11. September 2023, 17:23 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Olivenöl ist gesund und sollte Bestandteil jeder ausgewogenen Ernährung sein – oder nicht? Im Gespräch mit FITBOOK hat Ernährungsexperte Prof. Sven-David Müller verraten, warum wir in Sachen gesundheitlicher Wirkung bei hierzulande erhältlichem Öl nicht zu viel erwarten sollten.
Pflanzliche Öle sind gesund. Vor allem Olivenöl wird nachgesagt, sehr nährstoffreich zu sein. Es ist u. a. Teil der als ebenfalls sehr gesund geltenden mediterranen Ernährung. Tatsächlich punktet das Öl mit einem hohen Anteil einfach Fettsäuren. Diese senken den Cholesterinspiegel, regulieren den Blutdruck und wirken entzündungshemmend und schützen so die Gefäße. Doch Ernährungsexperte Prof. Sven-David-Müller erklärt, dass das in Deutschland erhältliche Olivenöl gar nicht so gesund ist, wie viele oft meinen. Hier erfahren Sie, warum.
Übersicht
Was Studien über Olivenöl herausgefunden haben
Diverse Studien haben die Vorteile von Olivenöl aufzeigen können. Wer statt auf Butter häufiger auf Olivenöl setzt, soll sein Risiko für zahlreiche Krankheiten, darunter Krebs, Herz- und Lungenkrankheiten sowie Demenz senken können (FITBOOK berichtete).1,2
Warum sich die Studienergebnisse nicht auf jedes „Olivenöl“ übertragen lassen
Die gesunde Wirkung von Olivenöl bestreitet auch Ernährungsexperte Müller auf FITBOOK-Nachfrage nicht. Aber: Olivenöl ist nicht gleich Olivenöl. „In Studien, z. B. zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wird stets ein besonders hochwertiges Olivenöl verwendet. Dabei geht es um das Olivenöl, das man vielleicht aus dem Kreta-Urlaub kennt“, betont der Professor. Dieses hochwertige Olivenöl sei grünlich, dickflüssig und schmecke und rieche ganz intensiv – und sei nicht mit den Olivenölen gleichzusetzen, die wir in Deutschland im Supermarkt kaufen könnten.
Olivenöle in Deutschland häufig von minderwertiger Qualität
„Das, was wir in Deutschland als Olivenöl im Allgemeinen im Supermarkt kaufen, ist nicht das Olivenöl, das in Studien positive Effekte nachgesagt bekommt“, betont der Ernährungsexperte. „Seit vielen Jahren weisen Ökotest und Stiftung Warentest regelmäßig nach, dass das Olivenöl, das wir im Supermarkt zu Billigpreisen von wenigen Euros kaufen, gar kein Olivenöl ist, sondern maximal eine Mischung verschiedener Öle, bei dem auch Olivenöl dabei ist.“ Deshalb könne sein Effekt auf die Gesundheit auch nicht mit dem in Studien verwendeten Öl verglichen werden: „Das Olivenöl, das heute fast alle Deutschen verwenden, hat mit einem Olivenöl im mediterranen Sinne und mit einem Gesundheitswert nichts zu tun. Es macht höchstens dick.“
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Hochwertiges Olivenöl ist ziemlich teuer
Wer also im Supermarkt um die Ecke zum Olivenöl greift, erhält dabei längst nicht immer die Qualität eines reinen und hochwertigen Olivenöls von Kreta. „Ein gutes Olivenöl kostet zwischen zehn und 20 Euro pro halbem Liter“, erläutert der Experte. Auch „Stiftung Warentest“ führt für Feinschmecker mit 40 Euro pro Liter ähnliche Preise auf.3
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Weitere Gründe, warum Ergebnisse aus Olivenöl-Studien nicht einfach übertragbar sind
Nicht nur das Olivenöl selbst, das bei den durchgeführten Studien zumeist von Kreta oder zumindest aus Griechenland stammt, ist laut Prof. Müller ein Grund, warum man deren Ergebnisse nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen kann. Zumeist spielen auch andere Faktoren als nur das Olivenöl eine Rolle. „So ist da praktisch immer noch eine mediterran orientierte Ernährungsweise, auch als Mittelmeerdiät bekannt, vorhanden. Die Mittelmeerdiät verzichtet auf Butter, Fast Food, Fleisch und Wurstwaren und setzt auf Seefisch, etwas Käse, extrem viel Gemüse und reifes Frischobst. Da geht es um weit mehr als nur Olivenöl.“ Entsprechend lässt sich also gar nicht immer mit Bestimmtheit sagen, ob die gesundheitlichen Effekte wirklich direkt und nur auf das Olivenöl zurückzuführen sind.
„Das Studienergebnis trifft dann eben für die Menschen auf Kreta unter diesen Lebensstil-, Umwelt- und Studienbedingungen zu“, fasst es Prof. Müller zusammen. „Das kann man nicht einfach so auf Deutschland übertragen und schon gar nicht, wenn man statt dem hochwertigen Olivenöl das in Deutschland billig verkaufte nimmt und sich nicht an die Regeln der Mittelmeerdiät hält.“
Fazit: Auf hochwertige Qualität kommt es an
Es kann festgehalten werden, dass hochwertiges teures Olivenöl natürlich gesund ist. Doch sollte man klar zwischen den verschiedenen Qualitätsstufen von Olivenöl differenzieren. So beziehen sich die wissenschaftlichen Belege für die gesundheitlichen Vorteile auf reines Olivenöl und meist im Zusammenspiel mit weiteren, in Griechenland bzw. auf Kreta auffindbaren Lebensstil- und Umweltfaktoren. Da jedoch nicht nur das hochwertige griechische Olivenöl und die in den meisten deutschen Haushalten verwendeten Öle, sondern auch die Umweltfaktoren in Griechenland und Deutschland sehr unterschiedlich sind, können die in Studien aufgezeigten Wirkweisen nicht einfach übertragen werden.
Es gibt daher keinerlei Beweise, dass die günstigeren in Deutschland vielfach verkauften billigen „Olivenöle“ ähnlich gesunde Wirkungen mit sich bringen. Dafür müsste man schon zu sehr teuren Ölen greifen, die dem Original von Kreta möglichst nahekommen.
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Quellen
- 1. Guasch-Ferré, M., Li, Y., Willett, W.C. et al. (2022). Consumption of Olive Oil and Risk of Total and Cause-Specific Mortality Among U.S. Adults. Journal of the American College of Cardiology.
- 2. American Society for Nutrition. Opting for olive oil could boost brain health. EurekAlert! (aufgerufen am 11.9.2023)
- 3. Stiftung Warentest. Raps, Olive, Sonnenblume – alle Infos zum Öl. (aufgerufen am 11.9.2023)