15. Mai 2023, 12:18 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Ein langer Tag im Büro, danach noch ein paar Erledigungen und die eine oder andere Freizeitaktivität – da kann das Abendessen schon einmal später ausfallen. Doch dies kann sich als tückisch erweisen und der Grund sein, warum man zunimmt. Wie sich spätes Essen genau im Körper auswirkt, zeigt eine Studie.
Wer gelegentlich bei einem Film auf der Couch ein spätes Abendessen genießt, muss wohl nicht gleich befürchten, übergewichtig zu werden. Die letzte Mahlzeit des Tages aber dauerhaft nach hinten zu verschieben, scheint mit negativen Einflüssen auf das Körpergewicht und die Gesundheit einherzugehen1,2. Doch warum ist das so? Dem gingen Forscher der Harvard Universität auf den Grund und zeigten dabei, wie schlecht spätes Essen offenbar wirklich ist – u. a. fürs Kalorienverbrennen.
Übersicht
Wie wichtig ist es, wann man die letzte Mahlzeit des Tages konsumiert?
Aufbauend auf früheren Forschungsergebnissen, die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen spätem Essen und Übergewicht lieferten, arbeiteten die Forscher aus Harvard nun an einem besseren Verständnis dieses Zusammenhangs. „Wir wollten die Mechanismen untersuchen, die erklären könnten, warum spätes Essen das Adipositasrisiko erhöht“, erklärte der Studienautor Frank Scheer in einer Universitätsmitteilung.3 Er ist Professor für Medizin und Direktor des Medical Chronobiology Program in der Abteilung für Schlaf- und zirkadiane Störungen am Brigham and Women’s, dem Lehrkrankenhaus der Harvard Medical School. „In dieser Studie haben wir die Frage gestellt, ob die Zeit, zu der wir essen, eine Rolle spielt, wenn alles andere gleich bleibt“, ergänzte Co-Autorin Nina Vujović, eine Forscherin im Medical Chronobiology Program.
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Ablauf der Studie
In ihrer Untersuchung wendeten die Forscher ein Studiendesign an, das es ihnen ermöglichte, die Effekte von früher bzw. später am Tag essen, zu isolieren, um sicherzustellen, dass keine anderen Faktoren eine Rolle bei den Untersuchungsergebnissen spielten. Zu diesem Zweck ließen sie 16 übergewichtige bzw. fettleibige Probanden (gemessen an ihrem BMI) zweimal ein Experiment durchlaufen: erst für „frühes Essen“ und dann noch einmal für „spätes Essen“.
Der Ablauf sah in beiden Fällen gleich aus. Die Teilnehmer hielten zunächst zwei bis drei Wochen feste Schlaf- und Wachzeiten ein. Dabei kontrollierten die Wissenschaftler auch genau, wie aktiv sie körperlich waren. Im Anschluss ernährten die Probanden sich drei Tage lang strikt gemäß vorgegebener Diäten und Essenszeitpläne. Die Mahlzeiten waren in beiden Studienrunden identisch. Nur die Uhrzeiten, zu denen sie gegessen wurden, änderte sich. Diese verschoben sich von 9 Uhr, 13 Uhr und 18 Uhr rund circa vier Stunden nach hinten. Die letzte Mahlzeit in der Runde, in der später gegessen wurde, nahmen die Probanden um 21 Uhr zu sich.4
Am Ende der drei Diättage ging es für die Probanden ins Labor. Dort führten sie selbst Protokolle über ihren Hunger und ihren Appetit. Ferner analysierten die Wissenschaftler mehrmals am Tag ihre Blutproben und maßen Körpertemperatur und Energieverbrauch. Bei einer kleinen Untergruppe entnahmen die Forscher zudem in beiden Studienrunden (früh vs. spät) Biopsien des Fettgewebes. Anhand der Analyse dieser konnten sie Aussagen darüber treffen, ob und inwieweit sich verschiedene Essenszeiten auf die Art und Weise auswirkt, wie der Körper Fett speichert.
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Die Ergebnisse
Tatsächlich lieferte die Studie einige ernüchternde Ergebnisse für Menschen, die gerne spät essen. Die negativen Effekte dieser Angewohnheit machten sich direkt auf dreifache Weise im Körper der untersuchten Probanden bemerkbar.
Auswirkung auf den Hunger
So zeigten die Auswertung der Protokolle und die Analyse der Proben, dass spätes Essen tief greifende Auswirkungen auf den Hunger und die appetitregulierenden Hormone Leptin und Ghrelin hatte. Diese beeinflussen das Verlangen, zu essen. Insbesondere der Spiegel des Hormons Leptin, das Sättigung signalisiert, war unter den Bedingungen des späten Essens über 24 Stunden hinweg niedriger als beim früheren Essen.5
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Spätes Essen schlecht fürs Kalorienverbrennen
Beim späteren Essen verringerten sich zudem der Energieverbrauch im Wachzustand und die Körperkerntemperatur. Beides Belege dafür, dass die Teilnehmer, wenn sie später aßen, weniger Kalorien verbrannten.
Körper speichert mehr Fett
Schließlich hatte das späte Essen auch Auswirkungen auf die Fettspeicherung. So ergab die Analyse der Biopsien des Fettgewebes Hinweise für eine erhöhte Fetteinlagerung (Adipogenese) und einen verringerten Fettabbau (Lipolyse).
Lieber früher als später essen
Die Mahlzeiten auf einen späteren Zeitpunkt am Tag zu verschieben, ist laut der Harvard-Studie also definitiv keine gute Idee. Denn es hat negative Auswirkungen auf diverse Prozesse im Körper, die regulieren, wie gut wir Nahrung verwerten. Da spätes Essen offenbar schlecht fürs Kalorienverbrennen und den Fettabbau und zudem weniger sättigend ist, schlussfolgern die Forscher, dass es generell das Risiko für Adipositas erhöhen könnte. Im Umkehrschluss scheint es ratsam zu sein, das Abendessen früher zu sich zu nehmen, um auf Dauer Übergewicht zu vermeiden.
Nachdem die Wissenschaftler durch ihr Studiendesign die Essenszeiten isoliert hatten, wollen sie nun in weiteren Studien herausfinden, inwieweit verschiedene Umweltbedingungen und Verhaltensweisen die besagten negativen Effekte späten Essens beeinflussen. Kann man sie mit gesünderen Mahlzeiten ausgleichen? Und wie genau wirkt sich Sport aus?
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Quellen
- 1. Turek, F.W., Joshu, C., Kohsaka, A. et al. (2005). Obesity and metabolic syndrome in circadian Clock mutant mice. Science.
- 2.Lopez-Minguez, J., Gómez-Abellán, P., Garaulet, M. (2016). Circadian rhythms, food timing and obesity. Proceedings of the Nutrition Society.
- 3. Sampson. K. Late-night eating and weight gain. The Harvard Gazette. (aufgerufen am 15.5.2023)
- 4. Nield, D. Eating Late Can Alter How You Burn Calories And Store Fat, Depressing Study Finds. ScienceAlert! (aufgerufen am 15.5.2023)
- 5. Vujović, N., Piron, M.J., Scheer, F.A.J.L.. et al. (2022). Late isocaloric eating increases hunger, decreases energy expenditure, and modifies metabolic pathways in adults with overweight and obesity. Cell Metabolism.