10. Dezember 2024, 19:21 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wer sich zum Thema Abnehmen schlau macht, wird oft über den Begriff Kaloriendefizit stolpern. Doch ab wann spricht man von einem Kaloriendefizit und wie sinnvoll ist es? Auf diese und weitere Fragen geht FITBOOK-Fitnessredakteurin Janine Riedle ein.
Ein Kaloriendefizit bedeutet, dass im Zeitraum eines Tages dem Körper weniger Energie in Form von Kalorien zugeführt wird, als er verbraucht – die Folge: Man verliert an Gewicht. Wie hoch dieses Defizit ausfallen soll, ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Zum einen muss man den Grund- und Leistungsumsatz berechnen, um seinen Energieverbrauch zu ermitteln. Zum anderen muss man die Ziele und den dafür notwendigen Zeitraum festlegen. Doch wenn all das erledigt ist, stellt sich noch immer die Frage: Wie hoch soll das Kaloriendefizit nun sein, damit es noch in einem gesunden Rahmen ist?
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Übersicht
Grund- und Leistungsumsatz berechnen
Bevor es richtig losgehen kann, sollte man erst seinen Kalorienbedarf berechnen. Dieser setzt sich aus dem Grund- und Leistungsumsatz zusammen. Zunächst widmen wir uns dem Grundumsatz. Dieser beschreibt die Energiemenge, die der Körper bei völliger Ruhe im Liegen zwölf Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme verbraucht, bei einer konstanten Umgebungstemperatur von 20 Grad Celsius. Das kann man anhand folgender Formel berechnen:
- Frauen: 24 x Körpergewicht in Kilogramm x 1,0
- Männer: 24 x Körpergewicht in Kilogramm x 0,9
Ein Beispiel: Eine Frau mit einem Körpergewicht von 65 Kilogramm hat laut dieser Formel einen Grundumsatz von 1560 Kalorien. Das ist die Energiemenge, die sie sich täglich zuführen muss, um lebenswichtige Körperfunktionen aufrechtzuerhalten.
Ermittlung des Kalorienbedarfs mittels PAL-Wert
Zu dem Grundumsatz kommt aber noch der tägliche Leistungsumsatz dazu, der sich aus den jeweiligen körperlichen Betätigungen ergibt. Dazu zählt unter anderem die Arbeit, die tägliche Schrittzahl und Sport. Um ein ungefähres Bild davon zu bekommen, wie viel Energie der Körper dafür benötigt, dient der sogenannte PAL-Wert (physical acitvity level). Daraus ergibt sich die Formel: Grundumsatz x PAL-Wert. Den PAL-Wert kann man aus folgender Tabelle entnehmen.
Arbeitsschwere bzw. Freizeitverhalten | PAL | Beispiele |
---|---|---|
Schlaf | 0,95 | |
Ausschließlich sitzende oder liegende Lebensweise | 1,2 | Alte, gebrechliche Menschen |
Nur sitzende Tätigkeit mit wenig/keinen anstrengenden Freizeitaktivitäten | 1,4 bis 1,5 | Büroangestellte, Feinmechaniker |
Sitzende Tätigkeit, zeitweilig auch zusätzlicher Energieaufwand für gehende und stehende Tätigkeiten | 1,6 bis 1,7 | Laboranten, Kraftfahrer, Studenten, Flißebandarbeiter |
Überwiegend gehende und stehende Tätigkeiten | 1,8 bis 1,9 | Hausfrauen, Verkäufer, Kellner, Handwerker |
Körperlich anstrengende Arbeit | 2,0 bis 2,4 | Bauarbeiter, Landwirte, Waldarbeiter, Bergarbeiter, Leistungssportler |
Diese vereinfachte Rechnung stellt jedoch oft keine wahrheitsgetreue Darstellung des Kalorienbedarfs dar, da man sich nicht 24 Stunden lang aktiv bewegt oder komplett im Liegen verbringt. Aus diesem Grund kann man anhand der verschiedenen PAL-Bewertungen den Energiebedarf berechnen. Die Grundformel für die jeweilige Aktivität lautet: Körpergewicht in kg x Stunden x PAL. Wichtig ist, dass man mit allen Aktivitäten zusammengenommen auf insgesamt 24 Stunden kommt.
Wie man anhand der Tabelle seinen Kalorienbedarf errechnen kann, zeigen wir mit einem Rechenbeispiel – kommen wir hierfür auf unsere Frau mit einem Körpergewicht von 65 Kilogramm zurück. Nehmen wir an, dass diese Frau als Verkäuferin an einer Kasse jeweils acht Stunden arbeitet und dreimal die Woche Sport betreibt. Dadurch ergibt sich folgende Bewertung:
- Schlaf: 65 kg x 8 Stunden x 0,95 PAL = 494 kcal
- Arbeit: 65 kg x 8 Stunden x 1,8 PAL = 936 kcal
- Freizeit: 65 kg x 8 Stunden x 1,2 PAL = 624 kcal
Rechnet man nun alles zusammen, ergibt sich somit an Tagen, an denen die Frau keinen Sport betreibt, ein Energiebedarf von insgesamt 2054 kcal. Nun die Rechnung, wenn sie körperlich aktiv wird:
- Schlaf: 65 kg x 8 Stunden x 0,95 PAL = 494 kcal
- Arbeit: 65 kg x 8 Stunden x 1,8 PAL = 936 kcal
- Freizeit: 65 kg x 6 Stunden x 1,2 PAL = 468 kcal
- Sport: 65 kg x 2 Stunden x 2 PAL = 260 kcal
Anhand dessen ergibt sich ein Kalorienbedarf von 2158 kcal. Natürlich kann man die Liste noch um Dinge, wie Putzen und Spazierengehen erweitern und genauer ins Detail gehen. Wichtig ist nur, bei der Stundenanzahl immer auf 24 Stunden zu kommen.
„Es sind keine täglichen Berechnungen nötig!“
„Aus Erfahrung kann ich sagen, dass man es kaum schaffen wird, jeden Tag seinen Kalorienbedarf mit jeder einzelnen Tätigkeit zu berechnen. Daher würde ich dazu raten, sich bestimmte Werte festzulegen: Einmal den Energiebedarf für Tage ohne sportliche Betätigungen und einmal den für Tage ohne Training. Hierfür reicht ein durchschnittlicher Wert – es muss nicht exakt die tagesgenaue Schlaf- oder Trainingszeit ermittelt werden. Bedeutet: Wenn man in der Regel acht Stunden schläft, berechnet man damit die dafür nötige Energie, genauso verläuft es sich mit dem Sport sowie der Frei- und Arbeitszeit. Das sollte in der Regel dem ungefähren Energiebedarf entsprechen, ganz gleich, ob man zeitlich gesehen etwas darüber oder darunter fällt.“
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Welcher Wert für ein Kaloriendefizit ist gesund?
Wenn nun einmal feststeht, wie viel Energie der Körper täglich verbraucht, muss man bei einem Abnehmwunsch sein Ziel klar definieren. Dabei sollte man aber realistisch bleiben und nicht zu schnell einen Gewichtsverlust durch ein zu hohes Kaloriendefizit anpeilen. Als Orientierung dient der Leitsatz, bis zu einem Kilogramm pro Woche abzunehmen, um sich in einem gesunden Rahmen zu bewegen.
Kommen wir nun wieder auf unser Beispiel zurück. Die 65 Kilogramm schwere Frau möchte insgesamt vier Kilogramm abnehmen, so wäre dies laut der Empfehlung in einem Zeitraum von vier Wochen möglich. Da man aber für einen Kilogramm zu verlierendem Körperfett ca. 7000 Kalorien einsparen müsste, wären das bei vier Kilogramm insgesamt 28.000 Kalorien. Auf einen Tag heruntergebrochen wären das wiederum 1000 Kalorien, die man täglich einsparen müsste – eine unrealistische Zielsetzung.
Daher ist es ratsam, sich an folgender Faustregel zu orientieren: Es können 10 bis 30 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr eingespart werden, die Obergrenze von maximal 500 Kilokalorien im Kaloriendefizit sollte man nicht überschreiten. Als Ausnahme gelten hier Personen mit Adipositas, die, je nach Grad, um bis zu 1000 Kilokalorien reduzieren können.
Anhand dieser Vorgaben müsste also die 65 Kilogramm schwere Frau, mit einem Abnehmwunsch von vier Kilogramm eher auf einen Zeitraum von acht bis zwölf Wochen ausweichen. Somit würde sie auf ein tägliches Kaloriendefizit zwischen 333 und 500 Kalorien kommen.
Kalorien zählen
Als nächster Step gilt es nun, täglich seine aufgenommenen Kalorien zu zählen. Das kann man tun, indem man sich die Nährstofftabelle auf dem Produkt ansieht. Da dies aber sehr zeitaufwendig und auch kompliziert werden kann, ist es ratsam, seine Kalorien mithilfe einer App zu tracken. So behält man leicht einen Überblick und kann seine Nährstoffverteilung sowie Portionsgröße gut im Auge behalten. Wichtig ist auch, dass die nötigen Kalorien nicht durch eine große Mahlzeit abgedeckt werden, sondern mindestens durch drei. Auch auf die Wahl der Lebensmittel sollte trotz Kaloriendefizit geachtet werden.
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Zu hohes Kaloriendefizit kann zu Muskelabbau führen
Wenn man sein Kaloriendefizit allerdings auf einen etwas höheren Wert um die 500 Kalorien ansetzt, kann dies Auswirkungen auf die Muskeln haben – und nicht im positiven Sinne. Denn Muskeln verbrauchen mehr Energie. Wenn man ebendiese in Form eines hohen Kaloriendefizits verringert, kann es passieren, dass die Muskeln über einen längeren Zeitraum gesehen, anfangen, abzubauen. Eine Folge davon wäre wiederum, dass man nicht nur eine sportliche Verschlechterung beobachten würde, sondern auch, dass der Körper aufgrund fehlender Muskelmasse allgemein weniger verbrennt. Wer nicht nur abnehmen, sondern seine Muskeln auch definieren möchte, kann sein Ziel mit einem hohen Kaloriendefizit also wahrscheinlich nicht erreichen.
Wenn man aber von dem passiven Kalorienverbrauch durch eine höhere Muskelmasse profitieren und gleichzeitig sportlich bleiben möchte, sollte daher eher ein Kaloriendefizit von 300 Kilokalorien anstreben.