19. Januar 2022, 20:21 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Der Begriff Hybridfleisch klingt technisch. Dabei handelt es sich aber um ein ganz normales Fleischprodukt, dem Gemüse oder Obst beigemengt wurde, um den Fleischanteil zu senken. Doch ist das überhaupt gesünder? Und wie schmeckt das? FITBOOK hat es ausprobiert und einen renommierten Ernährungsexperten zu Hybridfleisch befragt.
In den letzten Jahren gab es einen regelrechten Boom bei veganen, vegetarischen und ökologischen Lebensmitteln. Mittlerweile findet man selbst bei Discountern wie Aldi und Lidl ganze Regale voll mit rein veganen Produkten und oft aus ökologischer Landwirtschaft. Doch es gibt immer noch viele Menschen, die auf Fleisch nicht verzichten wollen und mit Fleischersatzprodukten aus Soja oder Seitan nichts anfangen können. Genau diese Zielgruppe soll jetzt das Hybridfleisch überzeugen. Doch macht es überhaupt sinn? Und schmeckten die Produkte wie normales Fleisch? Wir klären alle Fragen rund um das Hybridfleisch.
Übersicht
1. Was ist Hybridfleisch?
Der Begriff Hybridfleisch klingt nicht gerade appetitlich. Es klingt eher nach einem Produkt aus dem Labor. Dabei beschreibt der Name einfach die Vermischung von Fleisch mit Obst oder Gemüse. Wobei den Begriff Hybridfleisch wird man auf der Verpackung eher nicht finden – klingt halt nicht so schön. Stattdessen sehen die Produkte ihren Fleisch-Geschwistern zum Verwechseln ähnlich. Auf der Verpackung stehen dann Beschreibungen wie „Hackfleischzubereitung aus Rindfleisch und Jackfrucht“ oder „Wienerwürstchen aus Hähnchen und Möhre“.
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Bis vor Kurzem handelte es sich um absolute Nischenprodukte, die auch wenig bekannt waren. Doch nun haben die großen Discounter wie Lidl und Aldi mehrere Hybridfleisch-Produkte im Sortiment. Bei Lidl sind es Hackfleisch und Burger-Patties aus Rindfleisch (40 Prozent Anteil) und Jackfrucht (40 Prozent Anteil), Wiener aus Hähnchen und Möhre sowie Geflügelfleischwurst mit Gemüse und Soja-Protein. Bei Aldi wird unter dem Label „Iss Neu“ beispielsweise Salami mit Bio-Geflügel- oder -Schweinefleisch sowie alternativen Zutaten auf pflanzlicher Basis und Molkenprotein, wie es auf der Internetseite des Unternehmens heißt. Das sorge im Vergleich zu normaler Salami für 50 Prozent weniger Fett.
2. Was ist der Sinn dahinter?
Offensichtlich wollen große Supermarkt-Ketten und Discounter es Fleischliebhabern erleichtern, ihren Fleischkonsum zu reduzieren. In Deutschland werden im Schnitt immer noch 84 Kilogramm Fleisch pro Kopf verzehrt.1 Das ist in mehrfacher Hinsicht schlecht: Zum einen handelt es sich dabei zum Großteil um billiges Fleisch aus der Massentierhaltung. Das ist schlecht für die Tiere, die Umwelt und die Fleischqualität. Zum anderen enthalten vor allem Wurstwaren viel Fett. So kann ein hoher Gemüseanteil die Kalorien reduzieren und beispielsweise den Ballaststoffanteil erhöhen. Eine ballaststoffreiche Ernährung ist zum Beispiel wichtig für eine gesunde Darmflora.
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3. Wie schmeckt Hybridfleisch?
FITBOOK-Redakteurin Alex hat das Hybridfleisch in der Kühltruhe bei Lidl entdeckt: „Neben Burger-Patties lag dort die ‚Hackfleisch-Zubereitung aus Rindfleisch und Jackfrucht‘. Auf dem Etikett war zu lesen: ‚40% Rind, 40% Jackfrucht, 20% sind auch gut‘. Bitte, was?! Ich wusste nicht, ob ich das witzig oder schräg finden sollte. Dennoch: Die hybride Überraschungstüte sollte eine Chance in meinem Chili con Carne bekommen. Das etwas rötlicher aussehende ‚Fruchtfleisch‘ habe ich dann wie normales Hackfleisch behandelt – erstmal in Öl angebraten, mit Chili und anderen Gewürzen sowie Wasser vermischt, Karottenscheibchen und Kidneybohnen dazu. Von der Konsistenz her geriet das Ganze etwas „breiiger“ als echtes Chili con Carne. Der Geschmack war okay – tatsächlich fruchtiger als pures Fleisch. Auch wenn ich nicht sagen kann, wie Jackfrucht eigentlich schmeckt. Nicht schlecht jedenfalls, aber anders. Vielleicht gibt es auch Kochkünstler, die aus Hybrid-Hack Chili con Carne, das dem Original gleich kommt, zaubern können. Ich gehöre nicht dazu und werde in Zukunft wohl eher wieder zum 100-Prozent-Fleisch-dafür-aber-Bio-Hack greifen, was ohnehin sehr selten vorkommt.“
4. Ist Hybridfleisch gesünder als normales Fleisch?
Die große Frage ist nun, ob Hybridfleisch gesünder ist als normales Fleisch. Eindeutig beantworten lässt sie sich leider noch nicht. Da diese Lebensmittel erst seit Kurzem auf dem Markt sind, gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, ob sie gegenüber dem Fleisch einen gesundheitlichen Vorteil haben. Deswegen haben wir dazu den renommierten Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Nicolai Worm befragt. „Fleisch stellt kein Gesundheitsrisiko dar, es ist eine seit Jahrmillionen wertvolle Nährstoffquelle. Ungesund ist sehr häufig der Lebensstil von Menschen, die viel Fleisch essen – und auch deren Gesamternährung. Ein traditionelles Nahrungsmittel entscheidet nie über gesund oder krank, sondern die gesamte Ernährungs- und Lebensweise“, so Dr. Worm. Laut ihm gebe es keine Belege dafür, dass Menschen gesünder sind oder länger leben würden, wenn sie auf Fleisch verzichten.
„Jedes Nahrungsmittel ist ersetzbar, natürlich auch Fleisch“, sagt der Experte. Aber Fleisch sei ein sehr wertvolles Nahrungsmittel mit niedriger Energiedichte und hoher Nährstoffdichte. Wer auf Fleisch verzichten und es adäquat ersetzen will, müsse viel über Ernährung wissen und das Wissen auch entsprechend umsetzen.
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5. Ist es ein sinnvoller Beitrag, den Fleischkonsum zu reduzieren?
Es ist erwiesen, dass die Tierindustrie der Umwelt schadet. Antibiotika, die in der Tierhaltung eingesetzt werden, verseuchen beispielsweise die Böden auf denen die Tiere gehalten werden.2 Zudem erzeugt die Tierhaltung etwa doppelt so viele umweltschädliche Treibhausgase wie der Pflanzen- und Gemüseanbau.3 Auch der Wasserverbrauch ist bei der Tierhaltung höher. Und natürlich ist die Massentierhaltung alles andere als artgerecht. Alles gute Gründe, den Fleischkonsum zu reduzieren.
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Prof. Dr. Worm ist dennoch kein Befürworter von dem Hybridfleisch: „Ich halte nichts von diesem unerträglichen Zeitgeist-Getöse mit dem Feigenblatt Umwelt und Gesundheit – von Big Food mithilfe weltweit agierender PR-Agenturen verbreitet und mit dem Ziel der Gewinnmaximierung. Meine Position ist, dass die Menschen endlich bereit sein müssen, mehr Geld für Fleisch aus biologischer und artgerechter Tierhaltung auszugeben. Wenn es deutlich teurer wird, werden sie automatisch weniger essen“, so der Ernährungsexperte. Seine Botschaft ist somit klar: Man sollte lieber seltener, dafür aber hochwertiges Fleisch essen.
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Quellen
- 1. Statista: Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf in den Jahren 1991 bis 2020. (aufgerufen am 19.01.2022)
- 2. Beste, A., Häusling, M. (Hrsg.) (2015): „Down to Earth – Der Boden, von dem wir leben“. Wiesbaden. (aufgerufen am 19.01.2022)
- 3. Xu, X., Sharma, P., Shu, S. et al. (2021). Global greenhouse gas emissions from animal-based foods are twice those of plant-based foods. Nat Food 2.