9. Januar 2025, 19:16 Uhr | Read time: 6 minutes
Kann der Saft einer altbekannten Beere die Antwort auf moderne Gesundheitsprobleme wie Übergewicht sein? Eine neue Studie untersuchte, wie sich der tägliche Konsum von Holundersaft auf den Stoffwechsel auswirkt. Das Erstaunliche: Bereits nach einer Woche zeigten sich signifikante Verbesserungen. FITBOOK-Ernährungsexpertin Sophie Brünke stellt die Ergebnisse vor.
In Deutschland sind laut dem GEDA-Survey (German Health Update) 53,5 Prozent der Erwachsenen übergewichtig, davon 19,0 Prozent adipös. So ist das Interesse an hilfreichen Ergänzungen zu gewichtsreduzierenden Maßnahmen groß. Und ein einfacher Weg beim Abnehmen könnte laut einer amerikanischen Studie über Holundersaft führen. Studienautor Patrick Solverson zeigt sich in einer Pressemitteilung euphorisch: „Holunderbeeren werden sowohl kommerziell als auch ernährungsphysiologisch unterschätzt. Wir beginnen nun, ihren Wert für die menschliche Gesundheit zu erkennen, und die Ergebnisse sind sehr aufregend.“1
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Übersicht
Warum ausgerechnet Holunderbeeren?
Die kleinen dunkelvioletten Beeren, die in Europa an heimischen Holunderbäumen wachsen, werden traditionell zur Stärkung des Immunsystems verwendet. Doch andere potenzielle gesundheitliche Vorteile sind bisher wenig erforscht worden. Dabei enthalten Holunderbeeren wertvolle Anthocyane. Diese sekundären Pflanzenstoffe weisen entzündungshemmende, antidiabetische und antimikrobielle Eigenschaften auf. Frühere Studien an Tieren und auch Menschen zeigten, dass anthocyanreiche Beeren wie Brombeeren oder Heidelbeeren den Stoffwechsel beeinflussen und die Insulinsensitivität verbessern können. Doch wie sieht es bei Holunderbeeren aus? Nicht alle Beeren zeigen die gleichen Wirkungen, und die genaue Dosierung bleibt ein kritischer Faktor.
Wie die Wissenschaftler vorgegangen sind
Die Studie wurde an der Washington State University durchgeführt und die Ergebnisse in dem Fachjournal „Nutrients“ veröffentlicht.2 Die Wissenschaftler zielten darauf ab, die spezifischen Effekte von Holundersaft auf den Stoffwechsel und die Darmgesundheit zu untersuchen. Im Fokus standen hierbei insbesondere die Glukosetoleranz, die Fettverbrennung sowie die Zusammensetzung der Darmflora.
An der Studie nahmen 18 übergewichtige Erwachsene mit einem Body-Mass-Index über 25 teil. Chronische Erkrankungen wiesen die Probanden nicht auf. Insgesamt dauerte die Interventionsstudie fünf Wochen. Dabei entschieden sich die Forscher für ein randomisiertes, placebokontrolliertes Crossover-Studiendesign. So wurden die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt, wussten jedoch nicht, in welcher sie waren. Innerhalb der fünf Wochen durchliefen sie zwei einwöchige Phasen, in denen sie täglich 355 Gramm Holundersaft (aufgeteilt auf zwei Dosen) oder ein Placebo konsumierten – der Wechsel wurde durch eine Auswaschphase getrennt. Der verwendete Holundersaft enthielt etwa 720 Milligramm Anthocyane. Vier Tage vor dem Start einer der Perioden mussten sich die Teilnehmer an eine vorgegebene Diät halten, bei der 40 Prozent der Kalorien aus Kohlenhydraten sowie Fett und 20 Prozent aus Proteinen stammten. Grund hierfür war, dass so die Ergebnisse durchgeführter Tests vergleichbar wurden.
Bei den genannten Tests gaben die Probanden Stuhlproben ab, um die Zusammensetzung der Darmflora zu bestimmen. Außerdem unterzogen sie sich einer Glukose-Toleranzprüfung nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit, Atemgasanalysen zur Messung der Fettverbrennung und bekamen Blut abgenommen.
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Ergebnisse bereits nach sieben Tagen messbar
Die Analyse der Studiendaten zeigt, dass Holundersaft bereits nach einer Woche signifikante Vorteile bietet. Teilnehmer, die den Saft tranken, zeigten eine um 24 Prozent niedrigere Blutzuckerreaktion nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit im Vergleich zur Placebo-Gruppe. Dieser Effekt deutet auf eine verbesserte Glukosetoleranz hin. Sprich: Holundersaft könnte dem Körper helfen, den Blutzuckerspiegel besser zu regulieren – ein wichtiger Faktor für die Gesundheit des Stoffwechsels und die Kontrolle des Körpergewichts.
Die Auswertung der Atemgasmessungen zeigte, dass auch die Fettverbrennung durch Holundersaft anstieg. Die Teilnehmenden verbrannten 27 Prozent mehr Fett – sowohl im Ruhezustand als auch während körperlicher Aktivität.
Zusätzlich beeinflusste der dunkelviolette Saft die Darmflora positiv, wie die Stuhlproben zeigten. Die Menge an gesundheitlich förderlichen Bakterien wie Firmicutes und Bifidobacterium nahm zu, während potenziell ungünstige Bakterien wie Bacteroides zurückgingen. Diese Veränderungen deuten darauf hin, dass Holundersaft die Darmgesundheit verbessern kann. Diese ist wichtig für eine adäquate Nährstoffaufnahme.
Ich bin eigentlich keine Freundin von Saft
Als Ernährungsexpertin empfehle ich eigentlich lieber, das Obst zu essen, anstatt ihren Saft zu trinken. Denn in flüssiger Form hat es den Nachteil, dass es zwar wertvolle Nährstoffe liefert, jedoch auch Kalorien – und das ohne sättigenden Effekt. Im Saft sind nämlich die Ballaststoffe, welche ebenfalls im Obst stecken, nicht mehr enthalten. Diese bieten zusätzlich geeignetes Futter für die „guten“ Darmbakterien.
Mich würde deshalb interessieren, ob die in der Studie beschriebenen Effekte nicht auch eintreten würden, wenn ganz einfach Beerenobst gegessen wird. Oder wenn die Anthocyane in Form eines Nahrungsergänzungsmittels daherkommen.
Holunderbeeren haben einen Mengenvorteil
Studienautor Solverson erklärt, dass andere Beeren zwar ebenfalls Anthocyane enthalten, aber normalerweise in geringerer Konzentration. Eine Person müsste vier Cups Brombeeren (amerikanische Einheit, entspricht ca. 600 Gramm) pro Tag essen, um die gleiche Menge Anthocyane zu konsumieren, die in sechs Unzen Holundersaft (amerikanische Einheit, entspricht ca. 177 Milliliter) enthalten ist.
Einordnung der Studie
Die Studie besticht durch ihr rigoroses Design und liefert erste Beweise dafür, dass Holundersaft eine vielversprechende Option zur Unterstützung der Stoffwechselgesundheit darstellt. Denn eine verbesserte Glukosetoleranz kann helfen, das Risiko für Typ-2-Diabetes zu senken, eine gesteigerte Fettverbrennung kann zur Gewichtsregulation beitragen. Die positiven Effekte auf die Darmflora unterstreichen zudem die Bedeutung von Ernährung für die allgemeine Gesundheit. Besonders hervorzuheben ist, dass die Effekte bereits nach einer Woche auftraten.
Dennoch sind weitere Studien mit längeren Zeiträumen und größeren Stichproben (hier nur 18 Probanden) erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen und langfristige Effekte zu bewerten. Zudem waren die Probanden übergewichtig und überwiegend weiblich, was die Übertragbarkeit auf andere Bevölkerungsgruppen einschränken könnte. Auch in Hinblick auf die Darmbakterien betonten die Autoren, dass das Ausmaß der Veränderungen sehr individuell ausfiel.
Zuletzt sei erwähnt, dass die Studie mit einem Zuschuss von 200.000 US-Dollar vom National Institute of Food and Agriculture des US-Landwirtschaftsministeriums finanziert wurde. Es war jedoch nicht an der Durchführung, Analyse, Interpretation oder Berichterstattung der Ergebnisse beteiligt.
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Fazit
Natürlich hilft Holundersaft allein (leider) nicht beim Abnehmen. Aber es ist eine einfache, natürliche und preiswerte Unterstützung für die Stoffwechselgesundheit und das Gewichtsmanagement. Eine Empfehlung auszusprechen wäre an dieser Stelle jedoch verfrüht. Weitere Forschung ist nötig, um die langfristigen Vorteile und Mechanismen besser zu verstehen. Das Team um Solverson ist jedoch überzeugt. „Nahrung ist Medizin, und die Wissenschaft holt diese allgemeine Weisheit ein“, so der Hauptautor. „Diese Studie trägt zu einer wachsenden Zahl von Beweisen bei, dass Holunder, der seit Jahrhunderten als Volksheilmittel verwendet wird, zahlreiche Vorteile für die Stoffwechsel- und Präbiotikagesundheit hat.“ Die Wissenschaftler planen bereits weitere Forschungen und haben sogar ein Patent für die Verwendung der Anthocyane aus amerikanischen schwarzen Holunder zur Gewichtskontrolle und Darmgesundheit in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder andere Anwendungen angemeldet.