
7. April 2025, 13:43 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Zucker kann nicht nur das Risiko für Übergewicht und Diabetes fördern, sondern unter anderem auch Nervenzellen schädigen und zu einer Fettleber führen. Viele setzen daher auf kalorienarme Süßstoffe als Alternative – doch auch hierbei sollte man Vorsicht walten lassen, wie eine aktuelle Studie zeigt. FITBOOK-Redakteurin Janine Riedle fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Von Maltit bis Erythrit gibt es viele Möglichkeiten, Zucker gegen Süßstoff einzutauschen. Doch sind die Ersatzstoffe wirklich gesünder als das Original? Eine aktuelle Studie der Keck School of Medicine an der University of Southern California (USC) hat einen bestimmten Süßstoff, der besonders beliebt ist, genauer untersucht: die sogenannte Sucralose, 600-mal süßer als Zucker und seit 2004 in Europa zugelassen.1 Sucralose wird im Körper nicht verstoffwechselt, sondern lediglich wieder ausgeschieden. Da sie auch fast keine Kalorien hat, soll Sucralose den Blutzuckerspiegel nicht beeinflussen – das hat jedoch einen Haken: Laut früherer Untersuchungen kann sie das Darmmikrobiom verändern.2 Und laut der aktuellen Studie birgt der Süßstoff Sucralose auch ein Risiko für Gewichtszunahme trotz Kalorienarmut.
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Übersicht
Süßstoffe als Zuckerersatz
Viele Menschen konsumieren regelmäßig kalorienfreie Süßstoffe – meist in der Hoffnung, dadurch Zucker zu sparen und ihr Gewicht zu regulieren. Doch was passiert wirklich im Körper, wenn man diese Zuckerersatzstoffe aufnimmt? Frühere Studien deuten darauf hin, dass Süßstoffe paradoxerweise mit Übergewicht in Verbindung stehen könnten. Der genaue Mechanismus beim Menschen war bislang jedoch unklar.3,4
Dr. med. Kathleen Alanna Page untersucht schon seit Längerem die Auswirkung von Süßstoffen auf das Körpergewicht. Bereits in einer früheren Studie fand sie gemeinsam mit ihrem Team heraus, dass Zucker, süße Lebensmittel und auch der Süßstoff Sucralose das Hungergefühl steigern und so eine Gewichtszunahme verursachen könnte (FITBOOK berichtete).
Die aktuelle Studie zielte nun aber darauf ab, zu untersuchen, wie der Süßstoff Sucralose die Hirnaktivität, das Hungergefühl und hormonelle Reaktionen beeinflusst – und ob diese Effekte je nach Körpergewicht unterschiedlich ausfallen. Im Fokus stand dabei der Hypothalamus, eine zentrale Schaltstelle im Gehirn, die unter anderem Hunger, Sättigung und Körpergewicht reguliert.
Bewertung des Einflusses von Sucralose auf das Gehirn
Für die Studie rekrutierte man 75 gesunde Teilnehmer mit unterschiedlicher Einordnung ihres Körpergewichts – oder anders formuliert: Sowohl normalgewichtige als auch übergewichtige und adipöse Frauen und Männer nahmen teil.5 Alle drei Gewichtsgruppen durchliefen die Versuche in zufälliger Reihenfolge mit denselben Bedingungen.
- An Besuchstag 1 tranken die Probanden Wasser
- An Besuchstag 2 erhielten sie eine zuckerhaltige Getränkelösung mit Saccharose
- An Besuchstag 3 konsumierten sie ein gleich süßes Getränk mit Sucralose
Vor und nach dem Konsum führt man mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie Hirn-Scans durch, außerdem entnahm man Blutproben und bewertete das Hungergefühl der Teilnehmer mehrmals über einen Zeitraum von zwei Stunden. Zusätzlich analysierten die Forscher die sogenannte funktionelle Konnektivität des Gehirns – also, wie verschiedene Hirnareale miteinander kommunizieren. Diese Methodik erlaubte es, präzise Rückschlüsse auf neuronale und hormonelle Reaktionen auf die jeweiligen Getränke zu ziehen.
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Sucralose verändert Hirnaktivität
Die Studie zeigt deutlich: Sucralose verändert die Hirnaktivität – insbesondere im Hypothalamus – und kann das Hungergefühl steigern. „Wenn Ihr Körper aufgrund der Süße eine Kalorie erwartet, diese aber nicht bekommt, könnte sich mit der Zeit die Art und Weise ändern, wie das Gehirn darauf eingestellt ist, nach diesen Substanzen zu verlangen“, erklärt Dr. med. Kathleen Alanna Page, eine der Studienautoren, in einer Pressemitteilung.6
Im Vergleich zur Zuckeraufnahme führte Sucralose zu einer signifikanten Zunahme des Blutflusses im Hypothalamus sowie zu einem stärkeren Hungergefühl. Gegenüber Wasser erhöhte Sucralose zwar ebenfalls die hypothalamische Aktivität, bewirkte jedoch keine signifikante Veränderung im subjektiven Hungergefühl. Besonders stark ausgeprägt waren diese Effekte bei Personen mit Adipositas.
Darüber hinaus beeinflusste Sucralose die Kommunikation zwischen dem Hypothalamus und anderen Hirnregionen – insbesondere jenen, die für Motivation und sensorische Verarbeitung zuständig sind. Dies könnte darauf hindeuten, dass der Süßstoff das Verlangen nach Essen bzw. Heißhunger fördert.
Im Gegensatz zu Zucker erhöhte Sucralose nicht den Blutzuckerspiegel und beeinflusste auch nicht die Ausschüttung sättigungsfördernder Hormone wie Insulin oder GLP-1. Bei zuckerhaltigen Getränken hingegen stieg der Blutzucker deutlich an. Das wiederum ging mit einem Rückgang der hypothalamischen Aktivität einher– ein Zeichen für ein normales Sättigungssignal. „Der Körper nutzt diese Hormone, um dem Gehirn zu signalisieren, dass man Kalorien zu sich genommen hat, um den Hunger zu reduzieren“, so Page. „Sucralose hatte diesen Effekt nicht – und die Unterschiede in der Hormonreaktion auf Sucralose im Vergleich zu Zucker waren bei Teilnehmern mit Adipositas sogar noch ausgeprägter.“
Der Süßstoff Sucralose begünstigt Gewichtszunahme
Die Ergebnisse liefern wichtige Hinweise darauf, dass der Konsum von Sucralose das Gehirn „täuschen“ kann. Der süße Geschmack signalisiert dem Körper eine bevorstehende Kalorienzufuhr, doch diese bleibt aus. Dieser sogenannte sensorisch-metabolische Mismatch durch den Süßstoff Sucralose könnte langfristig das Hungergefühl verstärken, die Nahrungsaufnahme erhöhen und somit einer Gewichtszunahme bewirken – insbesondere bei Menschen mit bestehender Adipositas.
Zudem zeigen die Veränderungen in der Hirnkonnektivität, dass Sucralose nicht nur kurzfristig den Appetit beeinflusst, sondern auch tiefgreifende neuronale Prozesse aktivieren kann, die das Essverhalten regulieren. Interessant ist auch, dass Frauen in der Studie stärkere Veränderungen der Hirnaktivität zeigten als Männer. Das kann ein Hinweis auf mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wirkung von Süßstoffen sein.
Insgesamt liefern die Ergebnisse eine fundierte Erklärung, warum kalorienfreie Süßstoffe bei manchen Personen möglicherweise nicht beim Abnehmen helfen – und legen nahe, dass insbesondere Menschen mit Adipositas von einem übermäßigen Konsum eher abraten sollten.
Einordnung der Studie und mögliche Einschränkungen
Durch die Teilnahme von Personen mit unterschiedlichen Gewichtsklassen lassen sich wichtige Aussagen über mögliche Risikogruppen treffen. Gleichzeitig handelt es sich aber um eine Kurzzeitstudie – sie misst nur die akuten Reaktionen innerhalb weniger Stunden. Ob die beobachteten Effekte langfristige Folgen für das Essverhalten oder das Körpergewicht haben, bleibt offen.
Zudem wurde ausschließlich Sucralose untersucht, nicht jedoch andere gängige Süßstoffe wie Aspartam oder Stevia. Auch die Getränkemenge war begrenzt auf 300 Milliliter – was in der Realität durchaus überschritten wird. Ein weiterer Punkt: Die Studie wurde von einem Forschungsteam an mehreren renommierten US-amerikanischen und deutschen Institutionen durchgeführt, unter anderem der Keck School of Medicine of USC und der Universität Tübingen. Interessenkonflikte wurden keine angegeben, die Finanzierung erfolgte öffentlich durch das National Institutes of Health (NIH).
Insgesamt liefert die Studie wichtige Hinweise für zukünftige Langzeitstudien, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, die häufiger zuckerfreie Produkte konsumieren. Hier laufen bereits Anschlussuntersuchungen.

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Fazit
Kalorienfreie Süßstoffe wie Sucralose sind kein Freifahrtschein zur Gewichtsreduktion. Die aktuelle Studie zeigt, dass sie den Appetit steigern und die Hirnaktivität auf eine Weise verändern können, die Heißhunger fördert – insbesondere bei Personen mit Adipositas. Die Ergebnisse legen nahe, dass der süße Geschmack ohne Kalorienzufuhr das Gehirn irritiert und normale Sättigungsmechanismen aushebelt. Wer langfristig abnehmen oder sein Gewicht halten möchte, sollte daher auch bei kalorienfreien Produkten aufmerksam sein.