18. Februar 2025, 11:13 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Orangensaft ist nicht gleich Orangensaft: Neben der Menge ist der Zeitpunkt des Trinkens ein relevanter Faktor – wenn man sein Gewicht halten will. Die Forscher der Uni Kiel, die das herausgefunden haben, sagen allerdings auch: Noch besser als O-Saft zur richtigen Zeit ist die Orange als Stückobst.
Orangensaft gilt als gesunde Alternative zu Softdrinks – doch ist er wirklich unbedenklich? Eine Studie der Uni Kiel hat gezeigt, dass nicht nur die Menge, sondern auch der Zeitpunkt entscheidend ist, wann wir den Orangensaft trinken. Denn ob man sich O-Saft zwischen oder zu den Mahlzeiten gönnt, wirkt sich unterschiedlich auf das Gewicht und andere Gesundheitswerte aus. Wie kommt es zu diesen Unterschieden? Und was bedeutet das für den Alltag? FITBOOK hat mit einer der Forscherinnen über die erstaunlichen Ergebnisse von 2018 gesprochen.
Übersicht
- Zum Essen oder danach? Studie zu Zeitpunkt und Wirkung von Orangensaft auf den Körper
- Studiendesign – so viel O-Saft tranken die Teilnehmer und diese Werte wurden untersucht
- Saft zu den Mahlzeiten oder dazwischen? Ergebnisse der Studie
- Warum die Gewichtszunahme, wenn O-Saft zwischen den Mahlzeiten getrunken wurde?
- Sollte man Fruchtsäfte generell nur mit Mahlzeiten konsumieren?
- Wie viel Fruchtsaft pro Tag noch als gesund gilt
- Unabhängig vom Zeitpunkt – warum Orangensaft nicht zur Vermeidung von Übergewicht geeignet ist
- Orangensaft kann Harnsäurespiegel senken – Forscher untersuchen warum
- Orangensaft trinken – wie relevant ist der richtige Zeitpunkt am Ende überhaupt?
- Quellen
Zum Essen oder danach? Studie zu Zeitpunkt und Wirkung von Orangensaft auf den Körper
Die Professorin für Humanernährung Anja Bosy-Westphal und ihr Team an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben 2018 eine interessante O-Saft-Studie durchgeführt, um die Wirkung des beliebten Saftes in der Variante 100 Prozent Frucht auf unseren Körper zu untersuchen.1 Insbesondere wollten Bosy-Westphal und Team wissen, ob die Aufnahme von Orangensaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten – mit den Hauptmahlzeiten oder zwischen den Mahlzeiten – unterschiedliche Effekte auf das Körpergewicht, den Fettstoffwechsel und die Insulinsensitivität hat.
Hintergrund war die Annahme, dass zuckerhaltige Getränke die Energieaufnahme erhöhen können, wenn man sie nicht mit Mahlzeiten kombiniert – was langfristig zu Gewichtszunahme und Stoffwechselstörungen beitragen kann. Zweitens könnte der häufige Konsum zwischen den Mahlzeiten die Insulinausschüttung konstant hoch halten, was die Fettverbrennung hemmt und die Fettspeicherung begünstigt. Die Studie sollte klären, ob diese Effekte tatsächlich auftreten und ob ein regelmäßiger Konsum von Orangensaft mit den Mahlzeiten eine bessere Alternative darstellt.
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Studiendesign – so viel O-Saft tranken die Teilnehmer und diese Werte wurden untersucht
26 gesunde Erwachsene (13 Männer, 13 Frauen, Durschnittsalter 24,7 Jahre) tranken zwei Wochen lang täglich eine berechnete Menge O-Saft (100 Prozent Saft mit Fruchtfleisch). Dies entsprach 20 Prozent ihres individuellen Energiebedarfs. Die Menge wurde gewählt, um den durchschnittlichen Konsum kalorischer Getränke von jungen Menschen abzubilden, nämlich in Deutschland ca. 0,9 Liter.2 Umgerechnet auf den Orangesaft sind das ca. 1,28 Liter pro Tag.
Die Probanden tranken den Orangensaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Entweder zu den drei Hauptmahlzeiten oder zwischen den Mahlzeiten. Nach einer einwöchigen Pause wechselten sie in die jeweils andere Gruppe. Gleichzeitig erfassten die Forscher bei den Probanden metabolische Parameter:
- Die Insulinsensitivität (Bestimmung mithilfe eines oralen Glukosetoleranztests (OGTT))
- Die Körperfettmasse (Messung mit Luftverdrängungsplethysmographie)
- Die tägliche Blutzuckerregulation (per kontinuierlichem Glukosemonitoring untersucht)
- Die Insulinsekretionwurde durch Urin-C-Peptid-Analysen untersucht
- Ebenfalls erfassten die Forschenden das Krpergewicht
- GGT (ein Marker für Lebergesundheit)
- sowie die Blutfettwerte
Was steckt drin in einem Glas Orangensaft (0,25 Liter)?
Orangensaft ist nicht gleich Orangensaft, soviel ist klar. Das volle Orangenaroma liefert logischerweise nur frisch gepresster Orangensaft; Nektar beispielsweise besteht zur je zur Hälfte aus Orangensaft sowie Wasser und Zucker. Als Fruchtsaft gekennzeichnet enthält Orangensaft lediglich wenige Prozent echten Fruchtanteil. Ein Glas frisch gepresster Orangensaft (0,25 Liter) liefert – neben stolzen 125 Milligramm Vitamin C (deckt den Tagesbedarf aller Altersgruppen) durchschnittlich etwa 120 Kalorien und 27 Gramm Zucker – und damit genauso so viel wie ein Glas Cola. Noch höher dürfte der Zuckergehalt bei den Nektar- und Fruchsaftvarianten sein aufgrund des zugesetzten Zuckers. Aber ist Orangensaft auch ein Dickmacher wie die süße Brause?
Saft zu den Mahlzeiten oder dazwischen? Ergebnisse der Studie
Kernergebnis der Studie: Hatten die Probanden den Orangensaft zwischen den Mahlzeiten getrunken, wurde im Nachhinein ein leichter Anstieg ihres Körperfetts festgestellt. Tranken sie ihn zu ihrem Frühstück, Mittag- und Abendessen, war dies nicht der Fall.
Die Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede zwischen den beiden Interventionsgruppen:
- Körperfett: Nach zwei Wochen O-Saft zwischen den Mahlzeiten nahm die Körperfettmasse im Durchschnitt um 1,0 ± 1,8 Kilogramm zu. Tranken die Probanden den Saft zu den Mahlzeiten, sank die Körperfettmasse um maximal 0,65 Kilogramm.
- Insulinsensitivität: O-Saft zwischen den Mahlzeiten ging mit einer tendenziellen Verschlechterung Insulinsensitivität einher.
- Blutzuckerschwankungen: In der Phase, in der der es den O-Saft zu den Mahlzeiten gab, war die tägliche Glukosevariabilität signifikant höher. Das deutet auf größere Schwankungen des Blutzuckerspiegels hin.
- Lebergesundheit: Der Leberwert GGT sank in der Phase, in der die Probanden O-Saft zu den Mahlzeiten zu sich nahmen, signifikant. Zur Erklärung: Ein niedriger GGT ist gut, ein erhöhter Wert kann auf auf Leberschäden hindeuten. O-Saft zwischen den Mahlzeiten führte zu keinen (positiven wie negativen) Veränderung dieses Leberwerts.
- Weitere Stoffwechselmarker: Keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen gab es bei der Nüchterninsulinsensitivität, der Insulinsekretion oder den Triglyceridwerten.
- Geschlechtsspezifische Unterschiede: wurden in der Studie nicht untersucht.
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Warum die Gewichtszunahme, wenn O-Saft zwischen den Mahlzeiten getrunken wurde?
„Die Teilnehmenden haben bei Verzehr des Saftes mit den Mahlzeiten die Energieaufnahme durch den Saft besser kompensiert als bei Saftkonsum zwischen den Mahlzeiten“, erläutert Dr. Janna Enderle vom Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel auf Nachfrage von FITBOOK. Bei Saftkonsum mit den Mahlzeiten hätten die Teilnehmenden dafür weniger gegessen und so die Kalorien aus dem Getränk nicht zusätzlich aufgenommen. Beim Saftkonsum zwischen den Mahlzeiten wurde bei den Mahlzeiten nicht weniger gegessen, „sodass die Kalorien aus dem Saft zusätzliche Energie lieferten und so zu einem Anstieg der Fettmasse beitrugen“. Kurz gesagt: Zum Essen getrunken verringert O-Saft die spontane Energieaufnahme mit der Mahlzeit. Es passiert sozusagen eine Anpassung.
Sollte man Fruchtsäfte generell nur mit Mahlzeiten konsumieren?
„Auch wenn die Zusammensetzung unterschiedlicher Säfte variiert, ist davon auszugehen, dass diese Kompensation der Energieaufnahme durch Saft auch bei anderen Sorten ähnlich reguliert wird“, sagt Enderle. Saftkonsum – oder noch allgemeiner der Konsum kalorienhaltiger Getränke – zu den Mahlzeiten sei allgemein „eher zu empfehlen als eine isolierte Aufnahme“ zwischen den Mahlzeiten.
Wie viel Fruchtsaft pro Tag noch als gesund gilt
Wichtig: Die in der Studie verzehren O-Saft-Mengen (20 Prozent der Kalorienaufnahme, im Schnitt etwas 1,2 Liter) sind keine Empfehlung. Sie wurden nur so hoch gewählt, damit man messbare Effekt erreicht. Die Deutsche Gesellschaft für Empfehlung (DGE) empfiehlt fünf Portionen (oder 550 Gramm) Gemüse und Obst täglich. Davon sollte man maximal zwei Portionen pro Woche in Form von Saft verzehen.3
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Unabhängig vom Zeitpunkt – warum Orangensaft nicht zur Vermeidung von Übergewicht geeignet ist
Allgemeine Ernährungsempfehlungen, auch die der DGE, richten sich in der Regel an gesunde Personen. Auch in der Kieler Studie wurden keine kranken Personen untersucht. Ihre Ergebnisse bestätigten, dass kalorienhaltige Getränke, also auch Obstsäfte, „nicht zur Regulation der Energiebilanz, also zur Vermeidung von Übergewicht geeignet sind“, sagt Enderle, um Irrtümer zu vermeiden. Sie verweist auf die niedrigere Energiedichte von Stückobst und -gemüse als verarbeitete Obst- und Gemüseprodukte (wie Säfte). Das heißt: Die Orange als Stückobst glänzt mit weniger Kalorien pro Gramm als der Saft. Außerdem spiele die Konsistenz eine Rolle, so Enderle zu FITBOOK: „Stückiges Obst, was gekaut werden muss, sättigt mehr und wird langsamer verzehrt als z. B. Säfte.“ Für die Gewichtsregulation könne es daher günstiger sein, Stückobst zu verzehren und weniger Säfte oder sehr energiehaltige Obstprodukte.
Orangensaft kann Harnsäurespiegel senken – Forscher untersuchen warum
In einer Anschlusssstudie untersucht das Forscherteam zurzeit seinen Befund, dass Orangensaftkonsum mit einer Senkung der Harnsäurespiegel einherging, näher. Enderle: „Wir wollten wissen, ob der Effekt durch das im Saft enthaltene Vitamin C oder durch einen orangenspezifischen sekundären Pflanzenstoff, das Hesperidin, vermittelt wird.“ Letzteres habe im Tierversuch dazu geführt, dass der Organismus weniger Harnsäure bildet. „Für Vitamin C gibt s Daten aus Humanstudien, wonach es zu einer vermehrten Ausscheidung der gebildeten Harnsäure im Urin führt. Dafür haben wir Orangensaftgetränke entwickelt, die genauso viel eines oder beider dieser Inhaltsstoffe enthielten wie die 1,28 Liter Saft aus der Vorstudie, aber in 200 Milliliter Getränk, denn so mussten die Probanden weniger Energie aufnehmen.“ Die Auswertungen laufen noch. Was die Forscherin aber schon sagen kann, ist, „dass zumindest ein Teil der Getränke den gewünschten Effekt hatte, also zu einer Senkung der Harnsäurespiegel im Blut geführt hat“.
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Orangensaft trinken – wie relevant ist der richtige Zeitpunkt am Ende überhaupt?
Fruchtsäfte enthalten zwar wertvolle Vitamine und Mineralstoffe, aber auch viel Zucker. In Bezug auf das Risiko für Übergewicht und Typ-2-Diabetes werden sie daher oft mit zuckerhaltigen Softdrinks verglichen. Während viele Studien zeigen, dass ein hoher Konsum von zuckergesüßten Getränken mit einer Gewichtszunahme verbunden ist, bleiben die Auswirkungen von 100-Prozent-Fruchtsäften umstritten. Die vorliegende Studie zeigt, dass es günstige Auswirkungen auf die Körperzusammensetzung und den Stoffwechsel haben kann, wenn man den Orangensaft zum Zeitpunkt einer Mahlzeit statt zwischen den Mahlzeiten trinkt. Das Trinken von Orangensaft zwischen den Mahlzeiten führte zu einer Gewichtszunahme, während der Konsum mit den Mahlzeiten das Körperfett sogar reduzierte.
Trotzdem: Man sollte Stückobst den Vorzug vor O-Saft zu den Mahlzeiten geben. So nimmt man weniger Kalorien, geringere Mengen Zucker auf als beim Saftkonsum. Auch zur besseren Regulation des Blutzuckers und zur Vermeidung starker Blutzuckerschwankungen kann es sinnvoll sein, eher zum Obst als zum Saft zu greifen. Der Kaloriengehalt von O-Saft ist schließlich vergleichbar mit dem von Cola und anderen Limonaden. Wer aber dennoch unbedingt regelmäßig Orangensaft trinken möchte, sollte dies besser zu den Hauptmahlzeiten tun.