
3. Juli 2024, 13:59 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Vitamine sind lebensnotwendige Nährstoffe. Folglich logisch, dass eine Brausetablette hier und eine Multivitamin-Pille da förderlich für die Gesundheit sind, oder? Eine US-Langzeitstudie kommt zu einem ganz anderen Schluss: Demnach ist der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln, vorsichtig gesagt, sehr begrenzt. FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke stellt die Studie vor und erklärt, in welchen Fällen die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll ist – und wann nicht.
Haben Sie Zuhause auch eine Schublade, in der sich verschiedene Nahrungsergänzungsmittel tummeln? Und das, obwohl Ihnen eigentlich gar kein Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen diagnostiziert wurde? ‚Kann ja nicht schaden‘, werden sich die meisten denken – und sind damit in bester Gesellschaft. Einer Umfrage zufolge geben drei von vier Deutschen an, Supplements zu nutzen. Sie erhoffen sich davon offensichtlich einen positiven Nutzen für ihre Gesundheit. Ganz oben mit dabei: Vitamine (61 Prozent) und Mineralstoffe (36 Prozent)1. Doch welchen Nutzen haben solche Supplements realistisch? Können Nahrungsergänzungsmittel etwa Krankheiten abwehren, zahlen sie gar auf ein Langes Leben ein? Eine US-amerikanische Langzeitstudie beantwortet die Frage.
Jetzt dem FITBOOK-Kanal bei Whatsapp folgen!
Übersicht
Können Vitamin-Supplements für ein langes, gesundes Leben sorgen?
Multivitamin-Präparate werden eingenommen, weil man sich davon nicht nur eine Förderung des allgemeinen Wohlbefindens verspricht – viele nehmen sie auch in der Annahme, so Krankheiten vorzubeugen oder sich damit zu einem längeren, gesünderen Leben zu verhelfen. Aber besteht dieser Zusammenhang überhaup? Ziel des Teams um Erikka Loftfield, Forscherin am National Cancer Institute der USA, war es, dies herauszufinden.2 Welcher Zusammenhang besteht zwischen langfristiger, täglicher Multivitamin-Einnahme und Sterblichkeit bei allgemein gesunden Erwachsenen?
Studie umfasste knapp 400.000 Probanden
Hierfür wurden drei US-amerikanischen Kohortenstudien untersucht, die insgesamt Daten von 390.124 gesunden Erwachsenen zwischen 18 und 74 Jahren beinhalteten. Alle Teilnehmenden hatten zu Studienbeginn keine schweren chronischen Krankheiten und wurden bis zu 27 Jahre lang nachbeobachtet, wobei das erste Follow-up nach zwölf Jahren, das zweite nach 27 Jahren stattfand.
Die Teilnehmer gaben selbst an, wie häufig sie Multivitamin-Präparate einnahmen. Anhand dieser Informationen teilten die Forscher die Teilnehmer in drei Gruppen ein:
- keine Multivitamin-Einnahme
- nicht tägliche Multivitamin-Einnahme
- tägliche Multivitamin-Einnahme
Die Forscher berücksichtigten weiterhin Selbstauskünfte der Teilnehmer zu ihrem Raucherstatus, Alkohol- und Kaffeekonsum, ethnische Zugehörigkeit, Bildungsniveau, den Body-Mass-Index (BMI), den Grad der körperlichen Aktivität und die familiäre Vorbelastung mit Krebs. Zudem wurde ihr Ernährungsstatus anhand des Healthy Eating Index 2015 (HEI) bewertet. Ein hoher HEI-Score steht hierbei für eine hohe Übereinstimmung mit den amerikanischen Ernährungsempfehlungen (Dietary Guidelines for Americans).
Einnahme von Multivitamin-Präparaten nicht mit niedrigeren Sterberisiko verbunden
Im Laufe der Studie verstarben 164.762 Probanden, von denen etwa 30 Prozent auf Krebs, 21 Prozent auf Herzkrankheiten und sechs Prozent auf Erkrankungen der Blutgefäße des Gehirns zurückzuführen waren.
Den Wissenschaftlern fiel auf, dass Personen, die täglich Vitamin-Supplements einnahmen, im Vergleich zu den Nichtnutzern auch häufiger andere Nahrungsergänzungsmittel einnahmen und tendenziell einen niedrigeren BMI und einen höheren HEI-Score aufwiesen. Trotzdem fanden die Forscher keine Hinweise darauf, dass die regelmäßige Einnahme von Vitamin-Supplements die Lebenserwartung gesunder Erwachsener erhöhen kann.
Eine gepoolte Analyse nach dem ersten Follow-up ergab sogar, dass Personen, die täglich Multivitamin-Präparate einnahmen, ein um vier Prozent höheres Gesamtsterberisiko aufwiesen, als Personen, die keine einnahmen. Mit Blick auf spezifische Todesursachen (Krebs, kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Erkrankungen) waren diese Werte jedoch nicht mehr signifikant. Nach dem zweiten Follow-up war kein Wert hinsichtlich der Gesamt- oder spezifischen Sterblichkeit signifikant.
Braucht niemand Supplemente? Das sagen die Studienautoren
Wenngleich kein Nutzen von Vitamin Supplements für ein langes Leben bewiesen werden konnte, weisen die Studienautoren darauf hin, dass die tägliche Einnahme von Supplements andere Vorteile während des Alterns haben kann; etwa eine Unterstützung der kognitiven Funktion bei älteren Erwachsenen.
Einschränkungen der Studie
Es ist wichtig zu beachten, dass die Studie neben der beeindruckend hohen Probandenanzahl sowie der langen Nachbeobachtungszeit auch Einschränkungen aufweist. Beobachtungsstudien wie diese vermögen lediglich, Zusammenhänge aufzuzeigen, nicht aber Kausalität. Zusätzlich stützten sich die gesammelten Daten auf Selbstauskünfte der Teilnehmer.

Als Supplement verabreicht Flavonole aus Kakao können Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich senken

Alzheimer Multivitamine sollen laut Studie den Gedächtnisverlust bremsen, aber …

Kurkuma, grüner Tee, … Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel können schädlich für die Leber sein
Für wen ist es sinnvoll, Supplements einzunehmen?
Wer regelmäßig Supplements einnimmt, deckt mit höherer Wahrscheinlichkeit seinen Bedarf an Vitaminen. Gleichzeitig ist das Risiko einer Überversorgung höher. So kann z. B. die Einnahme von Calcium- und Vitamin-D-Präparaten bei Frauen nach den Wechseljahren das Risiko für Knochenfrakturen senken. Auf der anderen Seite steigert die Einnahme von Vitamin A in hohen Dosen das Sterberisiko. Deshalb sollten Supplemente nur in bestimmten Lebenssituationen, z. B. einer Schwangerschaft, oder einem diagnostizierten Mangel erfolgen.3
Bevor Sie Supplemente einnehmen, sollten Sie einen Termin bei der Ernährungsberatung oder Ihrem Hausarzt wahrnehmen.