17. April 2025, 20:22 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Protein bzw. Eiweiß gehört neben Kohlenhydraten und Fettsäuren zu den drei wichtigsten Nährstoffen. Es ist der notwendige Baustoff für unseren Körper, unter anderem für das Gewebe und die Muskelfasern. Aber wie viel Protein benötigen ältere Personen? Haben sie einen höheren oder niedrigeren Bedarf als junge Menschen? FITBOOK hat sich die aktuelle Studienlage dazu angeschaut.
Vor allem in den letzten Jahren wurde das Thema Eiweiß heiß diskutiert. Denn immer mehr Menschen treiben Kraftsport und fragen sich, wie viel Eiweiß sie täglich benötigen, um Muskeln aufzubauen. Aber auch wer sich vegan oder vegetarisch ernährt, muss auf eine ausreichende Proteinzufuhr achten. Die Frage, wie viel Eiweiß man täglich zu sich nehmen sollte, hat FITBOOK bereits in einem früheren Artikel beantwortet. Doch wie sieht es speziell bei älteren Menschen aus? Brauchen Menschen ab 60 Jahren mehr oder weniger Protein als junge? Und wie wirkt sich die Eiweißzufuhr auf die körperliche und geistige Gesundheit älterer Menschen aus? Wir haben den Stand der Forschung zu diesen Fragen recherchiert.
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Übersicht
Darum ist Eiweiß so wichtig
Protein besteht aus 20 sogenannten Aminosäuren. Einige davon kann der Körper selbst bilden, doch neun Aminosäuren müssen über die Nahrung zugeführt werden.1 Weil sie wichtig für eine gesunde Körperfunktion sind, spricht man von essenziellen Aminosäuren. Dazu gehören folgende:
- Isoleucin
- Leucin
- Lysin
- Methionin
- Phenylalanin
- Threonin
- Tryptophan
- Valin (für Erwachsene)
- Histidin (für Säuglinge)
Proteine oder genauer gesagt Aminosäuren sind nahezu an allen Prozessen in unserem Körper beteiligt. Sie sind Teil unserer Zellen und damit des Gewebes wie zum Beispiel der Muskeln. Aber sie sind nicht nur Bausteine, sondern generell wichtig für den Ablauf von Stoffwechselprozessen im Körper. Deswegen werden sie auch für die Bildung von Enzymen, Hormonen und Immunzellen benötigt. Eiweißmangel kann zu Stoffwechselstörungen führen und unseren Körper schwächen.
Da sich beim Stoffwechsel die Proteine im Körper immer wieder erneuern, ist eine ausreichende regelmäßige Zufuhr notwendig. Man spricht hier von der Proteinbiosynthese.2
Protein spielt bei über 60-Jährigen eine besondere Rolle
Bei älteren Erwachsenen ab 60 ist eine ausreichende Proteinzufuhr vor allem aus zwei Gründen besonders wichtig: Zum einen schützt es vor dem altersbedingten Muskelabbau und zum anderen gleicht es die schlechtere Proteinbiosynthese aus.
So haben amerikanische Forscher zahlreiche Studien zur Proteinaufnahme und -verwertung analysiert.3 Laut ihrer Auswertung, die auf Daten aus epidemiologischen oder Kurzzeitstudien beruht, gibt es Hinweise auf einen positiven Effekt bei einer erhöhten Proteinzufuhr bei älteren Erwachsenen. Die Daten zeigen nämlich, dass ältere Erwachsene im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen nicht besonders gut auf eine geringe Aminosäurenzufuhr ansprechen. Die schlechtere Verwertung von Proteinen kann jedoch in der Regel durch eine höhere Zufuhr von essenziellen Aminosäuren ausgeglichen werden, schreiben die Forscher.
Dies untermauert eine frühere Studie, in denen unterschiedliche Proteinmengen bei jungen (im Schnitt 22 Jahre alt) und älteren Männern (im Schnitt 71 Jahre alt) verglichen wurden.4 Es war die erste ausführliche Untersuchung der Aufnahme unterschiedlicher Proteinmengen und der Auswirkung auf die Proteinsynthese bei jungen und älteren Männern. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass gesunde ältere Männer eine größere Proteinzufuhr pro Mahlzeit benötigen als junge Männer, um eine hohe Proteinsynthese zu gewährleisten. Man sollte dies beachten, um die Muskelmasse mit zunehmendem Alter zu erhalten, raten die Forscher.
Die empfohlene Protein-Dosis bei älteren Menschen
Basierend auf den oben genannten Erkenntnissen und Studien raten die Experten zu einer Proteinzufuhr zwischen 1,2 und 2,0 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist da etwas vorsichtiger in der Empfehlung.5 Laut DGE reichen Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren lediglich 0,8 Gramm Eiweiß, um einen gesunden Stoffwechsel zu gewährleisten. Ab 65 sollten sowohl Männer als auch Frauen jedoch ein Gramm Eiweiß (Schätzwert) pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen, rät die DGE. Bei einem Körpergewicht von 70 Kilogramm wären es demnach 70 Gramm Eiweiß pro Tag (Stand 2017).
Die DGE betont, dass für ältere Menschen die körperliche Funktionalität bzw. der Funktionserhalt von zentraler Bedeutung seien. Deswegen würden für Erwachsene ab 65 Jahren für die Ableitung des Referenzwertes neben den Ergebnissen der Stickstoffbilanzanalysen auch die Ergebnisse zur Muskelproteinsynthese und zur Funktionalität mitberücksichtigt, so die DGE in einer Mitteilung.6 Doch laut bisheriger Studienergebnisse lässt sich der Proteinbedarf für Erwachsene ab 65 Jahren nicht exakt genug bestimmen, um eine empfohlene Zufuhr abzuleiten. Deswegen spricht die DGE bei ihren empfohlenen Werten für Ü65-Jährige lediglich von einem Schätzwert.
Auch der Diabetologe und Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl hat uns in einem Gespräch bestätigt, dass die DGE-Empfehlungen sich am unteren Limit bewegen. „Je älter wir werden, desto schlechter die Eiweißaufnahme. Auch beim Muskelaufbau wird mehr Eiweiß benötigt“, sagt Dr. Matthias Riedl. Die DGE-Empfehlung (bis 65 Jahren) von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht beziehe sich laut ihm auf gesunde Individuen. „Wer ist in Deutschland noch gesund und jung genug für diese Empfehlung?“, hinterfragt Dr. Riedl kritisch. Deswegen lautet seine Empfehlung eher 1 bis 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht täglich. „Das empfehle ich auch allen älteren ab 50 Jahren, wenn der Muskelabbau Fahrt aufnimmt“, so der Diabetologe Riedl.
Protein bei Frauen in der Menopause
Bei Frauen scheint die Proteinzufuhr speziell im Zusammenhang mit der Menopause eine wichtige Rolle zu spielen. Wie bei den Männern ist die Proteinzufuhr wichtig für den Erhalt der Muskelmasse. Laut Studien, die speziell den Effekt erhöhter Proteinzufuhr bei Frauen untersucht haben, sei ein guter Richtwert 1 bis 1,2 Gramm Protein pro Körpergewicht.7 Dies deckt sich also mit der zuvor erwähnten Empfehlung unseres Experten.
Doch Protein ist für Frauen mit zunehmendem Alter noch aus einem anderen Grund von Bedeutung. Offenbar können Frauen mit erhöhter Proteinzufuhr auch der Gewichtszunahme während der Menopause entgegenwirken. Forscher einer Meta-Analyse bestehender Studien, die den Zusammenhang zwischen Proteinaufnahme und durch die Wechseljahre bedingte Gewichtszunahme untersucht hatten, erklären: „Sie ist nicht primär eine Folge von Bewegungsmangel oder Disziplinlosigkeit, sondern vielmehr Ausdruck eines biochemisch gesteuerten Appetitsignals, das auf Eiweißmangel reagiert.“ Wer die Zusammensetzung der Ernährung nicht an den veränderten Bedarf anpasse, riskiere ungewollte Gewichtszunahme und Verlust an Muskelmasse. Die Erkenntnis der Analyse: Eine gezielte Erhöhung des Eiweißanteils – kombiniert mit dem Erhalt der Bewegung – kann nicht nur Gewichtsstabilität fördern, sondern auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Osteoporose, Sarkopenie und Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Besonders relevant sei dies für Frauen zwischen 40 und 50 Jahren, bei denen sich erste hormonelle Umstellungen bemerkbar machen.8 Demnach gilt auch für Frauen, besser schon vor dem 60. Lebensjahr die Menge an Protein in ihrer Ernährung zu erhöhen.
Reicht die Eiweißzufuhr über normale Ernährung aus?
Die Verbraucherzentrale weist darauf hin, dass der leicht erhöhte Proteinbedarf im Alter durch eine normale Ernährung abgedeckt werden könne.9 Spezielle proteinangereicherte Lebensmitteln oder Präparaten böten keine großen Vorteile und seien zudem unnötig teuer, so die Einschätzung der Verbraucherzentrale. Jedoch bei Menschen, die Kau- und Schluckprobleme haben oder ein vermindertes Hungergefühl, können Proteinpräparate (z.B. Eiweiß-Shakes) im Alter sinnvoll sein. Man sollte aber zugesetzte Süßungsmittel, Zucker, Zusatzstoffe und Aromen vermeiden.
Empfehlenswerte Lebensmittel für eine gute Proteinversorgung:
- Fettarme Milchprodukte, z. B. Quark, Joghurt und Käse
- Mageres Fleisch und Geflügel
- Fisch
- Eier
- Vollkorngetreide
- Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen, Bohnen
- Nüsse und Samen

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Fazit
Studien und Ernährungsexperten sind sich einig, dass ältere Menschen einen erhöhten Eiweißbedarf haben. Zum einen, weil der Muskelabbau im Alter zunimmt, zum anderen, weil ältere Menschen Eiweiß nicht mehr so gut verwerten können wie jüngere. Frauen profitieren laut aktuellem Forschungsstand zudem während ihrer durch die Wechseljahre bedingten hormonellen Umstellung von einer erhöhten Proteinzufuhr.
Eine klare Altersgrenze lässt sich aber nicht so einfach ziehen. Unser Experte Dr. Matthias Riedl rät bereits ab 50 Jahren zu mehr Eiweiß, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung erst ab etwa 65 Jahren. Bei Frauen soll es ratsam sein, schon zwischen 40 und 50 mehr Protein zu sich zu nehmen, um der Gewichtszunahme durch die Menopause entgegenzuwirken.
Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass Menschen ab 60 Jahren täglich mindestens 1 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen sollten. Andere Empfehlungen gehen sogar von 1,2 Gramm aus. Wer sportlich aktiv ist und Kraftsport betreibt, kann eventuell etwas mehr Eiweiß benötigen. Für Hobby-Kraftsportler werden bis zu 1,6 Gramm Eiweiß empfohlen, wie wir in einem früheren FITBOOK-Artikel erklärt haben. Wie immer handelt es sich um Empfehlungen für gesunde Menschen. Wer unter Krankheiten leidet, sollte die individuelle Eiweißmenge mit seinem Hausarzt besprechen.