17. September 2023, 17:13 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Statt Cheesecake zum Nachtisch gibt es Magerquark mit Flavour Drops und Geschmackspulver. Das Oatmeal am Morgen wird mit einem Tropfen flüssigen Apfel-Zimt-Geschmack gesüßt. Kommt Ihnen das bekannt vor? Wie gesund sind Flavour Drops (oder Flavor Drops) und Geschmackspulver eigentlich, und kann die künstliche Süße süchtig machen? Wir haben einen Experten gefragt.
Magerquark gilt bei vielen Freizeitathletinnen und -athleten als der heilige Gral auf dem Weg zum perfekten Körper. Kaum Kalorien, dafür satte 12 Gramm Eiweiß auf 100 Gramm – wäre der Geschmack doch nur ein bisschen besser. Gegen die saure Note im Quark hat sich die Fitnessindustrie zum Glück der Sportler etwas einfallen lassen: kalorienarmes Geschmackspulver oder auch kalorienarme Geschmackstropfen, die je nach Anbieter als „Chunky Flavour“, „Smacktastik“, „Flavour Kick“ und Co. oder als sogenannte Flavour Drops erhältlich sind. Hinter diesen ausgefallenen Namen verbirgt sich eine Mischung aus Süßstoff und anderen Bestandteilen.
Übersicht
Was sind Geschmackspulver und Flavour Drops?
Geschmackspulver und Flavour Drops sind Geschmackspulver oder -tropfen, die durch künstlichen Süßstoff, eine extrem hohe Süßkraft haben.
In den flüssigen Geschmackstropfen, die auch als „Flavour Drops“ bekannt sind, stecken Aroma und Sucralose, ein Süßstoff. In Geschmackspulvern sind neben Sucralose noch weitere Bestandteile enthalten. Die Basis des Geschmackspulvers ist in der Regel Inulin, ein Ballaststoff, der mit Zucker, Salz, Palmfett, Kakaobutter und anderen Stoffen angereichert wird. Klingt erst mal gar nicht so passend für eine Diät? Ist es auch nicht. Pro 100 Gramm Geschmackspulver stecken immerhin rund 250 Kalorien. Aber die Menge macht den Unterschied. Immerhin: Da das Pulver aber sehr intensiv süßt, kommt man mit nur einer Prise aus
Sind Süßstoffe schädlich?
Sind Süßstoffe schädlich oder nicht? Darüber wird vielerorts immer noch munter diskutiert. „Ich denke, wir können nicht alle Süßstoffe über einen Kamm scheren“, sagt Dr. Thomas Peter, Facharzt für Allgemeinmedizin sowie ganzheitliche Gesundheitsversorgung. Prinzipiell sollte man, so der Mediziner, zwischen künstlichen (z.B. Sucralose, Aspartam, Acesulfam K) und natürlichen Süßstoffen (z.B. Erythrit, Xylit, Stevia) unterscheiden. „Für jeden Süßstoff sind Obergrenzen festgelegt“, sagt Dr. Peter. „Bei den meisten künstlichen Süßstoffen haben wir aber noch keine Langzeiterfahrungen – und die Erfahrung zeigt, dass die Obergrenzen für die tägliche Zufuhr oft nicht eingehalten werden.“
Aber auch in geringen Dosierungen seien künstliche Süßstoffe wie Sucralose laut dem Arzt in der Lage, negativ Einfluss zu nehmen. So zeigen Studien, dass sich durch den Konsum die Darmflora.1 Auch die Fähigkeit, mit Zucker umzugehen, wird durch den häufigen Konsum von Süßstoff verschlechtert. „Zu viel Süßstoff kann Insulinresistenz fördern“, sagt Dr. Peter und bezieht sich dabei auf Studien.2 Die wohl schlimmste Folge sei jedoch eine Art Abhängigkeit durch Süßstoffe, wie der Mediziner im Gespräch mit FITBOOK betont.
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Man kann von Flavour Drops süchtig werden!
Können Flavour Drops und Geschmackspulver süchtig machen? Dr. Thomas Peter ist sich sicher: „Absolut – und das ist sogar in Studien belegt.“ Der Mediziner bezieht sich hierbei auf Studien, die mittels eines MRT-Gehirnscans die „Suchtzentren“ im Gehirn untersuchte.3 „Süßstoffe befriedigen die Suchtzentren deutlich weniger“, sagt Dr. Thomas Peter. „Dadurch nimmt das Verlangen nach süßem Geschmack zu, sodass man schließlich immer mehr Süßstoff konsumiert, weil man die Suchtzentren trotz des süßen Geschmacks nicht bedient.“
Wer sein Essen also regelmäßig mit Flavour Drops und Co. süßt, legt sich sozusagen selbst herein. Es kommt aber noch schlimmer: „Dadurch, dass man seine eigene Fähigkeit, echten Zucker zu verstoffwechseln, verschlechtert, bekommt man umso größere Probleme, wenn man dann doch mal Zucker zuführt“, erklärt Dr. Peter. „Das wiederum verstehen dann viele nicht – und greifen aus Angst wieder zum Süßstoff. So entsteht Abhängigkeit.“
So lernt man, wieder auf künstliche Süßstoffe zu verzichten
Abhängigkeit lässt sich am ehesten bekämpfen, wenn man die Gründe dafür kennt. Wenn man das Bedürfnis hat, immer nur „ganz süß“ zu essen, kann es sein, dass körperliche Gründe dafür vorliegen. „Die Beweggründe sind immer ganz individuell“, so Dr. Peter. „Auf der körperlichen Ebene finden sich im Rahmen meiner Diagnostik oft Mängel im Bereich basischer Mineralien, wie Magnesium und Kalium.“
Dazu lägen häufig Störungen der Hormon- und Stressachsen vor, erläutert der Mediziner. „Häufig sind eine Nebennierenschwäche, Serotoninmangel etc. – in der Gesamtschau spricht also vieles für ein chronisches Stressgeschehen.“ Um den Geschmack wieder in den Griff zu bekommen und einen natürlichen Umgang mit dem Thema zu erlernen, helfe nur eines: erkennen, dass genauso wenig wie das Leben, unsere Nahrung „immer süß“ sei.
„Süßes ist kein ‚Standard‘, sondern von Natur aus etwas Seltenes“, sagt Dr. Peter. Süßer Geschmack sei etwas, das uns früher nur phasenweise in Form von frischem Obst zugänglich gewesen sei. „Wir sollten lernen, Süßes als eine Art Besonderheit in unserem Leben zu betrachten“, betont der Experte. „Bereichern wir unser Leben stattdessen mit Freude und Zufriedenheit – dann ist Kompensation unnötig.“
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Deshalb sollte man Flavour Drops und Geschmackspulver mit Vorsicht genießen
Sucralose (E 955), ein künstlicher, kalorienfreier Süßstoff, der wegen seiner sehr intensiven Süßkraft in Flavour Drops und Geschmackspulver zum Einsatz kommt, kann die Entstehung von Krebs begünstigen. Das gilt zumindest, wenn der Stoff auf über 120 °C erhitzt wird, warnt das Bundesamt für Risikobewertung.4 Das ist aber nur die eine Sache …
Können Flavour Drops und Geschmackspulver zu Essstörungen führen?
Supplements werden häufig konsumiert, um Kalorien zu sparen. Statt sich einen Apfel in den Quark zu schneiden, wird stattdessen munter Flavour hineingekippt. Das Problem dabei? Statt für zusätzliche Nährstoffe zu sorgen, gibt man so nur Süße hinzu. So kann man zwar wie gewünscht Kalorien sparen, auf der anderen Seite können Geschmackspulver und -tropfen so auch die Entstehung von Essstörungen begünstigen.
- Bevor man das nächste Mal Flavour Drops oder Geschmackspulver genießt, sollte man sich lieber die Frage stellen, warum es Essen überhaupt immer so süß schmecken soll.
- Wie süß man isst, ist auch eine Sache der Gewohnheit. Man sollte daher versuchen, Süßungsmittel wie Geschmackstropfen und -pulver nach und nach aus der Ernährung zu streichen. Der positive Effekt: nach einer Zeit der Abstinenz werden die künstlichen Geschmacksrichtungen viel zu süß erscheinen.
Fazit
Geschmackspulver und Flavour Drops können dabei helfen, kurzfristig Kalorien zu sparen, aber nicht dabei, langfristig gesünder zu sein. Wer den Drang verspürt, alle Mahlzeiten mit Flavour und Geschmackspulver zusätzlich zu süßen, sollte sich fragen, ob nicht etwas Anderes als nur der süße Geschmack fehlt. Womöglich liegen sogar bereits ein gestörtes Verhältnis zur Ernährung und ein gestörtes Essverhalten vor.
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Quellen
- 1. Del Pozo, S., Gómez-Martínez, S., Díaz, L.E. et al. (2022). Potential Effects of Sucralose and Saccharin on Gut Microbiota: A Review. Nutrients.
- 2. Pepino, M.Y., Tiemann, C.D., Patterson, B.W. et al. (2013). Sucralose affects glycemic and hormonal responses to an oral glucose load. Diabetes Care.
- 3. Yang, Q. (2010). Gain weight by „going diet?“ Artificial sweeteners and the neurobiology of sugar cravings: Neuroscience 2010. Yale Journal of Biology and Medicine (YJBM).
- 4. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). (2019). Süßstoff Sucralose: Beim Erhitzen von Lebensmitteln können gesundheitsschädliche Verbindungen entstehen. (aufgerufen am 12.9.2023)