9. Januar 2024, 14:00 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Sich drei bis sieben Tage nur von Saft, Wasser und Brühe ernähren, darum geht es bei der Saftkur. Angeblich soll die flüssige Diät dabei helfen, den Körper zu „entgiften“. Doch die Prozedur ist nicht ohne Risiko und bringt auch nicht immer den gewünschten Effekt. Fitnesstrainer Niklas Schwarz erklärt, was es mit dieser Art des Fastens auf sich hat und FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke bewertet das Thema aus wissenschaftlicher Sicht.
Eine Woche lang nur Saft trinken, sich danach wie neu geboren fühlen und einige Kilos weniger auf der Waage sehen – so die Hoffnung von Anwendern einer Saftkur. Hersteller versprechen einen „Detox-Effekt“, das Ausleiten sogenannter „Schlacken“, um die Gesundheit zu verbessern. Doch tritt der gewünschte Effekt wirklich ein? Und ist eine Saftkur überhaupt gesund oder birgt sie auch Risiken? Erfahren Sie bei FITBOOK alles über den Ablauf sowie die Vor- und Nachteile dieser Fastenvariante.
Übersicht
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So funktioniert eine Saftkur
Die Durchführung einer Saftkur ist recht praktikabel, wie Ernährungscoach und Fitnesstrainer Niklas Schwarz FITBOOK erklärt: Zur Vorbereitung sollte man etwa eine Woche vor dem eigentlichen Start auf Alkohol, Nikotin und Kaffee verzichten. Außerdem sollte man in den Tagen davor leichte Kost zu sich nehmen. Manche Anwender machen vorher auch eine Darmreinigung, zum Beispiel mithilfe von Glaubersalz oder anderen Abführmitteln.
Dann beginnt die Saftkur. Je nach Anwendung wird über drei bis sieben Tage jede Mahlzeit durch 200 bis 250 Milliliter Obst- oder Gemüsesaft ersetzt. In der gesamten Zeit darf zu den Säften nur Wasser, ungesüßter Tee und Gemüsebrühe getrunken werden.
Was ist das Ziel einer Saftkur?
Der erhoffte Effekt einer Saftkur liege in einem gesteigerten Wohlbefinden und einem schnellen Gewichtsverlust, erklärt der Experte der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. Doch es gibt laut Schwarz auch andere Erfahrungen: zum Beispiel Kopfschmerzen und Antriebslosigkeit infolge der Kur. Kopfschmerzen etwa können etwa durch das Weglassen von Kaffee und anderen koffeinhaltigen Getränken entstehen, wenn diese Zufuhr regelmäßig konsumiert wurden.
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Wichtig zu wissen vor der Detoxkur: „Schlacken“ gibt es nicht im Körper
Hersteller von Detoxprodukten bewerben diese gerne als „entgiftend“, sogenannte „Schlacken“ sollen beim Entgiftungsprozess aus dem Körper geleitet werden und so die allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden steigern. Die Verbraucherzentrale NRW weist jedoch darauf hin, dass es für solche Versprechen keinerlei wissenschaftlicher Beweise gibt.1 Weiterhin konnte bei gesunden Personen nie eine Ansammlung von Giftstoffen bzw. „Schlacken“ oder anderen gesundheitlich problematischen Stoffwechselprodukten nachgewiesen werden. Häufig enthalten Detoxprodukte laut der Verbraucherzentrale schlichtweg entwässernde, jedoch nicht entgiftende Inhaltsstoffe (z. B. Brennnessel). Das Gefährliche: Die dauerhafte Einnahme solcher Mittel in hoher Dosierung kann zur erhöhten Ausscheidung bestimmter Mineralstoffe führen und darüber hinaus die Wirkung von Medikamenten abschwächen.2
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Gibt es Belege für die positive Wirkung des Saftfastens?
Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist die Wirkung des Saftfastens wissenschaftlich nicht belegt; es liegen bisher keine aussagekräftigen Humanstudien vor. Es sei fraglich, inwiefern durch solche Kuren der Stoffwechsel angeregt werde.3
Das ist bekannt über Saftkuren und Gewichtsverlust
Dass so schnell die Pfunde schmelzen, ist wahrscheinlich auf die geringere Energiezufuhr zurückzuführen. Aufgrund des kurzen Zeitraums der Diät von drei bis sieben Tagen ist davon auszugehen, dass ein entstandener Gewichtsverlust primär jedoch auf einer Abnahme von Wasser und nicht von Körperfett beruht.
Nach Beendung der Kur könnte sich außerdem der Jojo-Effekt einschleichen, sofern man vor Durchführung der Diät eine ungesunde Ernährungsweise an den Tag legte und diese nun fortsetzt. Der Gewichtsverlust wäre dann nur von kurzer Dauer.
Diese ernüchternden Fakten bestätigen sich in einem 2017 veröffentlichten Review, welches die Effektivität verschiedener Diäten zum Abnehmen betrachtet hat: Saftkuren führen demnach zwar zu einer anfänglichen Gewichtsabnahme aufgrund der Kalorienbeschränkung, verursachen jedoch insgesamt eine Zunahme an Gewicht, sobald eine Person wieder eine vollständige, gesunde Ernährung aufnimmt.4
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Gibt es einen „entgiftenden“ Effekt?
Ein weiteres Review aus 2014 bewertete die entgiftende Wirkung von Detoxkuren wie dem Saftfasten. Wenngleich die Detox-Industrie boomt, gibt es laut den Autoren nur sehr wenige klinische Ergebnisse, die den Einsatz solcher Diäten befürworten. Eine Handvoll Studien haben gezeigt, dass kommerzielle Detoxdiäten die Leberentgiftung verbessern können. Jedoch ist anzumerken, dass diese Studien aufgrund fehlerhafter Methoden und kleinen Stichprobengrößen in ihrer Glaubwürdigkeit eingeschränkt sind. Hinweise auf entgiftende Lebensmittel wie Koriander, Nori und Olestra liefern bisher lediglich Studien, die an Tieren durchgeführt wurden. Randomisierte kontrollierte Studien, der „Goldstandard“ der Studiendesigns, fehlen gänzlich, um die Wirksamkeit von Detoxdiäten beim Menschen zu bewerten.5
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Welche Risiken birgt die flüssige Diät?
Der versprochene Gewichtsverlust und das Ausscheiden von Giftstoffen bleiben also aus. Doch gibt es daneben noch weitere Risiken?
Niklas Schwarz weist darauf hin, dass die DGE zwar fünf Portionen Obst oder Gemüse am Tag empfiehlt – darunter ist aber nur eine Portion Saft vorgesehen.
Durch Säfte nimmt man eine Menge Fruchtzucker auf, was bei hohem Saftkonsum zu negativen Auswirkungen auf die Gesundheit führen kann – insbesondere für die Leber. Die DGE warnt auch, dass eine strenge Saftkur zu einer Überversorgung des Körpers mit bestimmten Vitaminen und einen Mangel an Proteinen und Fetten führen kann. Erfolgt die Saftkur über einen längeren Zeitraum, können diese Mängel zu einer gesundheitsgefährdenden Unterernährung führen.
Weiterhin kann eine unzureichende Kalorienzufuhr zu einer Unterzuckerung führen, weil der Körper nicht ausreichend mit Energie versorgt ist. Diese äußert sich durch Symptome wie Ohnmacht, Schwäche, Dehydrierung, Kopfschmerzen und Hunger.
Wenn eine Saftkur Abführmittel oder andere Methoden zur Darmstimulation enthält, können zu viele Nährstoffe mit dem Stuhl verloren gehen. Dies kann zu Dehydrierung und einem Ungleichgewicht der Elektrolyte führen.
Besonders gefährlich wird es, wenn eine Saftkur der Auslöser einer Essstörung wird
Eine Saftkur kann die Beziehung zu Lebensmitteln beeinflussen. Eine Studie, die das Essverhalten von Schülern analysierte zeigte, dass eine zwanghafte Beschäftigung mit gesundheitsfördernden Lebensmitteln wie Saft und die Vermeidung von Lebensmitteln, die als ungesund gelten, zu Orthorexie führen – eine Sucht nach gesunden Lebensmitteln.6
Außerdem zeigte eine Pilotstudie einen Zusammenhang zwischen Saftkuren und Bulimie.7
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Detox-Produkte Helfen Pflaster und Säfte wirklich beim Entgiften?
FITBOOK-Challenge Ich habe 5 Tage nur von Saft gelebt
So bewertet FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke Saftkuren
„Wer zwei funktionierende Nieren und eine gesunde Leber hat, braucht keine Saftkur!“
„Für mich sind Saftkuren reine Geldmacherei. Es wird gezielt damit gespielt, dass die Konsumenten schnell abnehmen möchten und dabei ihrer Gesundheit noch etwas besonders Gutes tun würden. Fakt ist aber, dass der Körper sich hervorragend selbst von Giften befreit, denn er hat zwei Nieren und eine Leber, die rund um die Uhr schädliche Stoffe abbauen.Der für mich einzig akzeptable Grund für eine Saftkur ist ein „Reset“ für das eigene Essverhalten: Wenn man etwa zu emotionalem Essen neigt und einen „Punkt Null“ möchte, um nach und nach wieder ein intuitives Essverhalten zu trainieren.
In jedem Fall sollten Sie eine Saftkur nur in Absprache mit Ihrem Hausarzt durchführen. Insbesondere, wenn Sie Medikamente einnehmen.““– Sophie Brünke, Redakteurin bei FITBOOK
Quellen