10. Juli 2024, 17:09 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Dass verschiedene Lebensstilfaktoren – und so auch die Art und Weise der Ernährung – die Gesundheit im Verlauf des Lebens beeinflussen können, ist wohl kein Geheimnis. Doch wie maßgeblich die Auswirkung speziell dessen sein soll, was man in der sogenannten Lebensmitte isst (und was nicht), und zwar auf die körperliche und geistige Verfassung ab dem 70. Lebensjahr – diese Schlussfolgerung einer kürzlich vorgestellten Langzeituntersuchung überrascht dann doch. FITBOOK-Autorin Laura Pomer erklärt die Studienerkenntnisse.
In Maßen sind natürlich auch mal „ungesunde“ Lebensmittel erlaubt. Doch im Großen und Ganzen ist es wichtig, auf eine ausgewogene und möglichst vollwertige Ernährung zu achten. Denn etwa die Vernachlässigung von Ballaststoffen zugunsten von z. B. Ultra-Hochverarbeitetem kann das Risiko für chronische Erkrankungen erhöhen und in der Folge die Lebenserwartung einschränken. Dies zeigten bereits diverse Studien.1 Ab dem Alter von etwa 40 Jahren sollte man das Wissen um die Bedeutung der Ernährung auf die Gesundheit offenbar besonders ernst nehmen. Das jedenfalls legen jüngste Untersuchungsergebnisse nahe.
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Übersicht
Studie zeigt Einfluss der Ernährung mit 40 auf die Gesundheit
Die Erkenntnisse wurden Anfang des Monats im Rahmen der Nutrition 2024, der diesjährigen Jahrestagung der American Society for Nutrition (ASN), vorgestellt. Sie basieren auf der Untersuchung einer großen Zahl an Gesundheitsdaten durch Forscher der Harvard Universität unter der Leitung von Postdoktorandin Dr. Anne-Julie Tessier. Die Auswertung habe ergeben, „dass die Ernährung in der Lebensmitte eine große Rolle dabei spielen kann, wie gut man altert“, so Tessier in einer Pressemitteilung.2
Bereits hier zeige sich ein wesentlicher Unterschied gegenüber früheren Studien. Denn bislang sei vor allem die geeignete Art der Ernährung zur Krankheitsvermeidung erforscht worden. Die aktuelle Untersuchung dagegen habe speziell gesundes Altern thematisiert. Dieses habe man nicht durch die Abwesenheit von Krankheiten definiert, sondern vielmehr durch eine vergleichsweise hohe Lebensqualität sowie Langlebigkeit. Mit Fokus hierauf wollen die Forscher eine besondere Erkenntnis gewonnen haben. Menschen, die sich ab ihrem 40. Lebensjahr gesund ernährten, hätten eine um 43 bis 84 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für eine gute körperliche und geistige Gesundheit in ihren Siebzigern – verglichen mit Gleichaltrigen, die dies nicht taten.
Details zur Untersuchung
Gegenstand der Untersuchung waren Daten von mehr als 106.000 Probanden. Sie waren zu Beginn des Beobachtungszeitraums im Jahr 1986 mindestens 39 Jahre alt und frei von chronischen Krankheitsdiagnosen gewesen. Per Fragebogen gaben sie im Abstand von stets vier Jahren Auskunft darüber, wie sie sich ernährten. Später überprüften die Forscher die körperliche und geistige Verfassung der Probanden 30 Jahre nach Untersuchungsaufnahme. Die Datenanalyse im Jahr 2016 ergab, dass 9,2 Prozent der Studienteilnehmer nicht nur das 70. Lebensjahr erreicht hatten, sondern auch noch bei guter körperlicher, kognitiver und geistiger Gesundheit waren. Fast die Hälfte der Probanden war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben.
Was genau also hatten die gesund Gealterten anders gemacht, oder besser gesagt: anderes gegessen? Mehr Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse sowie ungesättigte Fette, Vollkorn- und fettarme Milchprodukte. So zumindest die grobe Zusammenfassung. Entsprechend ausgeprägte Ernährungsweisen wirkten sich laut Tessier mit einer „signifikant höheren Wahrscheinlichkeit, gesund zu altern“ aus. Bei denjenigen Probanden hingegen, die weniger gesund alterten oder vorzeitig verstarben, standen den Daten zufolge um das 40. Lebensjahr herum oft rotes Fleisch sowie hoch verarbeitete, an Transfetten und Natrium(-salz) reiche Lebensmittel auf dem Speiseplan.
Besonders empfohlene Ernährungsformen, um gesund zu altern
Die Forscher ordneten die dokumentierten Ernährungsgewohnheiten der Probanden gängigen Ernährungsmustern zu. Darunter waren neben der immer wieder empfohlenen mediterranen Ernährung etwa die auf eine Mäßigung von Bluthochdruck abzielende DASH-Diät und die vegane Ernährung. Außerdem: die sogenannte Planetary Health Diet. FITBOOK berichtete erst kürzlich über die als umweltbewusst geltende und vor allem auf natürliche Lebensmittel sowie pflanzliche Proteine fokussierte Ernährungsform. Studien haben sie bereits mit einer auffälligen Langlebigkeit in Verbindung gebracht.3 Die Verbindung zwischen der Planetary Health Diet und gesundem Altern ist in den Augen von Studienleiterin Tessier ganz besonders bemerkenswert. Denn er spreche dafür, sich auf eine Weise ernähren zu können, die sowohl der eigenen Gesundheit als auch dem Planeten zugutekomme – sprich: die „Planetary Health Diet“ (übersetzt etwa: „planetarische Gesundheitsdiät“) werde ihrem Namen gerecht.
Noch maßgeblicher auf den untersuchten Zusammenhang habe sich der Auswertung zufolge eine in der Studie als Hyperinsulinämie-Diät bezeichnete Ernährungsform ausgewirkt. Diese zielt im Wesentlichen darauf ab, den Blutzuckerspiegel zu regulieren, und empfiehlt sich daher also vor allem Menschen mit bestehender Insulinresistenz oder einer Erkrankung an Diabetes. Die Diät schränkt die Aufnahme von Zucker und Kohlenhydraten ein, um die Ausschüttung von Insulin im Zaum zu halten. Daneben wird statt rotem Fleisch mageres Geflügel empfohlen. Die Korrelation zwischen dieser Hyperinsulinämie-Diät und gesundem Altern lag der Auswertung zufolge bei 78 Prozent. Bei der Planetary Health Diet waren es immerhin noch 68 Prozent, ganz dicht gefolgt von der mediterranen Ernährung (67 Prozent). Auch etwa die sogenannte MIND-Diät – dieser sagt man etwa nach, dass sie vor allem die geistige Fitness aufrechterhalten soll – schnitt mit 59 Prozent Übereinstimmungen auch sehr gut ab.
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Einschränkungen der Studie
Tessier und ihr Team hoffen, nach den nun hervorgebrachten Ergebnissen in weiterführenden Untersuchungen erforschen zu können, wie sich die Umstellung auf eine gesündere Ernährungsweise im späteren Leben auswirken könnte.
Gleichzeitig betont die ASN, dass die vorgestellten Ergebnisse als vorläufig betrachtet werden sollten. Denn zwar habe ein Expertenausschuss die vorgestellten Abstracts bewertet und für die Präsentation ausgewählt. Bisher sei die Untersuchung aber noch nicht durch den Begutachtungsprozess gegangen, der für die Veröffentlichung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erforderlich ist.
Weiterhin sollte man einschränkend hinzufügen, dass – wie generell bei Studien zu Ernährungsgewohnheiten – die Aussagekraft nicht zu hoch zu bewerten ist. Die Auswertung basiert auch in der aktuellen Untersuchung auf freiwilligen Angaben der Probanden zu ihren eigenen Ernährungsgewohnheiten. Wie viel Wahrheit darin enthalten ist, lässt sich objektiv kaum beurteilen. Zumal es sich auch nur um sehr grobe Auskünfte handeln konnte – immerhin lagen zwischen den Einreichungen der Fragebögen jeweils vier Jahre.