6. Oktober 2023, 11:14 Uhr | Lesezeit: 20 Minuten
Süßigkeiten ohne Zucker, aber mit vollem Geschmack – genau das hat sich das österreichische Start-up NEOH auf die Fahnen geschrieben. Die Erfolgsgeschichte begann 2017 in Wien, mittlerweile findet man die NEOH-Naschereien auch in ausgewählten deutschen Supermärkten – und natürlich online. Im Jahr 2020 war NEOH eine der am schnellsten wachsenden Health Food Brands in Europa. Im Rahmen der Interview-Reihe „Top Leaders“ haben Melanie Hoffmann und Nuno Alves für FITBOOK mit NEOH-Gründer Manuel Zeller gesprochen. Wie können gesunde Ernährung und Süßigkeiten überhaupt zusammenpassen?
Ein Informatiker gründet ein Start-up – erst einmal keine so große Überraschung. Im Fall von Manuel Zeller (40) steckt darin aber doch etwas Unerwartetes. Denn bei NEOH handelt es sich nicht etwa um eine App. Nein, NEOH ist eine Food-Marke, genauer werden unter diesem Namen Süßigkeiten – vor allem Schokolade – ohne Zucker verkauft. Im Gespräch mit FITBOOK erzählte Manuel Zeller, welche persönliche Erfahrung ihn zur Unternehmensgründung motivierte und die Leidenschaft für zuckerfreie Alternativen in ihm auslöste. Dass Süßigkeiten, die den Blutzucker möglichst wenig beeinflussen, seine Passion sind, ist unbestreitbar. Er skizzierte aber auch eine Wunschvorstellung, wie eine Ernährung aussehen sollte, in der dann seine NEOH-Produkte überflüssig wären.
FITBOOK: Herr Zeller, welches Versprechen geben Sie mit NEOH den Konsumenten
Manuel Zeller: „Unser Markenversprechen ist, dass unsere Produkte allerhöchstens minimale Auswirkung auf den Blutzuckerspiegel haben. Der Nüchternblutzucker sollte nach Verzehr von NEOH-Schokolade zwischen 80 und 90 mg/dl sein, maximal zwischen 100 und 110. Die meisten unserer Produkte haben aber gar keine Auswirkung auf den Blutzucker.“
Wie ist denn die Idee zu NEOH und den Süßigkeiten ohne Zucker entstanden? Wieso lag Ihnen dieses Thema am Herzen?
Zeller: „Das ist natürlich – wie sehr oft – eine persönliche Geschichte. Zum einen liebe ich persönlich Süßigkeiten, auf der anderen Seite gibt es auch eine größere Vorgeschichte: Meine Großeltern hatten Diabetes, meine Oma hat sogar den Fuß amputiert bekommen. Meine Eltern haben Diabetes und mir war irgendwie klar: Das blüht mir auch. Mit allem, was dazugehört. Ich erinnere mich, dass meine Oma immer Diabetiker-Schokolade gegessen hat. Aber die schmeckte ja überhaupt nicht gut. Irgendwann habe ich mir gedacht: Da muss es doch eine andere Lösung geben. Wenn man dann anfängt, sich ein bisschen mit diesem Thema zu beschäftigen, wird einem erst klar, warum heute zu Recht die Skepsis bei Zuckerersatz-Stoffen einfach groß ist.“
„Ich bin selbst der größte Zucker-Junkie und dachte: Da muss es doch etwas Besseres geben“
Weil die Produkte früher so gar nicht geschmeckt haben?
Zeller: „Ja, es gibt es eine Historie an verschiedensten Zuckersatz-Stoffen, die man den Menschen vorgesetzt hat, die einfach richtig schlecht sind. Außerdem hat man bei Diabetiker-Schokolade irgendwann herausgefunden, dass die enthaltene natürliche Fruktose zwar nicht den Blutzucker beeinflusst, sich aber in der Leber absetzt – und zu einer Fettleber führen kann. Und jetzt – dachte ich mir: Zucker ist schlecht. Fruktose in der Dosierung ist genauso schlecht wie Zucker und definitiv keine befriedigende Lösung auf Dauer. Doch das Thema hat mich einfach nicht losgelassen. Ich bin ja selbst der größte Zucker-Junkie und dachte: Da muss es doch etwas Besseres geben. Etwas, das schmeckt sowie zugleich nachhaltig den Zucker ersetzt und die ganzen Zweifel, die KonsumentInnen mittlerweile hatten, ausräumt.“
Wie ging es auf dem Weg zur Entstehung von NEOH dann weiter?
Zeller: „Da ich eigentlich Informatiker bin, habe ich einen anderen Approach für das Thema gewählt. Wir haben Wissenschaftsabteilungen entwickelt, um eben – wie der Name schon sagt – wirklich sehr wissenschaftlich arbeiten zu können. Wir haben dann eine Art Datenbank aufgebaut, für die wir mittlerweile mehr als 1000 Rohstoffe auf 120 Parameter hin getestet haben. Mithilfe innovativer Testmethoden haben wir in Hülle und Fülle Rohstoffe getestet und so Kennzahlen gewonnen. Da hatte ich als Selbstständiger einfach eine unendliche Antriebskraft und den Willen, etwas zu verbessern. Im Laufe der Zeit konnten wir mithilfe der Datenbank Schritt für Schritt einer Formel näherkommen. Eine Formel, die funktioniert, weil das Ergebnis auch gut schmeckt. Denn es bringt einfach nichts, wenn das Produkt am Ende nicht gut schmeckt.“
Viele Menschen können nicht auf Süßes verzichten
Der Geschmack spielt offenbar eine bedeutende Rolle ...
Zeller: „Ich meine, ich bewundere Menschen, die keinen Zucker essen, also auf den süßen Geschmack verzichten können. Ich würde das wahrscheinlich nicht schaffen. Und ich fürchte, auch viele andere schaffen es nicht. Wenn man sich die deutsche Bevölkerung anschaut, dann erkennt man, dass zwei Drittel von ihnen gerne etwas anderes essen würden, es aber halt nicht schaffen. Und aus dem Kontext ist mir einfach bewusst geworden, dass darin zum einen ein großes Potenzial liegt. Gleichzeitig hatten wir schon eine Richtung eingeschlagen, in der man vielleicht wirklich eine Lösung finden könnte. Das war eine große Motivation. Mittlerweile ist dies 13 Jahre her.“
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Was ist in diesen 13 Jahren passiert?
Zeller: „Ich erforsche den Bereich der Zuckerersatz-Formeln seit 13 Jahren. Es hat zehn Jahre gedauert, überhaupt eine Formel zu haben, die halbwegs marktreif ist. Und der große Durchbruch war dann 2020.“
Sie haben 13 Jahre geforscht, sammeln aber aktuell noch Geld von Investoren ein, um zu wachsen. Ist NEOH rentabel?
Zeller: „Also wir können profitabel sein. Unser ursprünglicher Kernmarkt in Österreich ist profitabel. Parallel wollen wir jetzt aber unsere Formel auch international ausrollen. Das braucht natürlich Geld. Und wir wollen die Formel jetzt auch für andere Applikationen öffnen. Es ist ja in so vielen Produkten Zucker enthalten, auch in solchen, von denen man es nicht sofort denkt: in Ketchup, in Joghurt, in Pudding. Also Zucker ist überall drinnen und das ist nicht notwendig. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich als Dessert eine Torte bekomme. Natürlich esse ich sie, weil sie lecker ist. Aber sie würde genauso lecker schmecken mit unserem Rohstoff. Und das ist unsere Mission, jetzt einfach da weiterzumachen und Schritt für Schritt den Zucker abzulösen – dort, wo es sinnvoll ist.“
Wo liegen denn noch Schwächen von NEOH?
Zeller: „Unsere Produkte sind aktuell noch recht teuer. Wir freuen uns zwar, dass viele Menschen bereit sind, für Zuckeralternativen auch mehr zu bezahlen. Aber wenn wir wirklich breitflächig Kinder von den klassischen zuckerhaltigen Süßigkeiten wegbringen wollen, dann dürfen wir idealerweise auch nur ähnlich viel kosten. Daran arbeiten wir gerade schon. Etwa über die Quellen, aus denen wir unsere Inhaltsstoffe gewinnen. Aber das wird leider auch nicht von heute auf morgen funktionieren, sondern noch Jahre dauern.“
Die ersten Produkte wurden nach der langen Forschungsphase 2017 gelauncht. Welche Erfolgsmomente hatten Sie?
Zeller: „Aha-Momente gab und gibt es viele, als wir die Auswirkung von Rohstoffen auf den Blutzucker getestet haben bzw. wenn wir ihn testen. Oder wenn wir eine klassische und unglaublich leckere Schweizer Schokolade gegessen haben, und der Blutzucker dann auf 150 hochging. Die Blutzuckerkurve hat uns einfach nicht mehr losgelassen. Zu Beginn haben wir den Blutzucker noch über den bekannten Stich in den Finger getestet. Das war eher mühsam und weniger effektiv. Das hat sich mit den Trackern für den Oberarm geändert. Es war toll, zu sehen, wie gut die innovative Testmethode funktioniert und wie schnell wir so Messergebnisse für unsere Datenbank erzielen können. Das hat unseren Weg zur Entwicklung der Formel sehr beschleunigt.“
Wie viele Leute testen Ihre Produkte?
Zeller: „Unsere Ersatzformel wurde von der MedUni Wien überprüft und die Ergebnisse wissenschaftlich bestätigt. Zusätzlich testen all unsere 20 MitarbeiterInnen. Wir testen nicht nur einmal, sondern permanent. Jeder trägt den Blutzucker-Sensor und wenn wir dann ein neues Produkt haben, testen wir das in den verschiedensten Konstellationen, mit verschiedenen Speisen. Mal essen wir das NEOH-Produkt vor der Hauptspeise, mal danach. Wir testen es 10- bis 15-mal pro Person und verfolgen genau, was sich im Körper tut. Zum Launch haben wir dann neben der offiziellen Studie zum Rohstoff noch mal ein paar hundert zusätzliche Testpunkte, um sicher gehen zu können.“
Welche Rückschläge gab es?
„Erythrit hat uns Kopfschmerzen bereitet. Es ist ein guter Rohstoff, auch wenn es zuletzt Kritik gab, die ich aber auch nicht ganz nachvollziehen kann. Man kann Erythrit bis zu einer gewissen Grenze gut einsetzen. In der Industrie wird es aber in zu großen Mengen verwendet, was dazu führt, dass Produkte nicht schmecken. Denn Erythrit ist geschmacklich eine Katastrophe. Wenn man bei einem Produkt 60 Prozent Zucker rausnimmt und stattdessen 60 Prozent Erythrit reinmacht, schmeckt es einfach nicht – vor allem Kindern.“
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NEOH-Produkte müssen Kinder überzeugen
Kinder sind wahrscheinlich ein guter Indikator dafür, ob etwas wirklich schmeckt?
Zeller: „Absolut. Sie sind einfach ehrlich. Wenn wir Produkte in unserem Team fertig getestet haben, geben wir sie Kindern in unserem Umfeld. Und wenn sie die Schokolade dann ausspucken, dann ist klar, es schmeckt ihnen nicht und wir haben noch Arbeit zu tun. Das ist das beste Feedback überhaupt.“
Über die Blutzucker-Messungen nach Verzehr bestimmter Rohstoffe und Geschmackstests haben Sie sich dann nach und nach Ihrer Formel angenähert?
Zeller: „Richtig. Wir haben beim Beispiel Erythrit etwa festgestellt, dass es im Tee gut funktioniert, vielleicht noch in einem Joghurt. Aber je höher der Fettanteil – wie eben auch bei Schokolade –, desto schlechter funktioniert die Kombi mit Erythrit. Viele Ersatzprodukte haben zwar in der Deklaration keinen Zucker, aber eine ähnliche Auswirkung wie Zucker selbst. So haben wir uns nach und nach bei jedem Rohstoff der Menge angenähert, die für unser Produkt funktioniert. Das ist zum einen ganz wichtig in Bezug auf den Blutzucker sowie die gesundheitliche Unbedenklichkeit, aber eben auch mit Blick auf den Geschmack. So haben wir nach und nach unsere Datenbank aufgebaut und unsere Formel für zuckerfreie Produkte entwickelt.“
Auf Ihrer Website erklären Sie, dass das große Problem eigentlich ist, dass wir alle viel zu sehr an Süße gewöhnt sind. Wäre es da nicht besser, zu entwöhnen, statt süße Ersatzprodukte anzubieten?
Zeller: „Das ist absolut richtig. Die Gewöhnung an Süßes ist ein Problem, das ich nicht kleinreden möchte. Daher wäre es natürlich optimal, wenn eine Entwöhnung gelingen könnte. Aber man darf nicht vergessen: Der Mensch ist ein Mensch mit all seinen Bedürfnissen. Ich sehe es ja an mir selbst. Ich würde mir wünschen, die Kraft zu haben, mich nicht von Süßem verlocken zu lassen. Aber es gelingt mir nicht. Und so geht es ja vielen Menschen. Die Zahlen zeigen es: Millionen Kinder haben Übergewicht, Millionen Kinder haben Diabetes. Und da möchte ich – und das ist die Aufgabe von NEOH – eine Alternative schaffen, die in den verkauften Mengen wirklich zu 100 Prozent unbedenklich besten Fall sogar gesundheitsfördernd ist.“
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Inwiefern gesundheitsfördernd?
Zeller: „Wir bringen viele pflanzliche Ballaststoffe mit unserer Formel in den Alltag, die in unserer Ernährungsweise leider oft fehlen. Das heißt, wenn man seine typischen Süßigkeiten durch NEOH oder durch unsere Formel ersetzen würde, bekommt man 20 bis 30 Gramm hochqualitative Ballaststoffe in den Nahrungsrhythmus rein. Das hilft einem auch bei der restlichen Ernährung. Wenn man NEOH vor einer Portion Reis isst, hat man eine flachere Blutzuckerkurve als ohne NEOH. Das liegt an den Ballaststoffen. Sie sind wichtig und der Grund, warum es eigentlich gut wäre, mehr Gemüse zu essen.“
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„Mit dem Süßen ist es halt wie mit Sex“
Also eigentlich wäre Gemüse besser als NEOH-Schokolade zu essen?
Zeller: „Natürlich. Aber mit dem Süßen ist es halt wie mit Sex. Bei Letzterem weiß man ja auch, dass die beste Verhütung wäre, keinen Sex mehr zu haben. Aber wir haben natürlich trotzdem Sex, weil wir Bedürfnisse haben. So ist es für die meisten Menschen auch mit Süßigkeiten. Wie schon gesagt: Ich bin selbst das beste Beispiel dafür, dass nicht jeder es schaffen kann, auf Süßigkeiten zu verzichten. Deshalb habe ich für mich und andere Naschkatzen solche Produkte entwickelt, die bessere Alternativen sind.“
Inwiefern besser?
Zeller: „Ich weiß, wie es meiner Verdauung geht, seitdem ich NEOH statt zuckerhaltiger Produkte esse: nämlich großartig. Und ich weiß, wie es meinem Körper geht, nämlich hundertmal besser. Ich schlafe besser, ich habe kein Mittagstief, ich kann mich konzentrieren. Früher hatte ich massive Probleme mit ADHS in der Schule. Das ist alles deutlich besser. Und genau das möchte ich auch anderen Menschen ermöglichen. Natürlich ist die erste Option Wasser und Brokkoli. Gerne ganz viel davon. Über Gemüse werde ich nie etwas Negatives sagen. Wenn wir alle Kinder komplett von Süßigkeiten wegbekämen, fände ich das großartig. Aber aus meiner Erfahrung haben wir halt am Ende doch einfach alle mal Lust auf Süßes.“
Sie glauben also, eine gesellschaftliche Ernährungsumstellung weg von Zucker kann nicht gelingen?
Zeller: „Vielleicht in 40 oder 50 Jahren. Ich glaube es nur ehrlich gesagt nicht, denn man wird schon durch die Muttermilch auf Süßes getrimmt. Das heißt, sobald Süßes in Form der Muttermilch unsere Zunge berührt, löst das eine spezielle Region im Hirn aus. Deshalb wird es gar nicht so einfach sein, diese Lust auf Süßes loszuwerden.“
Wäre als Ersatz dann nicht ein Riegel mit natürlichem Fruchtzucker besser als mit künstlichen Süßstoffen?
Zeller: „Nein, denn natürlich ist nicht per se besser. Zucker ist im Übrigen auch natürlich – in Bezug auf Fruchtzucker. Wenn ich einen Dattelriegel esse, hat der die gleiche Auswirkung auf den Blutzucker wie Snickers. Es sollte also nicht um natürlich versus künstlich gehen, sondern schlicht um den Effekt auf den Blutzucker. Man sollte den Leuten nicht vorgaukeln, dass etwas, nur weil da natürlich draufsteht, gesünder ist und sie davon im Zweifel sogar noch mehr essen können.“
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Wie man bei NEOH mit Kritik an Süßstoffen umgeht
Wie engmaschig verfolgen Sie Kritik aus der Forschung an Süßstoffen – wie zuletzt z. B. bei Erythrit? An welchem Punkt würden Sie sagen: Okay, jetzt müssen wir unsere Formel noch einmal überdenken?
Zeller: „Zu den von uns verwendeten Rohstoffen existieren viele Studien, die wir auch alle bis ins Detail kennen. Auf der Grundlage sind wir sehr zuversichtlich, dass unsere Rohstoffe sicher sind. Wenn jetzt aber etwa neue Erkenntnisse bekannt werden sollten, würden wir reagieren. Wir beschäftigen uns bis ins Detail mit entsprechenden Studien. Wir verwenden kein Aspartam, aber wir kennen die neue Aspartam-Studie, die jetzt auch die WHO beschäftigt hat, ganz genau. Da immer up to date zu sein, ist für uns als innovatives Unternehmen essenziell.“
Im Fall der Fälle würden Sie also auch Ihre Formel überdenken?
Zeller: „Wenn wir das Versprechen erfüllen wollen, Zucker mit guten Alternativen zu ersetzen, muss unsere Formel auch 100-prozentig die Richtige sein. Sollte irgendwann herauskommen, dass ein Rohstoff nicht gut ist, dann können wir unsere Datenbank flexibel nutzen, um den bedenklichen Stoff durch den in Studien als besser nachgewiesenen Rohstoff zu ersetzen, also die Mischung zu verändern. Aber diesbezüglich befinden wir uns noch rein in der Theorie. Wir haben vorab so geforscht, dass wir jegliche Bedenken ausräumen können und sicher sind, dass unsere Rohstoffe in den Mengen, in denen wir sie verwenden, zu 100 Prozent unbedenklich sind.“
Wenn Sie jetzt aber die Formel ENSO 16, an der Sie mehr als zehn Jahre gearbeitet haben, plötzlich ändern müssten – geht das wirklich so einfach? Oder fängt man dann nicht quasi von vorne an?
Zeller: „Nein, weil unsere Formel aus vielen Rohstoffen besteht, die nicht nur aus einer Quelle gewonnen werden können. Und es zudem noch viele andere Rohstoffe gibt, die ähnlich gut funktionieren. Auf Basis des aktuellen Forschungsstands haben wir die Kombination von Rohstoffen gewählt, die unbedenklich und sinnvoll ist – davon sind 80 Prozent Pflanzenstoffe, die gut verträglich und gesund für den Darm sind und in unserer Gesellschaft unterrepräsentiert sind. Auch die Quellen, aus denen sie stammen und auf die wir zurückgreifen, haben wir auf diese Weise bestimmt. Aber wie gesagt können die Rohstoffe aus verschiedensten Quellen und mit unterschiedlichen Methoden gewonnen werden. Daher können wir sowohl an der Kombination der Rohstoffe als auch bei den Quellen und Methoden bei Bedarf nachjustieren. Darin liegt auch so ein bisschen das Geheimnis unserer Formel, die wir natürlich nicht verraten.“
Eine utopische Ernährungszukunft
Sie haben eine Vision davon, wie man die Ernährung verbessern kann. Wenn wir uns jetzt mal eine utopische Ernährungszukunft vorstellen? Wie sähe diese in Ihren Augen aus?
Zeller: „Aus einer Balance aus Kohlenhydraten und Ballaststoffen. Denn die Menge macht das Gift. Das heißt, Kohlenhydrate oder Zucker allein sind nicht das Problem. Es geht immer um das Verhältnis von Kohlenhydraten bzw. Zucker und Ballaststoffen, das in einem Produkt gegeben ist. Das Verhältnis 100 zu 1 (Zucker – Ballaststoffe) ist natürlich viel schlechter als 20 zu 1 oder 10 zu 1. In den guten Bereich kommt man bei Verhältnissen von 5 zu 1 oder 4 zu 1. Dass auf diese Balance mehr geachtet wird, würde ich mir wünschen. Mit diesem Appell richte ich mich auch an die Politik: denn Gesundheit muss man immer ganzheitlich betrachten – und nicht auf einen Inhaltsstoff reduzieren.“
Wäre es dafür nicht auch sinnvoll, wieder mehr auf natürliche Inhaltsstoffe zu setzen?
Zeller: „In Pflanzen ist diese Balance gut gegeben. Doch leider werfen wir meistens die Bestandteile mit den Ballaststoffen in den Müll oder verarbeiten sie zu Tierfutter. Was dann bei uns als natürlich gilt, ist deswegen auch nicht mehr wertvoll von den Nährstoffen her. Wir verwenden genau diese Abfälle, die man sonst so wegschmeißt und wo die „guten“ Sachen drin sind. Und das wünsche ich mir auch für die Zukunft: dass sich ein natürlicher Kreislauf bildet, den wir auf die Teller der Menschen bringen. Ganz nach dem Motto: verwerten statt wegschmeißen. Und so die besagte Balance aus Kohlenhydraten und Ballaststoffen gewährleisten.“
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Bei Ihren Produkten dreht sich viel um Ballaststoffe, was nicht nur mit Süßigkeiten verknüpft sein muss. Wird es demnächst vielleicht auch eine NEOH-Pizza geben?
Zeller: „Nein, das ist aktuell nicht unser Plan. Das könnten wir auch gar nicht leisten. Was wir können, ist, möglichst überall Zucker zu ersetzen. Da stecken wir zurzeit 100 Prozent unserer Kraft rein. Also den zugesetzten Zucker rausbekommen aus Produkten. Ich denke dabei auch an Applikationen, die auch aus der salzigen Ecke kommen: Ketchup funktioniert z. B. mit unserer Formel großartig. Und auch hier geht es wieder darum, Ballaststoffe zurück auf den Teller zu bringen.“
Es geht also darum, ungesunde verarbeitete Produkte gesünder zu machen?
Zeller: „Ja, genau. Denn die Menschen mögen diese verarbeiteten Lebensmittel nun einmal und werden nicht alle darauf verzichten können oder wollen. Ich denke da auch an das Beispiel meines Sohnes. Er ist jetzt 14 Monate alt und natürlich würde ich ihn am liebsten z.B. mit Brokkoli ernähren. Aber ich kann machen, was ich will: Er spuckt es einfach immer aus. Und bei ihm hat ja noch nicht einmal eine lange Zeit der Gewöhnung an Süßigkeiten stattgefunden, wie es bei Erwachsenen der Fall ist. Ähnliches kann man im Freibad oder in Vergnügungsparks beobachten: Die Kinder essen Chicken Nuggets mit Pommes und Ketchup. Da wird mir schummrig, wenn ich an meine Kindheit und meine Konzentrationsprobleme denke.“
Sie sehen also schon in der Ernährung von Kindern ein Problem?
Zeller: „Absolut. Eine ehemalige Freundin von mir, die hat auf einer Sport-Universität zum Thema Kinder unterrichtet. Adipositas-Kinder, die mit sieben oder acht Jahren so schwer übergewichtig waren, dass sie nicht mal mehr rückwärtsgehen konnten. Also da haben wir als Gesellschaft die Verantwortung. Wir bei NEOH werden nicht alle Probleme lösen. Dafür ist das Thema viel zu groß. Bei Zucker geht es schließlich nicht nur um Süßigkeiten, sondern z. B. auch um Pizza oder Brot.“
Welche Unterschiede sehen Sie im österreichischen und im deutschen Markt?
Zeller: „Österreich ist eher ein konservativer Markt. Da sind die ‚Manner Schnitten‘ oder die traditionelle Nachmittagstorte stark kulturell verankert. Das sehe ich in Deutschland nicht so stark. Da ist auch die Bereitschaft – wie Umfragen zeigen – höher, auf Zucker zu verzichten.“
So wirkt sich der NEOH-Riegel Chocolate-Crunch auf den Blutzucker aus
„Laut Gründer Manuel Zeller wird bei der Entwicklung von NEOH-Süßigkeiten besonders darauf geachtet, dass sich deren Genuss nicht auf den Blutzuckerspiegel auswirkt. Um das zu gewährleisten, testen die Mitarbeiter die Produkte selbst und prüfen dabei regelmäßig ihren Glukosewert.
Um zu checken, ob eine NEOH-Süßigkeit tatsächlich das hält, was die Macher versprechen, habe ich auf nüchternem Magen einen Chocolate-Crunch-Riegel gegessen. Das Ergebnis: Der Glukosewert in meinem Blut stieg im Laufe der zwei Stunden nach dem Konsum tatsächlich nicht merklich an. Im Peak verzeichnete ich einen Anstieg zum Ausgangs-Blutzucker von lediglich 11 Prozent. Das sind jedoch Schwankungen, die auch ohne Konsum jeglicher Nahrung auftreten können. Insofern kann ich zumindest für den Chocolate-Crunch-Riegel bestätigen, dass er keinen merklichen Einfluss auf meinen Blutzucker hat.“
Wenn wir etwas persönlicher werden dürfen: Am Anfang hatten Sie erwähnt, dass sie selbst gerne Süßigkeiten essen: Gab es bei Ihnen zu Hause auch eine Süßigkeitenschublade? Wenn ja, was war drin?
Zeller: „Die gab es bei uns tatsächlich. Da war natürlich Milka Schokolade drin oder auch Haribo. Und traditionelle österreichische Naschereien. Als Kind habe ich aber auch Knoppers geliebt. Wir kennen das ja: morgens halb zehn in Deutschland – oder in meinem Fall Österreich. Auch sonst war die Ernährung süß. Zum Frühstück ein Marmeladenbrot und in der Schule dann der vorbestellte Kakao. Und in der großen Pause ein Wurstbrot und Knoppers. Ich bin 40 Jahre alt, das ist also noch gar nicht so lange her. Aber ich denke, man wusste es damals nicht besser und hielt das für gesund.“
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Wie halten Sie es heute persönlich mit Ihrer Ernährung?
Zeller: „Ein wichtiger Teil meiner Ernährung ist Fasten. Ich mache z. B. das 16:8-Intervallfasten und starte ohne Frühstück in den Tag. Einmal im Monat versuche ich, auch mal 36 oder 48 Stunden am Stück zu fasten. Ich bin nicht perfekt, würde aber sagen, ich ernähre mich so 80 Prozent der Zeit gesund. Ich starte meistens mit Proteinen und Salat in den Tag. Dann gibt es Kohlenhydrate. Abends versuche ich, um 18 Uhr das letzte Mal zu essen. An Tagen, an denen ich Sport mache, esse ich erst zu Abend, mache dann Sport und versuche, anschließend nichts mehr zu essen. Wie erwähnt liebe ich Süßigkeiten, deshalb geht es auch nicht ohne. Da kommen mir dann unsere Produkte recht. Von denen esse ich – kein Scherz – an manchen Tagen fünf oder sechs Stück. Aber ich weiß stets, was in meinem Körper passiert, weil ich den Blutzucker-Tracker trage.“
Wie gehen Sie als Vater selbst vor mit der Ernährung Ihres Sohnes? Möglichst lange keine Süßigkeiten und wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt, NEOH-Produkte?
Zeller: „Für mich geht es klar um die Dosis. Ich versuche, ihn eigentlich nicht mit viel Süßem zu konfrontieren. Er kriegt aber tatsächlich so einmal am Tag seine Mini-Waffel aus unserem Sortiment, die liebt er. Mit dem gesunden Essen ist es bei Kleinkindern ja so eine Sache. Da verweigert er mal den Brokkoli oder isst nichts anderes als ein Brötchen. Wenn dann sein Stuhl zu fest wird, dann hilft die Waffel sogar bei der Verdauung – dann darf es auch mal eine zweite sein, damit er wenigstens auf diesem Weg Ballaststoffe bekommt.“