8. Juni 2021, 18:06 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Der Sauerteig sorgt mit seinen mehr als 300 Geschmacksstoffen für das perfekte Brot-Aroma. Dabei braucht es für die Herstellung lediglich Mehl und Wasser. Den Rest erledigen fleißige Milchsäurebakterien, Hefepilze und die Zeit. FITBOOK hat einen Bäckermeister gefragt, wie man zu Hause einen perfekten Sauerteig ansetzt.
Der ideale Sauerteig ist eine Wissenschaft für sich. Obwohl es sich zunächst nur um eine Verbindung aus Wasser und Mehl handelt, braucht es beim Ansetzen etwas Know-How und Feingefühl. „Selbst die erfahrensten Profis lernen auch Jahre später immer noch dazu“, bestätigt Johann Kreter gegenüber FITBOOK. Als Bäckermeister der Berliner Brotmanufaktur „Keit“, welche auf handgemachte Sauerteigbrote spezialisiert ist, hat er sich ganz der Kunst des perfekten Sauerteigs verschrieben. Wie der Ansatz – das sogenannte Anstellgut – zu Hause gelingt, wird er später verraten. Doch vorweg etwas Sauerteigkunde.
Überblick
Was ist Sauerteig?
Wenn Wärme auf ein Mehl-Wasser-Gemisch trifft, werden Milchsäurebakterien und Hefepilze, die sich natürlicherweise im Mehl und auch in der Luft befinden, zum Leben erweckt. So produzieren die Hefepilze ein Gas, das den Teig aufgehen lässt, während die Milchsäurebakterien für den typischen Geschmack sorgen. „Sind alle aktiven Mikroorganismen in einem idealen Verhältnis, entsteht daraus hinterher der typisch aromatische Brotgeschmack“, erklärt der Bäckermeister. „Entdeckt“ wurde der Sauerteig im alten Ägypten, womöglich durch einen Zufall. Vielleicht dank eines vergessenen Fladenbrotteigs, der zu lange in der Sonne lag.
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Warum ist Sauerteig gesünder als herkömmliches Brot?
Der ägyptische Bäcker von damals erkannte wohl recht schell, was für eine geniale Substanz ihm seine Schusseligkeit beschert hat. „Durch die Fermentation ist Sauerteigbrot viel besser bekömmlich als ungesäuertes Brot oder herkömmliches Hefebrot. Gleichzeitig werden durch den Prozess Schadstoffe abgebaut. Nicht zuletzt schmeckt es einfach köstlich.“ Vollkorn–Sauerteigbrot schimmelt zudem seltener, ist bei richtiger Lagerung auch zehn Tage später noch frisch und steckt voller Nährstoffe wie Eisen, Selen und Zink. Da Sauerteigbrot einen viel geringeren Phytatgehalt (sogenannte Antinährstoffe) als andere Brotsorten hat, kann der Körper die Mineralstoffe noch besser aufnehmen. Kurz: Sauerteigbrot ist ein reines Naturprodukt, das aus sich selbst heraus derart perfekt ist, dass es keinerlei künstliche Zusatzstoffe braucht. Weil es sich um einen puren Brotgenuss handelt, gehört handgemachtes Bio-Sauerteigbrot zu den gesündesten Backwaren.
Auch Johan Kreter beobachtet, dass seine Kunden nach genau so einem Lebensmittel suchen. Einige kommen sogar nur deshalb zu ihm in den Laden, um sich Anstellgut für die heimische Backstube zu besorgen: „Ein Sauerteigbrot braucht Zeit. In der industriellen Produktion gibt es diese Zeit nicht. Allerdings können künstliche Backmittel Unverträglichkeiten und sogar Allergien auslösen. Es ist gut, dass seit einigen Jahren wieder ein Umdenken einsetzt.“
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Sauerteig zu Hause ansetzen – Bäckermeister verrät, wie es geht
Geeignete Mehlsorten
„Jedes Mehl aus backfähigem Getreide“, weiß Sauerteig-Experte Kreter. „Weizen, Dinkel, Emmer, Einkorn, ganz nach persönlichem Geschmack. Ich empfehle, mit Roggenvollkornmehl anzufangen. Das ist am aktivsten und gelingt daher meist recht gut.“
Ansetzen
Geben Sie 50 Gramm Mehl und 50 Gramm lauwarmes Wasser in ein mittelgroßes Einmachglas. Mit einem sauberen Holzlöffel alles gut vermischen. Glasdeckel locker auflegen, damit Luft entweichen kann. Ab an einen warmen Ort über 24 Grad, zum Beispiel in der Nähe einer Heizung. Je wärmer die Umgebung, desto schneller der Prozess.
Füttern
„24 bis 48 Stunden später werden Sie feststellen, dass sich schon etwas getan hat. So sind schon kleine Blasen sichtbar.“ Jetzt 50 Gramm davon als sogenanntes Anstellgut abnehmen und wieder 50 Gramm Mehl und 50 Gramm Wasser hinzufügen. Gut verrühren und wieder eine Nacht warten. Mit diesem Prozedere vier bis sechs Tage fortfahren. „Wölbt der Teig sich kuppelartig, ist es ein Zeichen, dass er fertig ist.“
Erkennen, ob der Sauerteig reif ist
„Ein fertig gereifter Sauerteig hat eine wabenartige Struktur und schmeckt angenehm joghurtartig und leicht säuerlich. Er ist nicht zu flüssig und nicht zu fest und riecht aromatisch.“ Ist der Geschmack zu sauer, hat sich der Teig verfärbt oder schmeckt anderweitig unangenehm, dann hat das Ansetzen des Sauerteigs nicht geklappt. „Nicht verzagen, nochmal versuchen“, rät Johan Kreter. „Am Anfang ist es nicht einfach, den Teig aktiv zu halten.“
Wohin mit dem restlichen Anstellgut?
Ist alles gelungen, kann der Teig direkt zum Brotbacken verwendet werden. Der Rest wandert als Anstellgut in den Kühlschrank. Auch hier wieder nur den Deckel locker auflegen. Wird der Sauerteig im Kühlschrank gelagert, muss er nur einmal die Woche gefüttert werden. „Vor dem erneuten Backen einfach herausnehmen und wieder füttern, optimalerweise zweimal.“
Noch ein Profi-Tipp: Mit Sauerteig lässt sich nicht nur Brot backen. Auch leckere Croissants, Brötchen, Burger Buns oder Pfannkuchen lassen sich daraus zaubern. Einfach ausprobieren.
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Rezept für Profi-Sauerteigbrot von Bäckermeister Johann Kreter
Bei Bedarf den Sauerteig aktivieren
50g Wasser
25g Weizenmehl Typ 550
25g Roggenvollkornmehl
50g Sauerteig (vom letzen Mal Ansetzen/Backen)
Zum Aktivieren des „alten“ Sauerteigs alle Zutaten in einem Glas vermischen und
an einem warmen Ort für circa vier Stunden reifen lassen. Davon 100 Gramm verwenden.
Zutaten
340g Wasser (26 Grad warm)
450g Weizenmehl Type 550
50g Weizenvollkornmehl
100g aktivierter Sauerteig
11g Salz
Zubereitung
Warmes Wasser in eine Schüssel geben, Sauerteig dazu – er sollte schaumig sein und im Wasser schwimmen. Das Salz hinzugeben und alles gleichmäßig mit der Hand verrühren. Nun die beiden Mehle hinzugeben und alles gut vermengen. Ruhen lassen.
Nach etwa 30 Minuten ist der Teig gequollen und fester geworden. Dehnen und falten Sie ihn nun intensiv in der Schüssel. Danach den Teig an einen warmen Ort (optimal 25 bis 27 Grad) stellen.
Für die nächsten drei bis vier Stunden alle 30 Minuten den Teig einmal durch Falten in der Schüssel „aufziehen“. Dazu den Teig mit feuchter Hand an einem Rand der Schüssel greifen und auf die andere Seite umschlagen und festdrücken. Dies im Uhrzeigersinn in alle Himmelsrichtungen (also viermal) durchführen. Der Teig sollte nun straffer und runder in der Schüssel liegen. Wenn sich das Teigvolumen verdoppelt hat, den Teig auf eine glatte Arbeitsfläche legen und mithilfe eines Teigschabers vorsichtig in eine runde Form bringen. 30 Minuten ruhen lassen.
In Form bringen
Anschließend die Oberseite mit Mehl bestreuen. Nun wird der Teig gefaltet. Die „Ecken“ zunächst so herausziehen, dass aus dem Kreis ein gleichmäßig dickes Quadrat entsteht. Dann die linke und rechte Seite übereinander falten wie bei einem Briefbogen. Danach wird dieser der Länge nach aufgerollt, sodass eine Rolle mit kräftiger Oberflächenspannung entsteht. Der fertige Teigling sollte mit der runden, glatten Seite nach oben liegen.
Gehen lassen
Ein Gärkorb (falls nicht vorhanden, geht auch ein Plastik-Nudelsieb) mit einem Tuch auslegen und etwas Mehl (am besten Roggenvollkornmehl) bestreuen. Den geformten und gemehlten Teigling nun mit der Oberseite nach unten vorsichtig in den Gärkorb legen. Den Teig für drei bis vier Stunden bei circa 25 Grad gehen lassen.
Backen
Den Backofen mit schwerem, gusseisernen Topf samt Deckel (Alternative: Backblech plus Schale mit Wasser auf dem Ofenboden) auf 250 Grad Ober-/Unterhitze für mindestens eine halbe Stunde vorheizen. Brot auf ein Stück Backpapier stürzen und auf dem Papier in den Topf heben. Temperatur auf 230 Grad senken und 20 Minuten mit geschlossenem Deckel, dann weitere 20 Minuten ohne Deckel backen. Mindestens eine Stunde auskühlen lassen.