28. Januar 2025, 16:00 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wann Essen Sie für gewöhnlich zu Abend? Der Langlebigkeitsforscher Valter Longo betont, wie wichtig der Zeitpunkt der letzten Mahlzeit des Tages für unsere Gesundheit ist. Seine Forschung hat den optimalen Zeitpunkt herausdestilliert.
Der Mensch pflegt Gewohnheiten, so auch beim Abendessen. Die einen essen spät, vielleicht, weil sie unregelmäßige Abeitszeiten haben und ihr voller Tagesablauf erst spät erlaubt, stressfrei an den Abendbrotstisch zu sitzen. Oder die Gruppe derer, die nach der Arbeit trainieren und danach aus nachvollziehbaren Gründen so hungrig sind, dass sie ihre Energiereserven noch kurz vor dem Schlafengehen auffüllen (müssen). Andere essen früh, weil ihnen womöglich Anleitungen in den Ohren klingeln wie „nach 18 Uhr nichts mehr essen“, denn „spätes Essen macht dick“. Einer, der die Ernährung und deren Einfluss auf das Altern seit vielen Jahren erforscht, ist Valter Longo. Er ist Professor für Gerontologie und Biowissenschaften an der University of Southern California. Wenn Menschen hundert und älter werden, was genau ist es, das sie – die Geheimnisse in ihren Genen lassen wir mal außen vor – beim Essen anders machen als andere? Haben hundertjährige, gesunde Menschen bestimmte Essensgewohnheiten gemeinsam? Aus seinen Studien hat er unter anderem Empfehlungen für den idealen Zeitpunkt abgeleitet. Was wir von den Hundertjährigen in Bezug auf das Abendessen lernen können, lesen Sie hier.
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Übersicht
Abendessen sollte drei bis vier Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen werden
Prof. Valter Longo erforscht seit vielen Jahren die optimalen Bedingungen für ein gesundes, zufriedenes Altern. Was die Ernährung betrifft, so empfiehlt der Gerontologe auf Basis seiner Forschung „in einem Zeitraum von zwölf Stunden“ zu essen und das Abendessen „drei bis vier Stunden vor dem Schlafengehen“ zu sich zu nehmen. Danach – bis zum Frühstück – nichts mehr.1 Das bedeutet beispielsweise, sein Abendessen spätestens um 21 Uhr zu beenden, wenn man um Mitternacht schlafen geht. Der eine Grund für diese Empfehlung ist, dass spätes Essen die zirkadianen Rhythmen stören kann. Das sind jene Vorgänge im menschlichen Körper, die einer zeitlichen Logik folgen und die, wenn sie aus dem Takt geraten, ziemlich ungesunde Folgen haben können. Der Chronobiologe Dr. Satchin Panda sieht darin etwa eine Ursache zahlreicher Volkskrankheiten.
Zurück zum Abendessen: Valter Longo erklärt der britischen „GQ“ das Problem mit der aus dem Takt geratenen inneren Uhr so: „Wenn Sie Ihr Abendessen immer weiter hinausschieben, signalisiert das Ihrem Körper, dass Sie noch aktiv sein sollten.“ Dem Körper fehlt dann Zeit für die Verdauung, wodurch die Kalorienverbrennung aus dem Takt gerät. Der Schlaf leidet sowieso. Mit vollem Magen schläft es sich bekanntermaßen nicht gut.
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Es ergibt sich automatisch eine gesunde Fastenphase
Der andere Grund, der für Longo für ein frühes Abendessen spricht: das sich automatisch ergebendes Fastenzeitfenster von etwa zwölf Stunden bis zum Frühstück. Quasi eine Mini-Fastenphase – mit all ihren positiven Effekten für die Gesundheit, besonders Alterungsprozesse. Durch Fastenphasen sinkt, auch wenn sie vergleichsweise kurz sind, das Risiko altersbedingter Krankheiten. Der Verdauungstrakt wird nicht überfordert, was die Stoffwechselgesundheit fördert. Auch die zelluläre Reinigung wird gefördert (Autophagie ist der Fachbegriff).
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Das Abendessen der Hundertjährigen
Tatsächlich hat Longo durch Studien von Bevölkerungsgruppen mit hoher Lebenserwartung erkannt, dass die häufigste Abendmahlsgewohnheit von Hundertjährigen darin besteht, früh zu Abend zu essen.2 Diese Menschen haben also – vielleicht sogar ganz zufällig – über viele Jahre etwas getan, das die Zeitspanne vergrößert, in der sie gesund und leistungsfähig bleiben. Sie haben altersbedingten Krankheiten vorgebeugt und nachweislich die Alterung verzögert durch eine simple Gewohnheit.
Und diese Gewohnheit greift noch etwas weiter. Denn die Hundertjährigen, deren Ernährungsgewohnheiten Valter Longo erforscht hat, nehmen ihr Abendessen nicht nur recht früh zu sich. Auffällig ist auch eine bestimmte Nahrungszusammensetzung. Ihre Abendessen bestehen zu einem Großteil aus pflanzlichen Lebensmitteln wie Gemüse und Hülsenfrüchten. Ihre Abendbrots-Portionen enthalten gesunde Fette und wenig bis keine tierischen Produkte (Wurst, Fleisch, Käse). Die Proteine auf ihren Tellern sind mehrheitlich pflanzlichen Ursprungs, Kohlenhydrate kommen eher in kleinen Mengen vor und sind langsam verdaulich, ein Hoch auf das Vollkornbrot! (Woran sie ein echtes solches erkennen, erfahren Sie hier.) Mit anderen Worten: Die Hundertjährigen bevorzugen mehrheitlich ein leichtes Abendessen.
Mit Scheinfasten von Vorteilen des Fastens profitieren, ohne wirklich zu fasten
Kommen wir noch mal zurück zur bereits erwähnten Autophagie. Jener Mechanismus, bei dem Zellen beschädigte Bestandteile abbauen und recyceln (entsteht beim Fasten) ist – neben der Produktion von Ketonkörpern mit ihren nachweislich entzündungshemmenden Effekten – eine wissenschaftliche Grundlage für Longos Konzept des Scheinfastens – englisch „Fasting Mimicking Diet“, kurz: FMD. Der Trick: Man soll ähnliche Effekte erzielen, wie durch echtes Fasten – spart sich aber den Stress von echtem Fasten. Das dürfte für jeden interessant klingen, der sich schon mal durch die schweren ersten Tage einer Heilfastenkur nach Buchinger gequält hat.
Der Mechanismus: Bestimmte Signalwege, die die Zellalterung und Entzündungen fördern, werden abgeschaltet.3 Und so sieht das konkret aus: Beim Scheinfasten reduziert man für einen fünf bis sieben Tage Zeitraum von die Kalorienaufnahme auf etwa 30 bis 50 Prozent. Insbesondere drosselt man den Protein- und Zuckeranteil. Zudem achtet man auf einen niedrigen Protein- und hohen Anteil an gesunden Fetten und nimmt komplexe Kohlenhydrate zu sich. Sie sollten die Hälfte der Kalorien ausmachen. Inzwischen haben auch klinische Studien mit Menschen positive Effekte von Scheinfasten auf Blutdruck, Gewicht, Cholesterinspiegel, Entzündungsmarker und Bauchfett bestätigt.4,5 Longo hat auch gezeigt, dass die Methode bei Chemotherapien unterstützend wirken kann, indem es die gesunden Zellen schützt und Krebszellen anfälliger macht.6 Mehr über das Prinzip des Scheinfastens und seine gesundheitlichen Effekte erfahren Sie hier. Und was FITBOOK-Autorin Beke Enderstein bei einem Selbstversuch erlebt hat, hat sie hier aufgeschrieben.
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Fazit
Das laut Valter Longo gesündeste Muster von allen: Nehmen Sie das Abendessen spätestens drei bis vier Stunden vor dem Schlafen ein. So kann der Körper vor dem Schlafen die Verdauung abschließen; außerdem maximiert man so die nächtliche Fastenphase. Und: Essen Sie nach Möglichkeit leicht zu Abend. Des Weiteren empfiehlt Altersforscher Prof. Valter Longo: Verzichten Sie abends auf zuckerreiche Speisen oder Weißmehlprodukte. Halten Sie die Kalorien im Zaum, 300 bis 300 sollten es nur sein. Dann können Sie am nächsten Morgen frühstücken wie ein König und haben etwas für Ihre Langlebigkeit getan. Wenn das nichts für Sie ist, können Sie es ja mal mit Scheinfasten versuchen.