13. November 2023, 14:29 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die Verdauung ankurbeln und so beim Abnehmen helfen, den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken – dies ist nur eine kleine Auswahl der angeblichen Effekte von frisch gepresstem Selleriesaft auf den Körper. Unumstritten ist wohl, dass Staudensellerie viele wertvolle Mineralstoffe enthält. Aber wie gesundheitsförderlich ist er deshalb wirklich? FITBOOK hat das Thema kritisch mit Experten besprochen.
Morgenstund hat Selleriesaft im Mund. Zumindest gilt das für immer mehr Gesundheitsbewusste. In den sozialen Medien hat sich um die gepressten Gemüsestangen ein regelrechter Hype entwickelt – und dahinter steckt nicht etwa, dass der Saft herausragend gut schmecken soll.
Übersicht
Was genau ist Selleriesaft?
Es gibt Knollen- und Staudensellerie. Vor allem Letzterer (auch bekannt als Stangen- oder Bleichsellerie) ist bei Figurbewussten beliebt. Denn dank seines hohen Wasseranteils hat er sehr wenige Kalorien (etwa 16 auf 100 Gramm).
Vor allem in gepresster Form haben sich um das Gemüse einige Mythen etabliert. Dazu hat bereits vor einigen Jahren der Amerikaner Anthony Williams beigetragen – seines Zeichens „medizinisches Medium“; so zumindest nennt er sich selbst. Williams glaubt, mit übernatürlichen Wesen kommunizieren und dadurch Krankheiten heilen zu können. Er hat über die Jahre verschiedene Ratgeber-Bücher geschrieben, in denen er vor allem eine Ernährung mit viel frischem Gemüse und Obst anpreist. Eines davon ist Saft aus Stangensellerie – das soll demnach eine Wunderheilkraft innehaben. Als Saft soll das Gemüse deshalb zu bevorzugen sein, weil seine Inhaltsstoffe in flüssiger Form demnach besser vom Körper aufgenommen werden können.
Welche Inhaltsstoffe wirklich in Sellerie stecken
Wunderheilkraft, na ja. Aber tatsächlich sollen in Selleriesaft hohe Anteile an Ballast- und Mineralstoffen sowie verschiedene Vitamine stecken. Gabriele Kaufmann vom Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) führt etwa Kalium, Eisen und Kalzium an, daneben Vitamin C und einige Vitamine aus der B-Gruppe. Weiterhin enthalte das Gemüse bzw. sein Saft demnach Antioxidantien wie Carotinoide, die den Körper vor freien Radikalen schützen sollen. Freie Radikale können gesunde Zellen angreifen, weshalb ihr Vorkommen unter anderem eine Rolle bei der Hautalterung spielt.
Ein echtes Gesundheitswunder? Experten sagen: nein
Man sollte mit den Lobpreisungen aber nicht übertreiben. Ernährungswissenschaftler Uwe Knop nennt sie in der Gesamtheit ein „Sammelsurium an frei erfundenen Märchen“.
Tatsächlich liest man mitunter gar, Selleriesaft wirke Krebserkrankungen entgegen – und das hält Knop für grob fahrlässig. Denn es sei schlichtweg nicht belegt. Mit derartigen falschen Behauptungen schüre man unrealistische Hoffnungen bei Betroffenen.
Es stimme zwar, dass Sellerie, wie oben angeführt, Kalium, Kalzium und Eisen enthalte und diese wichtig für verschiedene Prozesse innerhalb der Zellen seien. Jene Mineralstoffe seien aber auch – und teilweise in höheren Konzentrationen – in anderen natürlichen Lebensmitteln enthalten. Das mache viele von ihnen wertvoll, Sellerie sticht da laut Knop nicht sonderlich hervor.
Vielseitige Ernährung statt Fokus auf „Super-Drinks“
„Ein Allheilmittel ist Selleriesaft mitnichten“, betont auch BZfE-Expertin Kaufmann. Ebenso sieht es der Münchener Ernährungsmediziner Prof. Johannes Georg Wechsler. „Es gibt keinerlei wissenschaftliche Belege dafür, dass Selleriesaft den Blutdruck senkt oder die Verdauung ankurbelt.“ Statt auf ein vermeintliches Superfood zu setzen, mahnt er zu einer möglichst vielfältigen Ernährung.
Man darf vielleicht noch erwähnen, dass Stangensellerie ätherische Öle und gesunde Bitterstoffe enthält. Dies erkennt man auch am typischen Geschmack des Gemüses. Allgemein gelten Bitterstoffe in der Ernährung etwa als zuträglich für die Verdauungsfunktionen, da sie die Rezeptoren der Zunge reizen und somit quasi eine Art Vorverdauung anregen. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Aber noch mal: Es gebe laut Prof. Wechsel keinerlei wissenschaftliche Belege dafür, dass Selleriesaft die Verdauung ankurbelt oder – wie ebenso oft behauptet – den Blutdruck zu senken vermag. Zuletzt kann, wer Bitterstoffe zu sich nehmen will, genauso gut auf insbesondere verschiedene Kohlsorten (z. B. Rosenkohl, Brokkoli) oder alternativ zu Gemüse wie Auberginen, Artischocken und Spargel zurückgreifen.
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Wer Sellerie(saft) meiden sollte
Es spricht zunächst nichts dagegen, Sellerie zu essen und so etwa eine Diät zu unterstützen. Denn das kalorienarme und sehr wasserhaltige Gemüse kann eine Weile lang sättigen. Dieser Effekt würde beim Selleriesaft, also der zu trinkenden Variante, eher wegfallen.
Manche Menschen sollten von dem Gemüse jedoch in jedweder Form Abstand halten. Hierzu gehören in erster Linie solche, die auf Sellerie allergisch reagieren. Hinweise darauf wären nach dem Verzehr etwa Schwellungen im Mund- und Rachenraum, Juckreiz sowie Hautausschläge und Atembeschwerden. Sellerie ist ein häufiger Auslöser von Nahrungsmittelallergien.
Weiterhin sei es nicht ausgeschlossen, dass große Mengen Selleriesaft speziell auf nüchternen Magen Kopfschmerzen auslösen können. Davor warnt Ernährungsmediziner Prof. Wechsler. Ebenso Magenprobleme seien möglich. Speziell Schwangeren würde der Experte raten, vor der etwaigen Aufnahme einer Selleriesaft-Routine einen Arzt nach möglichen Gegenhinweisen zu befragen.
Sonne und Sellerie
Allgemein sollten es vor Aufenthalten in der Sonne keine zu großen Mengen an Sellerie oder Selleriesaft sein. Denn das Gemüse enthält Pflanzenstoffe, die in Kombination mit UV-Strahlung zu phototoxischen Reaktionen auf der Haut führen können. Die Folge wäre bei den Betroffenen ein Sonnenbrand, wie es etwa auch nach der Einnahme verschiedener Medikamente in Sonnenexposition der Fall ist.