Langzeitstudie. Die Analyse zeigte, dass der Taurin-Spiegel im Blut mit altersspezifischen Erkrankungen korreliert: Menschen mit geringeren Taurin-Spiegeln waren häufiger an Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und chronischen Entzündungen erkrankt. Außerdem waren ihre Cholesterinwerte im Vergleich zu Gleichaltrigen mit höheren Taurin-Spiegeln erhöht und ihr Bauchfett war stärker ausgeprägt. Auch konnte festgestellt werden, dass der Körper durch Sport vermehrt Taurin bildet. Das könnte mitunter eine Erklärung für den positiven Einfluss von Sport auf die Gesundheit sein.
Noch konnte nicht bewiesen werden, dass der Zusammenhang zwischen Taurin und den Alterungsprozessen im Körper kausal ist, jedoch sehen Wissenschaftler Potenzial in Taurin als Anti-Aging-Mittel. In zukünftigen Studien gilt es, die Wirkung von Taurin bei Menschen genauer zu erforschen.
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Zunächst: Bisher sind keine toxischen Effekte von Taurin bei Menschen bekannt. Allerdings sind die Wirkungen von sehr hohen Dosen auf den Menschen bisher nicht erforscht. Außerdem wurde Taurin in dieser Studie isoliert betrachtet. Energy Drinks enthalten neben Taurin auch hohe Mengen Zucker und Koffein, welche sich negativ auf die Gesundheit auswirken können. Empfindliche Personen können zudem auf die enthaltenen Zusatzstoffe reagieren.
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Quelle
- 1. K. C. Hayes, R. E. Carey, S. Y. Schmidt (1975). Retinal degeneration associated with taurine deficiency in the cat. Science.
- 2. Singh, P., Gollapalli, K., Mangiola, S. et al. (2023) Taurine deficiency as a driver of aging. Science.