24. Mai 2024, 13:19 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Hersteller von Sporternährung und Supplements für eine Fitness-Zielgruppe werben zunehmend mit enthaltenem Kollagen. Einfach ein neuer Trend oder wirklich sinnvoll für die sportliche Leistungsfähigkeit? Welche Vorteile haben Sportler von Kollagen? Diese Fragen hat sich FITBOOK-Autorin Desirée Oostland gestellt – und bei einem Ernährungswissenschaftler nachgefragt.
Kollagen kennt man eigentlich als Beauty-Supplement. Das spezielle Strukturprotein stabilisiert Knochen, Gelenke, Knorpel, Sehnen – und das Bindegewebe der Haut, der es mehr Elastizität verleiht, was Falten reduzieren kann. Neben der positiven Wirkung auf die Haut rückt nun die Wirkung von Kollagen auch im Sport mehr und mehr in den Fokus. Hat eine Supplementierung von Kollagen Einfluss auf die sportliche Leistungsfähigkeit und ist daher sinnvoll für Sportler? Darüber hat FITBOOK mit dem Diplom-Oecotrophologen Uwe Schröder gesprochen. Der Ernährungswissenschaftler ist Vorstandsmitglied im Deutschen Institut für Sporternährung, kurz DISE.
Übersicht
- Kann Kollagen die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen?
- Wie sinnvoll ist es für Sportler, Kollagen einzunehmen?
- Wie kann man Kollagen supplementieren?
- Spielt die Art des Kollagenprodukts eine Rolle für die Wirkung?
- Bei bestimmten Sportarten eine Einnahme sinnvoll sein
- Kollagen zum Vorbeugen von Verletzungen
- Die möglichen Nebenwirkungen von Kollagen
- Gibt es eine ideale Tageszeit für die Kollagen-Einnahme?
- Quellen
Kann Kollagen die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen?
„Kollagen ist das am häufigsten vorkommende Protein im menschlichen Körper. Da es ein wesentlicher Bestandteil von Bindegewebe, einschließlich Haut, Sehnen, Bändern und Knochen ist, hat es natürlich auch Einfluss auf die Leistungsfähigkeit“, sagt Schröder zu FITBOOK. Allerdings beschränke sich dieser Einfluss auf „passive Effekte über die Gelenkgesundheit, die Sehnen- und Bändergesundheit“. In Kombination mit anderen Proteinquellen soll Kollagen zur Gesamtsynthese von Muskelprotein beitragen. Die positive Wirkung des Kollagens scheint allerdings nur zu greifen, wenn insgesamt wenig Eiweiß verzehrt wird.
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Wie sinnvoll ist es für Sportler, Kollagen einzunehmen?
Schröder erklärt, dass sich für Sportler vor einer möglichen Supplementierung die Frage stelle, ob der Körper selbst ausreichend Kollagen synthetisiere. Beispielsweise durch eine hochwertige Lebensmittelauswahl, mit eiweißreichen Lebensmitteln. Wenn Kollagen nicht selbst in angemessener Menge hergestellt werden könne, empfehle es sich, Kollagen von „außen“ separat zuzuführen, meint Schröder.
Laut dem Experten habe die Forschung „keinen zusätzlichen Einfluss von Kollagen auf das Muskelwachstum im Vergleich zu Whey-Protein“ feststellen können. Eine Studie, die zu diesem Ergebnis kam, erschien im Mai 2022 in der Fachzeitschrift „International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism“.1Eine weitere mit ähnlichen Erkenntnissen wurde 2023 in „Medicine & Science in Sports & Exercise“ veröffent.2
Es scheine also mehr auf die Gesamtmenge des Eiweißes und die Qualität anzukommen, als darauf, ob Kollagen per se eingenommen werde oder nicht, führt der Experte aus. Eine Ausnahme gebe es vielleicht doch: Die Kombination von Kollagen mit Krafttraining könnte laut wissenschaftlicher Erkenntnisse die Muskelmasse und Muskelkraft bei älteren Männern erhöhen. Zu diesem Schluss kam z. B. eine Studie aus dem Jahr 2015.3
Wie kann man Kollagen supplementieren?
Kollagen kann man auf unterschiedliche Weise einnehmen: als Kapseln, Pulver, Riegel oder Trinkampullen. Verwendet wird in den meisten Fällen Kollagen-Hydrolysat, dabei handelt es sich um eine weiterverarbeitete Form von Gelatine (gekochte Form von Kollagen, die von Rind, Huhn, Schwein oder Fisch stammt), die leicht löslich ist. Auch Kollagenpeptide finden in Nahrungsergänzungsmitteln häufig Verwendung – sie soll der Körper besonders gut aufnehmen können. Zudem bietet der Markt pflanzliches Kollagen und Zusammenstellungen aus Rinderknochen an.
Maritimes Kollagen, auch Meereskollagen, wird aus der Haut, den Schuppen und Gräten von Fischen gewonnen. Rinderkollagen wird aus dem Gewebe, den Knochen und den Hufen von Rindern und Kühen hergestellt. Die tierfreundliche Variante ist veganes Kollagen: Es ist kein Kollagen im eigentlichen Sinn sondern enthält pflanzliche Inhaltsstoffe aus Vitamin-C-reichen Früchten und Gemüse, die die natürliche Kollagenproduktion anregen können.
Spielt die Art des Kollagenprodukts eine Rolle für die Wirkung?
Nein, sagt Schröder. „Die Form spielt für die Wirkung – so sie denn existiert – keine Rolle.“ Die Kombination mit anderen Nährstoffen, vor allem Vitamin C, könne die Kollagensynthese im Körper jedoch unterstützen.
Vor dem Hintergrund, dass in der Wissenschaft immer noch umstritten sei, ob Kollagen überhaupt die gewünschten Effekte in relevantem Ausmaß erzeugen köne, sei auch die Frage, welche Art von Kollagen vom Körper besser aufgenommen werden könne, so einfach nicht zu beantworten. Schröder: „Ob die unterschiedlichen Kollagentypen, die mit Rinderkollagen oder Maritimem Kollagen aufgenommen werden, tatsächlich in der vollständigen Form resorbiert und entsprechend dann auch in körpereigene Substanzen umgewandelt werden, ist derzeit höchst umstritten.“ Aus Schröders Sicht scheint es derzeit „nicht plausibel, gezielte Empfehlungen auszusprechen“.
Bei bestimmten Sportarten eine Einnahme sinnvoll sein
Während nicht eindeutig geklärt ist, ob Kollagen einen Einfluss auf die sportliche Performance haben kann, ist seine Wichtigkeit für die Gesundheit der Gelenke unumstritten.
Kann es daher bei der Ausübung bestimmter Sportarten also vielleicht dennoch sinnvoll sein, Kollagen einzunehmen? Ja, bestätigt der Ernährungswissenschaftler: „Sportarten mit hoher und langer Belastung der Gelenke, Sehnen und Bänder.“ Darunter fielen Ausdauersport – v. a. Marathon und Triathlon – Kraftsport, Kampfsport, Ballsporarten, Sportarten mit niedriger Energieaufnahme wie Turnen, Eiskunstlauf und Sportarten in Gewichtsklassen.
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Kollagen zum Vorbeugen von Verletzungen
Auch um sportliche Verletzungen vorzubeugen, kann Kollagen eine gute Ergänzung zur Nahrung sein: „Das spezifische Aminosäurenprofil von Kollagen kann nach Darstellung einiger Studien in Sehnen und Bändern eingelagert und bei entsprechender Vorschädigung beziehungsweise nicht ausreichender natürlicher Stabilität der Sehnen und Bänder sicher auch zur Verletzungsprophylaxe beitragen“, so Schröder gegenüber FITBOOK.4
„Da die notwendigen Aminosäuren aber auch mit zahlreichen anderen hochwertigen eiweißreichen Lebensmitteln aufgenommen werden können, wäre durch neuere Studien zu differenzieren, ob Kollagen vor allem in Kombination mit Vitamin C hier einer natürlichen eiweißreichen Ernährung mit einem großen Portfolio aller notwendigen Aminosäuren tatsächlich überlegen ist“, erklärt er weiter.
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Die möglichen Nebenwirkungen von Kollagen
Grundsätzlich gilt die Einnahme von qualitativ hochwertigen Kollagenpräparaten als sicher und gut verträglich. Aber: „Wie bei allen Lebensmitteln kann es zu allergischen Reaktionen kommen, in Abhängigkeit von der Kollagenquelle“. Durch die teilweise hohe Dosierungen, könnten auch Verdauungsbeschwerden entstehen. Laut dem Ernährungswissenschaftler sollte die Einnahme von Kollagen zusammen mit einer Mahlzeit die Verträglichkeit jedoch verbessern. Es gibt aber auch Kontraindikatoren: „Vorsicht ist bei der Einnahme mit Medikamenten wie Blutverdünnern angesagt. Hier gilt, sich unbedingt mit dem behandelnden Arzt abzustimmen.“ Außerdem: Es gibt im Internet zahlreiche Anbieter, bei denen man die Qualität beziehungsweise die Herkunft der Grundsubstanzen anzweifeln kann. Daher sollte immer auf namhafte Hersteller und qualitativ hochwertige Produkte, vor allem bei den Ausgangssubstanzen, geachtet werden.
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Gibt es eine ideale Tageszeit für die Kollagen-Einnahme?
„Da Kollagen langfristig eingenommen werden sollte (idealerweise mit Vitamin C), spielt der Einnahmezeitpunkt keine entscheidende Rolle“, sagt Schröder. Am besten sollte Kollagen jedoch in zeitlicher Nähe zu Mahlzeiten aufgenommen werden. „Zudem sollte es immer mit einem entsprechenden Training kombiniert werden, da der Trainingsreiz benötigt wird, um das Kollagen dort einzubauen, wo es wirken soll.“
Vor oder nach dem Training
Anders sieht es bei Leistungssport aus: „Bei leistungsorientiertem Training mit entsprechend hoher Intensität kann daher die Einnahme in zeitlicher Nähe zum Training durchaus Sinn ergeben. Die Studienlage dazu ist aber noch nicht aussagekräftig.“
Der Körper profitiert aber auch von der Einnahme nach einer Trainingseinheit: Die Einnahme nach dem Training könnte dazu beitragen, die Muskelregeneration zu fördern und die Erholungszeit zu verkürzen. „Eine gute andere Möglichkeit ist die direkte Einnahme direkt vor dem Schlafengehen. Hier werden die anabolen Prozesse in der Nacht unterstützt.“ Synergistisch wirkt Kollagen mit Vitamin C, das für die Kollagensynthese im Körper wichtig ist. Ob allerdings die Einnahme direkt zusammen oder auch mit zeitlichem Abstand voneinander erfolgen kann, ist noch nicht vollständig geklärt. Wie sooft gilt: Entscheidend ist die kontinuierliche Einnahme über mehrere Wochen.
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Ist Kollagen das neue Protein?
„Diesen Eindruck könnte man gewinnen, denn nachdem lange Zeit Protein-Drinks oder -Shakes unter den Sportgetränken den Ton angaben, mischt jetzt auch Kollagen munter mit. Auf der FIBO in Köln entdeckten meine Kollegin Janine Riedle und ich zahlreiche Drinks, die mit der Kombi aus Protein und Kollagen warben. Vereinzelt waren darunter auch Produkte nur mit Kollagen.“
Warum die Unterscheidung von Kollagen und Protein leicht irreführend ist
„Wer sich mit Sporternährung auseinandersetzt, scheint aktuell nicht um darum herumzukommen, sich für oder gegen die Einnahme von Kollagen zu entscheiden. Und wenn Kollagen, dann zusätzlich zu Protein? Genügend Produkte, die laut Herstellerangaben beides enthalten, gibt es ja auf dem Martk. Wobei die Unterscheidung zwischen Kollagen und Protein irreführend ist. Denn bei Kollagen handelt es sich ebenfalls um Protein. Was es vom in herkömmlichen Proteinprodukten enthaltenden Proteinen unterscheidet, ist die Quelle. Während es sich bei klassischem Proteinpulver um pflanzliches Protein wie Molke oder Soja handelt, wird Kollagen aus tierischen Quellen gewonnen. Wie uns Ernährungswissenschaflter Uwe Schröder erklärte, handelt es sich dabei um Rinderkollagen oder Meereskollagen.“